Wasser, Weite, wilde Tiere

Das Westhavelland lockt mit Abenteuer in der Natur. Einen Überblick über den Naturpark verschafft das Naturpark Zentrum in Milow

Juli 2020

Milower Land/Milow.  Das Wasser so unergründlich tiefblau, die Wiesen smaragdgrün und hoch oben kreisen die Weißstörche. Die weit verzweigte Havel, die Grabenniederung, die Auen, die märchenhaften Wälder, sie locken mit dem größten aller Abenteuer, dem vor der Tür, Draußen, in der Natur. Im Westhavelland hat noch jedes Dorf „sein“ Storchennest, werden die Straßen von Bauernhäusern aus rotem Backstein oder verspielten Fachwerk gesäumt. Bockwindmühlen ziehen das Augenmerk auf sich, erstaunlich ist die Vielfalt der Dorfkirchen, mal aus großen Feldsteinen erbaut, so wie in Spaatz, mal mit viel Holz, wie die barocke Fachwerkkirche in Wolsier. Und je nach Jahreszeit rufen Singschwan, Bekassine, Graugänse oder Kraniche, klappern die Störche zur Begrüßung oder zeigen die Großtrappen ihr beeindruckendes Federkleid. Wasser- und Vogelwelten bietet das Westhavelland reichlich und im Überschuss, sattsehen kann man versuchen, gelingen wird es kaum.

Im Naturpark Zentrum Milow kann man sich einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten im Westhavelland verschaffen
Foto: Silvia Passow

Zurück zur Natur

Die Zauberhafte hat ihre Schönheit zurück, zumindest an vielen Stellen bekam die untere Havel zurück, was der Mensch ihr genommen hatte. Seit 2005 wird der Fluss zwischen Pritzerbe und Gnevsdorf aus seinem einzwängenden Korsett entlassen, das Ufer wieder in die natürliche Form und Struktur zurückgeführt. Zahlreiche Wasservögel finden sich hier, vom Wasser aus kann sich das Auge in der Unendlichkeit der Weite verlieren. Fisch- und Seeadler kreisen hier, am Ufer kann man die eine oder andere Biberburg ausmachen. Hübsche kleine Buchten mit Stränden aus feinem Sand laden zum Verweilen und zu einem erfrischenden Bad im kühlen Nass ein. Der NABU bietet regelmäßig Fahrten an, Start ist in Havelberg, ganz in der Nähe der Domstadt mündet die 341 Kilometer lange Havel in die Elbe. Vom Dorf Strodehne werden ebenfalls Touren angeboten. Strodehne, Prietzen, Wolsier, Gülpe und Parey jedes der kleinen Dörfer rund um den Gülper See ist einen Besuch wert. Wer mit dem Fahrrad da ist, wird Freude und Entspannung bei der Fahrt auf dem Storchenweg finden. Eines der High-Lights ist sicher der Besuch des Gülper Sees, ganzjährig in Beschlag gefiederter Transitgäste und dauerhafter Bewohner, erste Internationaler Flughafen Brandenburgs, wenn auch nur auf tierische Fluggäste ausgelegt. Nicht weit entfernt, im Havelländischen Luch, sind die Großtrappen zu Hause. In Buckow und Garlitz stehen Beobachtungstürme, von denen man sie in ihrem Lebensraum besuchen kann. Die beste Zeit hierfür ist im Frühling, zur Balz. Die Großtrappe ist weltweit gefährdet, auf Foto-Safari geht man hier am besten mit den Experten, zu finden beim Förderverein Großtrappen e.V.

Enten, Gänse und Geschnatter gibt es an der Havel reichlich
Foto: Silvia Passow

Im Westhavelland hört das Abenteuer nicht am Abend auf. Im Gegenteil, der Naturpark ist auch der erste Sternenpark Deutschlands, 2014 wurde er als solcher ernannt. Nur wenige Regionen in Deutschland sind des Nachts derart frei von künstlicher Beleuchtung. Das erlaubt einen ungetrübten Blick in den Sternenhimmel.

