Märchenhaftes Kleßen

Kleine und große Abenteuer erleben, in Kinderbuch Museum & Spielzeugmuseum in Kleßen

Der Herbst kündigt sich an, es wird kühler, die Tage regnerischer und kürzer. Lesezeit, Märchenzeit, Zeit zum Spielen für die ganze Familie. Oder einen Ausflug, oder alles zusammen. Dann auf nach Kleßen, ins Spielzeug- und Kinderbuchmuseum. Träumen, an die eigenen Kindertage zurückerinnern, Lust bekommen aufs lesen, spielen und Familienkuscheln.

Kleßen.   Dornröschen wohnt in Kleßen, nicht unbedingt im Schloss aber gleich daneben. Gegenüber der 300jährigen Eiche, die gleich hinter dem Schlossportal steht, ist das Kinderbuchmuseum. Es hätte keinen besseren Platz für die umfangreiche Büchersammlung geben können, denn nicht nur ein Schloss steht in direkter Nachbarschaft. Gleich nebenan ist seit 2006 das Spielzeugmuseum untergebracht. Das passt, Kinder spielen nach, ihren Alltag, ihre Träume und sehr gern auch die Geschichten, die Märchen, die unglaublichen Abenteuer, die die Helden der Kinder erleben. Ganz egal ob sie Heidi, Winnetou oder Kapitän Kirk heißen. Ein Kinderbuch und ein Spielzeugmuseum sind nicht nur etwas für Kinder. In Kleßen finden auch die Großen die Freunde unserer Kindheit wieder, werden Erinnerungen geweckt, erwacht die neugierig-kindliche Seele in uns, die für neckische Streiche zu haben ist. Wer nach einem Besuch in Kleßen versucht, die Straße auf einem Bein entlang zu hüpfen, hat verstanden.

Foto: Silvia Passow

Vom Wissensschatz zur Gute-Nacht-Geschichte

Das Kinderbuchmuseum hat erst in diesem Jahr eröffnet. Kuratorin Birgit Jochens und Ausstellungsgestalter Klaus-Dietrich Schulze haben hier auf 120 Quadratmetern in vier Räumen rund 250 Bücher in Szene und Kontext gesetzt. Zuvor hatte Jochens ein Jahr lang eintausend Bücher gesichtet.

Eines der Glanzstücke ist das älteste noch erhaltene Kinderbuch, aus dem Jahr 1712, die erste Auflage war bereits 1638 erschienen. Im Vergleich zu den farbenfrohen Kinderbüchern von heute, kommt es recht schlicht daher. „Kinderbücher waren zunächst reine Anschauungsbücher“, sagt Kuratorin Jochens. Die Kinder sollten mit Hilfe der Bücher lernen, Bildung und gutes Benehmen wurden mit den Werken vermittelt. In diesem Buch und das ist besonders, geschah dies in lateinischer und deutscher Sprache. Diese älteren Bücher haben durchaus ihre komischen Momente. So erklärt eines der Bücher die menschlichen Sinne und die Zeichnung, die sich dem Geruchssinn annimmt, ist humoristisch angereichert. Eine Familie, Mutter schnuppert an einer Rose, der Vater am Tabak und das größere Kind hält sich die Nase zu, weil der kleine Bruder auf dem Töpfchen thront. Erst sehr viel später, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, werden die Bücher tatsächlich bunter und dienen nicht nur dem Köpfchen, sondern unterhalten auch. Und es werden neue Elemente hinzugefügt, das Aufklappbuch mit beweglichen Teilen, wird erfunden. Dann, vor mehr als hundert Jahren erscheint die erste Fibel. Sie soll Wissen über die regionale Geschichte vermitteln, erklärt Jochens.  

