Auf Zeitreise in Großderschau

Der Kolonistenhof macht die Geschichte der Mark Brandenburg lebendig

Eine große Auswahl an historischen, landwirtschaftlichen Gerät findet sich im Freilichtmuseum des Kolonistenhofes Großderschau
Foto: Silvia Passow

Die Melodie hat es irgendwie aus den Tiefen meiner Erinnerung in die Ohren geschafft. Dieses seichte Liedchen und kurz sehe ich sie wieder, dieses glückliche Pärchen auf dem Planwagen sitzend, die drei zuckersüßen Mädchen, die diese Wiese hinablaufen, die Kleinste fällt ins Gras, verschwindet beinahe zwischen den hohen Halmen. „Unsere kleine Farm“ war eine meiner Lieblingsserien als Kind. Laura Ingalls, so hieß das Mädchen, um das sich die Geschichten der Farmerfamilie Ingalls rankten. Laura, mit den geflochtenen Zöpfen, könnte auch hier gleich über die Wiese hüpfen, in Großderschau, im Nordwesten des Havellandes, zwischen Rhinow und Neustadt-Dosse. Der Kolonistenhof Großderschau zeigt eindrucksvoll, wie es sich in vergangenen Tagen hier lebte. Denn so wie die Familie der unvergesslichen Laura Ingalls, waren auch die ersten Kolonisten hier im Luch Farmer, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimat verlassen und hier sesshaft wurden.

Keine Plane aber der Rest stimmt, auf gehts Laura!
Foto: Silvia Passow

Die Geschichte der Kolonisten, ihr Tagewerk, wie sie lebten, arbeiteten und feierten, darüber berichten das Freilichtmuseum und die Ausstellung in der alten Schule. Zum Kolonistenhof gehört auch eine Butterakademie. Buttern, spinnen, dengeln, backen, Besen binden, all dies wird hier von den Mitgliedern des Vereins, der den Kolonistenhof betreibt, regelmäßig vorgeführt und zum Mitmachen animiert. Eigentlich, denn im Moment hält auch hier die Schutzheilige Corona ihr bremsendes Händchen über die Aktivitäten. Ganz langsam erwacht der Kolonistenhof aus der Corona-Zwangspause. Individuelle Besucher dürfen in das Leben zu Zeiten Friedrich II wieder eintauchen, die ersten Busse bringen Ausflügler, die unter den Sicherheitsauflagen beim Buttern zuschauen, erzählt Helga Klein, die ehrenamtliche Vereinsvorsitzende. Gebuttert wird eine Sauerrahmbutter, fünf Tage säuert die Butter vorher an, berichtet Klein und lacht. „Als ich das beim ersten Mal sah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass daraus Butter werden soll. Inzwischen weiß ich, so eine gute Butter bekommen sie nirgendwo anders“, schwärmt sie.

Für gute Butter braucht es ordentliches Zubehör
Foto: Silvia Passow

Klein hat die Mitgliedschaft im Verein quasi geerbt. Zusätzlich hat sie auch eine der geförderten Stellen inne. Bereut hat sie dieses Erbe nie, ganz im Gegenteil. „Die Arbeit hier macht viel Spaß und bringt viel Freude“, sagt die 63jährige Klein. Ebenfalls von der Mutter übernahm sie die Liebe und Fähigkeit Plattdeutsch zu reden. Das norddeutsche Platt wird in Großderschau gepflegt und gern weitergereicht. Vereine und Vereinsleben sind in Großderschau traditionell zahlreich vertreten, die Ausstellung im Schulhaus widmet sich auch dem geselligen Vereinsleben im Dorf.  

Ein Paradies für jeden Handwerker
Foto: Silvia Passow

Mit dem Schulhaus fing auch alles an, sagt Klein. Hier begann die Sammlung der Gegenstände, die von vergangenen Zeiten erzählen. Den Auftakt macht, nicht ganz überraschend, ein Klassenzimmer, es berichtet aus der Zeit des 18. Und 19. Jahrhunderts. Von hier aus geht es in den unterschiedlichen Räumen um den Alltag der Siedler, Geschirr, Mobiliar, Wäsche, Bügeleisen, Werkzeuge der Schumacher, Spinnräder. Im Flur zeugen viele Dokumente von der Kolonisierung der Gegend.