Licht ins Dunkel gebracht, zumindest mit dem Blitzlicht der Kamera im Sternenzelt im Naturpark Zentrum
Foto: Silvia Passow

Das klingt verlockend, doch wohin zuerst? Klare Sache, ins Milower Land, in das Naturpark Zentrum Westhavelland. Die Mischung aus Touristeninformation, Natur- und Heimatmuseum gibt nicht nur einen ersten Überblick über die kleinen und großen Wunder der Region. Das ist auch der Anspruch, sagt René Riep, der seit 2005 das Naturpark Zentrum leitet. „Bei uns können sich die Besucher einen ersten Überblick verschaffen über die Region, die Natur und Geschichte verschaffen“, sagt er. Außerdem gibt es jede Menge Flyer und Prospekte und Wanderkarten der Region sind für 4,90 Euro zu erwerben.

René Riep erklärt die Mikroskop Kamera
Foto: Silvia Passow

Das Naturpark Zentrum erklärt die Besonderheiten der Region, man kann dem Lauf der Havel folgen, die Tier- und Pflanzenwelt wird vorgestellt. Besonders für Kinder ist die Ausstellung in den zwei Räumen ein Erlebnis. Alles hier darf angefasst, das Meiste auch eingehenden Betrachtungen unterzogen werden. Dafür stehen Mikroskope und ein Röntgentisch zur Verfügung, Felle, Federn und sogar der Schädel eines Wildschweines können untersucht werden. Das Auge kann sich im Lesen von Tierspuren üben und man kann den Mann aus Milow begrüßen. Zumindest seinen Schädel. Vor etwa 5300 Jahren lebte er in dieser Gegend. „In den Alpen gibt es den Ötzi, wir haben den Mann aus Milow. Sie sind beide etwa gleich alt“, sagt Riep. Was besonders den kleinen Havelland-Entdeckern gefallen dürfte, ist die Kostprobe einer Nacht im Sternenpark. Im dunklen Zelt erklingen die Geräusche der Nacht, ein rascheln im Gras, das Zirpen der Grillen, der Abendsegler ruft. Wer es sich auf den am Boden liegenden Kissen gemütlich macht, kann den Sternenhimmel sehen. Sternbilder leuchten auf und natürlich wird erklärt, was wir hier sehen und hören können.

Deine Spuren im Sand…… Tierspuren lesen lernen kann man hier ebenfalls
Foto: Silvia Passow

Hat jemand wie René Riep, der den Naturpark kennt wie die Tasche seiner Ranger-Jacke, einen Tipp für Havelland-Entdecker? Nein, keinen im Sinn von, da muss man hin. Aufmerksam sein, beobachten. „Der Naturpark ist ein guter Ort für Zufallsbeobachtungen“, sagt der Ornithologe Riep. Und die können überall stattfinden.

Wo jedes Dorf seinen Storchenhorst hat, das Westhavelland
Foto: Silvia Passow

Der 1315 Quadratkilometer große Naturpark zwischen der Domstadt Brandenburg an der Havel, der Fliederstadt Friesack und der Pferdestadt Neustadt/Dosse bietet neben der herrlichen Natur noch weitere Attraktionen. Einen Besuch wert sind auf jeden Fall: Der älteste Flugplatz der Welt-auf dem Gollenberg in Stölln unternahm Otto Lilienthal seine Flugversuche. Hier steht die Lady Agnes, ein Flugzeug vom Typ Iljuschin-62. Ausstellung und Standesamt beherbergt das nach Lilienthals Gattin benannte Flugzeug. In Stölln befindet sich das Lilienthal-Centrum, das Museum widmet sich ebenfalls der Fliegerei. Sehenswert ist der Kolonistenhof Großderschau, der mit Ausstellung und Museumsdorf aus der Geschichte der Region erzählt. Der japanische Garten in Bartschendorf verspricht einen Ausflug in die asiatische Kultur, sehenswert sind die Schlösser in Nennhausen und Kleßen und das ebenfalls in Kleßen befindliche Spielzeugmuseum.