Dakota, Herrin über dem Ravensberg

Dakota ist die eigentliche Königin auf dem Potsdamer Ravensberg

Auf dem Potsdamer Falkenhof zeigen Weißkopfseeadler Dakota und andere Greifvögel wie geschickt sie ihre Beute stellen. Keine Flug-Show. Besuchern soll die Lebensweise der wunderschönen Tiere nähergebracht werden. Naturbildung steht im Mittelpunkt auf dem Potsdamer Ravensberg.

Text & Fotos von Silvia Passow

Pfeilschnell und geräuschlos gleitet Kaguya über die Wiese hinweg, landet punktgenau auf den ausgestreckten Arm von Ilka Simm-Schönholz. Die 59jährige Falknerin greift in die mitgeführte Tasche und holt eine tote Maus hervor. Mit sichtbarer Begeisterung wird sie von dem Blau-Bussard Weibchen mit dem Schnabel entgegengenommen und ist gleich darauf verschluckt. Blau-Bussarde, auch Aguja genannt, leben eigentlich in den Anden. Die einjährige Kaguya ist noch ein Teenager, erst mit 3 Jahren gilt sie als ausgewachsen und dann wird sich auch ihr Gefieder jeansblau färben. Statt um die Gipfel südamerikanischer Berge kreist sie um den etwa 108 Meter hohen Ravensberg in Potsdam. Sie gehört zu den 38 Greifvögeln, die auf dem Falkenhof leben.

Kaguya kurz vor dem Start

Auf dem Falkenhof in Potsdam zeigen die Vögel regelmäßig was sie können. Und nur das, keine ausgefeilten Kunststücke, keine Show. „Wir sind kein Zirkus“, sagt Simm-Schönholz. Den Begriff einer Show mag sie nicht. Alles was an eine Vorführung erinnert, ist die begleitende Musik. Gezeigt wird das natürliche Jagdverhalten der Tiere, in diesem Fall auf Beuteattrappen. Denn damit fing vor über zwanzig Jahren alles an, mit dem Wunsch, Kindern die Natur zu erklären. Nicht im beheizten Klassenzimmer, sondern Draußen, im Wald, am See, auf den Wiesen. In Blockhütten und am Lagerfeuer sitzend, mit einem Würstchen am Spieß.

Die Belohnung hat Kaguya schnell verdrückt

Simm-Schönholz war als Musiklehrerin tätig, als sie, gemeinsam mit zwei Mitstreitern, die Waldschule auf dem Ravensberg errichtete. 1999 bauten sie auf dem Gelände die Waldschule, im April 2000 wurde sie eröffnet. „Hier oben haben wir den wahrscheinlich höchst gelegenen künstlichen Teich in Brandenburg angelegt“, sagt Simm-Schönholz lachend. Umweltbildung für Kindergartenkinder stand zunächst auf der Agenda. Inzwischen gibt es ein breites Programm für Kinder aller Altersklassen, Jugendliche und Erwachsene.

Liegen rund 1 Kilometer entfernt, Waldhaus und Falkenhof

2002 machte Simm-Schönholz den Jagdschein, auch das Grüne Abitur genannt, ein Jahr später die Ausbildung zur Falknerin. Im gleichen Jahr, 2003, kam das ehemalige Gelände des Deutschen Wetterdienstes dazu. Rund um den charakteristischen Turm der Wetterstation entstand, zunächst nur mit einer Handvoll Greifvögeln, der Falkenhof. Auch hier steht der Bildungsgedanke im Vordergrund. Im Turm erklärt eine Ausstellung die Geheimnisse des Waldes, seiner Bewohner, den Lebensraum und widmet sich den Traditionen der Jagd. 19 Mitarbeitende sind hier beschäftigt, dazu gehören auch die Auszubildenen für die Tierpflege.

Gonzo, heißt der kleine Wüstenbussard.

Im Erdgeschoss der ehemaligen Wetterstation hat gerade ein Wüstenbussard-Küken seine Kinderstube. Etwas nackig ist es, keine Spur von watteweichen gelben Federn wie bei Entenküken, und nicht gerade stubenrein. Es ist ratsam nicht hinter dem kleinen Vogel zu stehen, denn was da rauskommt, sucht sich mit Schwung seinen Weg in die Freiheit. Simm-Schönholz nimmt das acht Tage alte Küken in die Hände, spricht leise mit ihm, streicht sanft über das lückenhafte Federkleid. Neugierig schaut der kleine Vogel zu ihr auf, wirkt wie ein aufmerksamer Zuhörer. Simm-Schönholz legt ihn zurück, schmiegt ihn in ein bereitgelegtes Kuscheltier. Eines Tages wird er mit seinen Artgenossen auf die Jagd gehen.

Ilka Simm-Schönholz und der jüngste Bewohner des Falkenhofes

„Wüstenbussarde jagen nicht allein, sondern in der Gruppe“ erklärt Simm-Schönholz die Besonderheit der Vögel. Denn eigentlich jagen Greifvögel allein. Wüstenbussarde verteilen sogar Aufgaben innerhalb ihrer Jagdgemeinschaft“, fügt die Falknerin hinzu. Da sie mit ihren Vögeln den Freiflug auf dem Gelände und die Jagd auf Beuteattrappen übt, geht sie nicht mit den Vögeln zur Jagd. Auch Vögel brauchen Ruhezeiten, vor allen wegen der Mauser.   