Richtig viel Farbe brachte der Schweizer Ernst Kreidolf in die Bücher. Bei Kreidolf bekommen Tiere und Pflanzen menschliche Gesichter und menschliche Formen. Auch Tom Seidmann-Freud, sie war die Nicht des Psychoanalytikers Sigmund Freud, fand Einzug in die Sammlung. Die Sammlung widmet sich den Kinderbuch-Verlagen in der DDR. „Das Katzenhaus“ ist eines der Bücher, dass viele Besucher wiedererkennen, sagt Jochens. Eine Autorin, die man ganz sicher nicht mit Kinderbüchern in Zusammenhang bringt, ist Josephine Baker. Und doch schrieb auch sie, sehr modern sogar, über ihre Regenbogen-Kinder. Baker selbst hatte eine Schar Adoptivkinder, erklärt Jochens. Und auch das veränderte Kinderbild, geprägt durch die unvergleichliche Pippi-Lotta Langstrumpf wird thematisiert. Und klar, einen Leseraum mit ganz viel Kinderbüchern gibt es auch.

In der Sonderausstellung „Wie im Bilderbuch? Die Nachkriegszeit im Kinderbuch und in der Erinnerung“ kommen Zeitzeugen aus dem Havelland zu Wort. Anrührende Geschichten voller Entbehrungen und doch von Hoffnung getragen. Die Sonderausstellung ist noch bis Jahresende zu sehen.

Im Kinderbuchmuseum wird beinahe jeder eine alte Bekannte finden. Die besonders geliebte Geschichte, liebevolle, farbenfrohe Bilder und die Märchenhelden, die durch finstere Nächte begleiteten. Für noch mehr kindliche Erinnerungen braucht es nur wenige Schritte.

Foto: Silvia Passow

Spielerische Zeitreise

Im Spielzeugmuseum empfängt Museumleiter Frithjof Hahn die Besucher. Das Museum ist im ehemaligen Schulgebäude untergebracht, verwinkelt, mit schmaler Stiege in die obere Etage und mit so viel Charme ausgestattet, das man am liebsten gleich im ersten Raum einfach nur auf den Boden sitzen und sich staunend umschauen möchte.

Foto: Silvia Passow

Bei den hier gezeigten Exponaten handelt es sich um Spielzeug aus deutscher, industrieller Produktion. Und ja, so etwas gibt es wirklich, ohne Plastik gefertigt. Hahn erklärt, dass Deutschland vor dem ersten Weltkrieg für seine Spielzeugproduktion bekannt war. Die Spielzeugstadt Nürnberg, erinnert daran, Brandenburg an der Havel war große Spielzeugproduktionsstätte, berichtet Hahn weiter. Weihnachten und Spielzeug verschenken, das Wohnzimmer nicht nur mit einem Baum, sondern auch mit einer Modeleisenbahn schmücken, eine deutsche Tradition, die auch in andere gute Stuben auf der Welt Einzug hielt.

Foto: Silvia Passow

Die Entwicklung des Spielzeugs ist Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Den Kindern ein oder mehr Spielzeug kaufen zu können, war eine Form des Wohlstandes. So manch Besucherin des Museums wird sich vielleicht an ihre Puppe erinnern, wenn sie durch die Reihen mit Puppen, Puppenküchen und Haushaltszubehör für die Puppenmutti flaniert. Nur eine Generation später hatte eine Puppenmutter zumeist schon sehr viel mehr Puppen zu versorgen. Kinder auf ihre vermeintlich spätere Rolle vorbereiten, auch das ist Spielzeug. Und die vielen Varianten von Burgen, Rittern und Burgfräulein zeigen, wie gern die Märchen aus den Büchern von Nebenan nachgespielt werden. Auf allzu kriegerisches Spielzeug hat man im Museum bewusst verwichtet, sagt Museumsleiter Hahn.

Foto: Silvia Passow

Was es damals wie heute gibt, sind die besonders teuren Spielzeuge, die auch nicht mit hinausgenommen werden durften. Solche Spielzeuge sind oft gut erhalten, für das Museum sind die kleinen billigen Alltagspielzeuge viel schwieriger zu bekommen. Sie wurden nicht so sorgsam über die Zeiten gebracht. Ach ja, zum Draußen spielen finden sich einige Spielzeuge, die Kreisel zum Beispiel. Draußen spielen, mit viel Platz, man sieht es, die Spielzeuge entwickeln sich auch mit den Lebensumständen der Kinder. Und wenn das Wetter nicht mitspielt, gibt es noch das gute, alte Brettspiel für die ganze Familie.

Foto: Silvia Passow