Haushalts- und Alltagsgegenstände im Museum
Foto: Silvia Passow

Die wurde nämlich erst einmal urbar gemacht. Bereits unter Friedrich Wilhelm I. wurde die Dosse begradigt, später das Luch, also das sumpfige Land, entwässert. Friedrich der Große rief Siedler in die Gegend, sie sollten hier Ackerbau betreiben. Was genau angebaut werden sollte, wusste er auch. Friedrich II. hatte eine offenbar große Vorliebe für die Kartoffel, erfahren Besucher in der Ausstellung. Ferner ließ er Wohnhäuser und Ställe bauen, Ackerland vervollständigte der Hof. Die einzelnen Gehöfte lagen recht weit auseinander. Diese Art der Besiedlung erhielt den Namen Kolonie. Großderschau, das bis 1951 Friedrichsdorf hieß, war eine dieser Kolonien. Und jene Häuser, die sogenannten Erstsiedler-Typen, sind Teil der Ausstellung Ebenfalls zu sehen ist die Geschichte der ehemaligen Glashütte Rübehorst.

Lauras Wäsche?
Foto: Silvia Passow

Ganz oben, unter dem Dach steht eine Gruppe ausgestopfter Tiere aus der Region. Fuchs und Storch sind allerdings nur Vertreter der Fauna, Großderschau liegt im Naturpark Westhavelland. Die Havelauen, Gülper See, alles nicht weit weg und beliebt bei vielen Zugvögeln.

Artenvielfalt im Westhavelland
Foto: Silvia Passow

Vieles was man hier im Kolonistenhof sehen und nachlesen kann, ist draußen, auf dem Weg durch das Luch, die Landschaft, noch immer zu sehen. Die weiten Felder und die Gräben, wie wir sie auch aus dem östlichen Havelland kennen.

Der Garten
Foto: Silvia Passow

Zurück ins Freilichtmuseum, das seinen Anfang mal mit einem Taubenhaus nahm, wie Klein erzählt, stehen allerhand landwirtschaftliche Geräte. Viele von ihnen haben während der Corona-Pause ein umfassendes Pflegeprogramm erhalten und strahlen nun wieder im frischen Glanz. Die Sammlung an Werkzeugen lässt vermuten, einfach war das Leben auf einem dieser Höfe sicher nicht. Ein Gemüsegarten lädt zum Verweilen ein und über allem wacht nicht nur das Taubenhaus, sondern auch ein benachbarter Storchenhorst.

Tauben als Wächter über das Gerät zum Ackerbau
Foto: Silvia Passow

Von hier aus hat man auch einen schönen Blick auf die Kirche der Kolonisten. Die im Stil des Klassizismus erbaute Kirche bietet 700 Sitzplätze. Auch sie wurde auf Befehl Friedrich II. gebaut. Das Besondere: Der Grundriss geht auf dem der Potsdamer Garnisonskirche zurück. Im Moment wird dort die Ausstellung „Fremde im Land Brandenburg“ gezeigt.

Blick von oben auf Kirche und Kolonistenhof
Foto: Silvia Passow

Helga Klein hofft, im September im Kolonistenhof in bewährter Tradition, das Ernte-Dank-Fest feiern zu können. Erst mit Gottesdienst, dann beim Buttern und Bühnenprogramm mit einem Kaffee-Konzert. Sie hofft, damit die Abstandsregeln gut einhalten zu können und Kaffee passt ohnehin hervorragend. Denn im Lehmbackofen wird dann Kuchen gebacken. „Auch die Frauen aus dem Dorf backen dann ihren Lieblingskuchen und bringen ihn mit“, sagt Klein. Klingt gehaltvoll und lecker, Laura Ingalls hätte sicher ihre Freude daran.

Kein Vergleich zum Komfort in heutigen Mähdreschern
Foto: Silvia Passow

Der Naturpark Westhavelland hat viel zu bieten, besonders dunkle Nächte zum Beispiel. Die geringe Besiedlung machts möglich: Sterne gucken und zwar so richtig viele. Weitere Ziele in der Umgebung: Schloss Kleßen und das Spielzeugmuseum in Kleßen, die Lady Agnes und Lilienthal-Museum in Stölln, der japanische Garten in Bartschendorf und die Filmtierschule Harsch in Sieversdorf.

Es gibt viel zu entdecken auf dem Kolonistenhof Großderschau
Foto: Silvia Passow

Den Kolonistenhof Großderschau findet ihr in der Kleinderschauer Straße 1 in 16845 Großderschau. Telefon: 033875 90810, weitere Infos unter: www.grossderschau.de

Liebevoll präsentiert der Verein um die Kolonisten die Schätze im Museum
Foto: Silvia Passow

Geöffnet hat der Hof Montag-Freitag von 8-16 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertags von 13- 17Uhr. Die Eintrittskarte für einen Erwachsenen kostet 4 Euro. Im Museumsladen bekommt man Mitbringsel, Eis und Kaffee. Wenigstens zwei Stunden sollten für den Besuch eingeplant werden. Drei bis vier Stunden sind realistisch, Kaffee zum Abschluss eingerechnet.

Viel Spaß beim Besuch, wünscht die Blaue Holzbiene
Foto: Silvia Passow