Wie im wahren Leben, die einen ackern, die anderen genießen die Sonne

Wieder draußen auf der Wiese gibt Weißkopfseeadler Dakota kurze, schrille Schreie von sich. Der Blick des majestätischen Vogels ist gen Himmel gerichtet und wirkt ein wenig beleidigt. Hoch über dem Ravensberg kreist ein Seeadler. Der Freigeist gehört nicht zum Falkenhof, schaut nur mal vorbei und löst bei den Greifvögeln, die auf der Wiese an ihren Plätzen sitzen, so etwas wie eine Welle der gemeinsamen Empörung aus. Zumindest lassen die unterschiedlichen Laute aus den verschiedenen großen Schnäbeln darauf schließen.

Wenn oben einer fliegt, wirds unten lebhaft

Bald darauf darf auch die knapp 5 Kilogramm schwere Dakota auf den behandschuhten Arm von Simm-Schönholz sitzen. Sie schmollt ein wenig, ist dann aber doch für Fotos bereit. „Bist heute zickig“, stellt Simm-Schönholz wie bei einer altvertrauten Freundin fest. Auch Vögel haben ihre Launen.

Zwei, die sich verstehen, Ilka Simm-Schönholz und Dakota

Neben den Artbezogenen Eigenheiten hat jeder Vogel seinen Charakter und Eigenarten, sagt Simm-Schönholz. Von daher vermag sie nicht zu sagen, wie lange es braucht, bis die Vögel vor Publikum hautnah zu erleben sind. Vertrauen ist für die Vögel sehr wichtig, sagt Simm-Schönholz und fügt hinzu, genauso wie Menschen lernen manche schneller als andere.

Gymnastik mit Dakota

Nicht alle Vögel nehmen am Freiflug vor Gästen teil. Auf dem Falkenhof werden die sehr seltenen Steinkäuze und Schreiadler aufgezogen und in die freie Natur entlassen. Die Maßnahme dient dem Arterhalt der seltenen Tiere.

Steinkauze sind sehr selten gewordene Vögel, um den Arterhalt müht man sich auch auf dem Falkenhof

Nicht alle Tiere, die hier leben haben Flügel. Der Tierschutzverein Terra Mater arbeitet schon lange mit Waldhaus und Falkenhof zusammen. Wildtiere, die von Menschen aus der Natur mitgenommen wurden, landen oft beim Tierschutz. Von dort geht es zum Ravensberg. Wildtiere gesund pflegen, aufpäppeln, auf ein Leben in Freiheit vorbereiten, gehört auch zu den Aufgaben. Sofern die Gesundheit es zulässt, werden die Tiere ausgewildert. Lediglich dauerhaft Kranke oder Tiere, die eigentlich nicht in der freien Natur erwünscht sind, wie zum Beispiel Waschbären, bekommen ein Dauerwohnrecht. Dieser Bereich ist für Besucher nicht zugänglich, die Tiere sollen sich nicht an Menschen gewöhnen.    

Mutter Ente wacht über ihren Nachwuchs

Ganz anders sieht es im Streichelzoo aus. Hier kann mit Ziegen, Enten und Kaninchen auf Tuchfühlung gegangen werden. Wellensittiche können beobachtet werden und dann sind da noch die Lachenden Hänse, aus der Familie der Eisvögel. Ihren Namen verdanken sie ihren mal kichernden, man glucksenden Rufen, die den Menschen durchaus zum Schmunzeln bringen können.

Meckert nur, wenn man nichts zu essen mitbringt, einer der Ziegen auf dem Falkenhof

Neben all den Tieren stehen auch Lebensräume im Fokus. Unterschiedliche Biotope, die Wildblumenwiese, Teich mit Wasserlauf, Steinhaufen, in dem gerade erst 80 Eidechsen gezählt wurden, gehören zum Naturerlebnis. Dabei stellt der Zaun, der das Gelände vom umliegenden Wald trennt, keine Barriere dar. „Als wir hierherkamen, war kein Vogel zu hören“, sagt Simm-Schönholz. „Und nun haben wir hier den Zaunkönig, Rauchschwalben, Bachstelze, Rotschwänzchen, Feld- und Haussperling und viele weitere Vögel“, setzt sie nach.

Natur pur, auf dem Falkenhof

Für Kinder und Jugendliche bieten Waldhaus und Falkenhof ein breites Programm. Im Mittelpunkt steht dabei immer die spielerische Entdeckung der Natur. Schatzsuche, Laubhüttenbau, Tierbeobachtung im Morgengrauen oder der Abenddämmerung. Bleiben kann man für ein paar Stunden oder für Tage, im Feriencamp wird in kleinen Holzhäusern übernachtet. Sternenhimmel, Lagerfeuer, das Rauschen der Bäume, Baden im See, gehört alles dazu. Kindergeburtstage, Hochzeiten, Feiern aller Art werden meist vom Schwein im Backofen gekrönt, dass der Jäger zuvor für das Ereignis geschossen hat. Auch Erwachsene können in die Grüne Welt eintauchen und Falkner für einen Tag werden. Oder mit dem Jäger auf die Pirsch gehen. Teambildende Maßnahmen für Firmen sind ebenfalls möglich.

Hier lässt es sich schön feiern

Unter der Woche können nur angemeldete Gruppen den Falkenhof besuchen. An den Wochenenden und Feiertagen steht der Falkenhof auch unangemeldeten Gästen von 10-16:30 Uhr offen. Die Greifvögel im Freiflug können um 14 Uhr erlebt werden. Während die Vögel die Beuteattrappen jagen, bleibt der Falkenhof geschlossen. Eintritt: 5,50 Euro für Erwachsene, 4 Euro für jedes Kind. Karten für die Greifvögel im Freiflug kosten für Erwachsene 9,50 Euro und pro Kind 6,50 Euro. Eis, Kaffee und eine kleine Speiseauswahl kann direkt auf dem Falkenhof erworben und in rustikaler Atmosphäre genossen werden.  

Weitere Infos: https://www.waldhaus-potsdam.de › falkenhof