Corona-Pandemie: Tierschutzbund fordert konsequente Regulierung des Wildtierhandels

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 26. November 2020

Der Bundestag berät ab heute über den zukünftigen Handel mit und die private Haltung von exotischen Wildtieren. Um Wildtiere endlich konsequent zu schützen und gleichzeitig das Risiko von Zoonosen und Pandemien einzudämmen, fordert der Deutsche Tierschutzbund eine deutlich schärfere Regulierung. Neben einem bundesweit einheitlichen Sachkundenachweis für Halter hält der Verband unter anderem eine Positivliste für wesentlich, die diejenigen Tierarten definiert, gegen deren Haltung in Privathand aus Tier-, Natur- und Artenschutzgründen sowie Gesundheits- und Sicherheitsaspekten keine Bedenken bestehen.

„Corona zeigt, welche Konsequenzen der rücksichtslose Umgang mit Wildtieren auch für uns Menschen haben kann. Eine konsequente Regulierung des Wildtierhandels wurde bereits im Koalitionsvertrag angekündigt und ist schon lange überfällig. Es ist bedauerlich, dass es offenbar eine Pandemie braucht, um dem Staatsziel Tierschutz in dieser Hinsicht gerecht zu werden und Mensch, Tier und Natur gleichermaßen zu schützen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. In den Anträgen der Parteien seien nun glücklicherweise bereits viele gute Forderungen enthalten. „Nun müssen daraus auch Taten folgen“, so Schröder.

Bisher sind Handel und private Haltung von exotischen Wildtieren in Deutschland weitestgehend noch immer nicht reguliert – und das, obwohl viele Arten nachweislich Träger von Krankheitserregern sind, die auch dem Menschen gefährlich werden können. Auf Tierbörsen und im Internet können Schildkröten, Schlangen, Papageien oder Äffchen problemlos anonym gehandelt und erworben werden – oftmals unüberlegt und ohne, dass die Käufer ihre Sachkunde nachweisen müssten. Für die Tiere bedeutet das meist lebenslanges Leid, da ihre hohen Ansprüche in der Privathaltung kaum erfüllt werden können. Überforderte Käufer, die die spätere Größe oder Lebensdauer der Exoten unterschätzt haben, setzen sie jedes Jahr zu Hunderten aus und gefährden damit nicht nur heimische Ökosysteme, sondern überlassen die Tiere damit dem meist sicheren Tod durch die hiesigen Witterungsbedingungen. Mit einem verpflichtenden Sachkundenachweis für Verkaufspersonal und private Halter, einer Positivliste unbedenklicher Arten sowie einem Verbot für gewerbliche Züchter auf Tierbörsen und für den Onlinehandel mit Tieren könnte diesen Missständen ein Riegel vorgeschoben werden.

EU-Lösung gegen globalen Artenschwund und Pandemien

Der Deutsche Tierschutzbund fordert die deutsche Politik außerdem auf, sich auf EU-Ebene für ein Importverbot von Wildfängen nach dem Vorbild des US-amerikanischen „Lacey Acts“ stark zu machen. Naturentnahmen schwächen die ohnehin schrumpfenden Wildbestände. Besonders bedenklich ist der Import von im jeweiligen Land geschützten, illegal gefangenen Arten, die hierzulande aber legal verkauft werden können. Der Import von jährlich hunderttausenden Wildtieren birgt damit nicht nur das Risiko, dass gefährliche Krankheitserreger eingeschleppt werden, sondern trägt auch zum globalen Artenschwund bei.

Großer Einsatz für Winzlinge

Pressemitteilung der Heinz Sielmann Stiftung vom 26.November 2020

ein Zivilpanzer wird an den ersten Dezembertagen in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide einen besonderen Auftrag im Dienst des Naturschutzes erfüllen. Das schwere Kettenfahrzeug verdichtet so genannte Urkrebstrassen durch Befahrung. Das große Gewicht des Fahrzeugs und die Fortbewegung über Ketten schaffen die idealen Lebensbedingungen für die Kiemenfußkrebse Triops cancriformis und Branchipus schaefferi, auch Urzeitkrebse genannt.

Für die beiden in der Döberitzer Heide vorkommenden Urzeitkrebsarten, die ihre Erscheinungsform seit mehr als 200 Millionen Jahren kaum verändert haben, ergeben sich durch den Einsatz des schweren Kettenfahrzeugs positive Effekte. Die Ketten des Zivilpanzers vertiefen Geländemulden und verdichten durch ihr hohes Gewicht den Boden, so dass sich nach Regenfällen die für die Krebse überlebensnotwendigen Pfützen bilden und halten.

In solch temporären Stillgewässern leben und vermehren sich die Urzeitkrebsarten Triops cancriformis und Branchipus schaefferi. Aber auch die Rotbauch-Unke nutzt die temporären Tümpel, ebenso zahlreiche konkurrenzschwache Pflanzenarten wie Schlammling (Limosellla aquatica), Sumpf-Quendel (Peplis portula) und Armleuchteralgen. In der Kernzone nutzen die großen Pflanzenfresser wie der Wisent solche Biotope. Die Wildschweine lieben sie als Suhle.

Urzeitkrebseier überdauern Jahrzehnte im Boden

Die beiden genannten Urzeitkrebsarten sind in Deutschland je nach Region vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet. Dabei existieren die Arten bereits seit der Zeit der Dinosaurier, sie haben also schon einige unruhige Zeiten überstanden. Die weiblichen Tiere bilden nach Erreichen der Geschlechtsreife so genannte Dauereier oder Dauerstadien aus, die viele Jahre, teils sogar Jahrzehnte im Boden unbeschadet überstehen können.

Unter passenden Bedingungen erwachen die Urzeitkrebse von April bis November zum Leben. Liegen die Dauereier in einer Mulde und diese füllt sich in der wärmeren Jahreszeit mit Regenwasser, schlüpfen die Krebse innerhalb von 48 Stunden. Dafür sollte das stehende Gewässer besonnt sein und sich schnell erwärmen. Die Lebensspanne der Krebse ist allerdings recht kurz und sie bleiben klein. Branchipus schaefferi erreicht eine Länge von zwei bis vier Zentimetern, Triops cancriformis wird im Durchschnitt sechs bis acht, auch mal zehn Zentimeter groß. Zur Ausbildung neuer Eier reichen ihnen meist wenige Wochen.

Truppenmanöver sicherten Urzeitkrebsen das Überleben

Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide ist eine der wenigen Flächen in Deutschland, wo diese „lebenden Fossilien“ noch vorkommen. Das ist das Paradox der ehemaligen Truppenübungsplätze: Hier wurde für Krieg und Zerstörung geprobt und gerade dadurch konnte sich vielfach eine besondere Tier- und Pflanzenwelt erhalten.

Die Trassenbefahrung durch einen heute zivilen Panzer imitiert die Bedingungen, unter denen die Urzeitkrebse überlebt haben. Sie ist Teil der Landschaftspflegemaßnahmen, die in den Wintermonaten in der Döberitzer Heide stattfinden. Die einzelnen Trassenabschnitte werden sechs Mal hintereinander befahren, um den gewünschten Erfolg zu erreichen. Die Befahrung wird möglichst bei feuchter Witterung vorgenommen, um die Verdichtung und Abschlämmung der feinen Bodenteilchen zu erleichtern.

Landschaftspflegemaßnahmen für den Naturschutz

Die Landschaftspflegemaßnahmen wirken ähnlich wie die Störung der Vegetation durch Militärfahrzeuge. Damit schaffen die Maschinen Verhältnisse, die vergleichbar mit dem Ende der letzten Eiszeit sind, als die Endmoränenlandschaft entstand. Selten gewordene Pflanzenarten, die wegen des Voranschreitens der Vegetation im Laufe der Zeit mehr und mehr verschwanden, können zurückkehren.

Deshalb sind Erosion und andere dynamische Prozesse, die auf landwirtschaftlichen Flächen unerwünscht sind, in der Döberitzer Heide in Teilbereichen gewollt. Wind und Wasser sollen den Boden angreifen und auf diese Weise passenden Lebensraum für seltene Insekten, Gräser und Vögel herstellen. Die hohe biologische Vielfalt vor Ort wird auf diese Weise erhalten und weiter gefördert. Andernorts bedrohte Arten wie Kreiselwespe, Sandbienen oder die farbenprächtige Röhrenspinne bevorzugen die schütter bewachsenen Sandflächen und verschwinden, wenn Nährstoffe und Vegetation zunehmen.

Naturschutzfachliche Pflege für Biodiversität

Die maschinelle Pflege im Herbst und Winter ergänzt andere Maßnahmen zur Offenhaltung wie die Landschaftsgestaltung durch Wisente, Przewalskipferde und Rotwild in der Kernzone (ca. 1.860 Hektar) und in der Naturerlebniszone (ca. 1.800 Hektar) mit Heidschnucken, Ziegen sowie robusten Rinder- und Pferderassen. Die Landschaftspflegemaßnahmen finden in fachlicher Abstimmung mit dem Landesamt für Umwelt statt.