Die Wallfahrtskirche in Buckow ist sehenswert und geheimnisumwittert
August 2020
Nennhausen/Buckow. Vergessen Sie Chartes, Assisi das bayrische Altötting. Würde Dan Brown seinen nächsten Roman über kirchliche Intrigen und Geheimnisse schreiben wollen, könnte Nennhausen, genauer der Ortsteil Buckow, im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Denn die schlanke, schnörkellose Kirche aus rotem Backstein verbirgt so manches Geheimnis. Daran hat Henry Kilian keinen Zweifel. Der gebürtige Berliner lebt seit fünfzehn in Garlitz, in Märkisch Luch. In seiner Freizeit widmet sich Gebäude- und Energie-Berater, der auch Häuser saniert, dem Sakralbau und seiner Geschichte. Denn eine Wallfahrtskirche, davon gibt es im protestantischen Brandenburg nicht allzu viele. Bad Wilsnack hat noch eine, sie war der in Buckow einst ebenbürtig. Ein sogenanntes Hostienwunder, verhalf der Kirche zum Status einer Wallfahrtskirche. Genaueres zu dem Wunder weiß man nicht, sagt Kilian. „Es gibt verschiedene historische Quellen, die von diesem Wunder berichten, doch konkret wird keine davon“, sagt er. Fest steht, 1539 endet die katholische Ära in Buckow, die Reformation sorgt für Umbrüche in Glaubensfragen. Die in den 1470er Jahren erbaute Kirche wird fortan von evangelischen Kirchgängern besucht.
Wer die Kirche derzeit besucht, wird gleich auf dem Kirchhof das erste Geheimnis entdecken. Der Brunnen, er wird gerade archäologisch untersucht. Die Mitglieder des Fördervereins der Kirche, ohne deren Engagement sich hier kaum etwas tun würde, haben gebuddelt und die bekannte Archäologin Marita Genesis für das Projekt gewinnen können, erzählt Bernd Werner, Vorsitzender des Fördervereins. Kilian, der auch ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger ist, sagt, es gäbe Geschichten um einen Wunderbrunnen, vielleicht sogar einen Jungbrunnen. Bisher sieht es allerdings nicht nach Wundern aus. Holzplatten bedecken das Loch, welches tief in die Erde reicht. Bisher sieht es eher nach einem Brunnen aus der Neuzeit aus, sagt Kilian. Allerdings ist die Brunnensuche damit noch nicht ganz abgeschlossen. Doch dazu später.
Die Buckower Kirche ähnelt sehr der Petri-Kapelle in Brandenburg an der Havel, eine der ältesten Backsteinkirchen im Land. Kilian erzählt über den Bau der Kirche, über die Löcher in der Wand, hier waren die Gerüste befestigt. Und wie so oft, hatte auch diese Kirche einen Vorgängerbau, die Spuren davon sind noch deutlich sichtbar. Was man nicht sieht, der Besucher steht hier unter Umständen auf der unterirdischen Gruft. Die fand man hier. „Sie ist beräumt“, sagt Kilian und deutet auf die Graslandschaft zu seinen Füßen. Und auch, dass diese Gruft noch auf eine weitere Untersuchung warte. Ein Holzstück fand man an dieser Stelle in der Kirche. Es wurde anhand der Baumringe auf 1420 datiert. Möglicherweise, sagt Kilian, stand über der Gruft die Vorgängerkirche und er vermutet, dass hier, wo jetzt das Gras über alles wächst, einst der Altar stand, in dessen Nähe die geheimnisvolle Hostie vielleicht aufbewahrt wurde. Die Kirche, sagt Kilian, ist der heiligen Jungfrau Maria geweiht, wie für Sakralbauten üblich, nach Osten ausgerichtet, wobei die Kirche eine Abweichung aufweist. Sie ist auf den Sonnenaufgang am 15. August, Mariä Himmelfahrt ausgerichtet, sagt Kilian.
Der Turm, im Jahre des Herrn 1473 fertiggestellt, ist derzeit nicht für den Besuch freigegeben. Unten im Turm steht das alte Uhrwerk. Das Zifferblatt am Turm wurde erst im letzten Herbst erneuert. Für das Original sucht Kilian noch einen Ehrenplatz. Das Uhrwerk ist sozusagen Gemeinschaftssache im Dorf. Es muss täglich gestellt werden. „Jeden Tag kommt einer der Dorfbewohner und zieht die Uhr auf“, sagt Kilian. Unten im Treppenaufgang, weist er auf eine weitere Besonderheit hin. Die sogenannten Näpfchen.
„Zu Pestzeiten holten die Leute mit den Fingern den Putz aus den Wänden. Wahrscheinlich sollte das Mauerwerk sie schützen. Das Besondere, solche Näpfchen findet man in den Kirchen immer an bestimmen Stellen“, sagt Kilian. Und an welchen? Endlich mal ein Geheimnis, dass vielleicht doch gelöst werden kann. „Meist dort, wo der Pfarrer die Reste des Weihwassers auskippte. Oder wo es an die Wände spritze, wenn es genutzt wurde“, erklärt Kilian das Phänomen.
Der Kirchturm, hatte noch eine weitere Funktion als Leuchtturm, verrät Kilian. Einst sah die Landschaft um Buckow und Nennhausen nämlich ganz anders aus, erklärt er weiter. Was heute Orte sind, waren einst Inseln und davon rührt auch noch der Fisch auf der Turmspitze. Wo andere Kirchen einen Wetterhahn haben, prangt in Buckow ein Fisch auf der Kirchturmspitze. Nun ist der Fisch ein Symbol der frühen Christenheit und so interpretieren auch heute noch viele die Forelle auf dem Turm, sagt Werner. Doch tatsächlich liegt hier wieder eine Geschichte zugrunde, die Henry Kilian auch gern erzählt.
Einst sind die Leute von Nennhausen mit dem Boot nach Buckow gekommen oder nach Garlitz gefahren. Wasser stand zwischen den Orten und einmal, da stieg das Wasser hoch und höher. Es überflutete alles, die Bäume, die Häuser und als es wieder abfloss, da blieb ein Fisch auf der Turmspitze liegen. Ihm zu Ehren wacht auch heute noch ein Fisch über die Kirche und die kleine Gemeinde Buckow. Bis vor einigen Jahren ein heftiger Sturm den Fisch vom Dach fegte. Ohne Fisch wollten die Buckower ihre Kirche nicht belassen und so wurde ein neuer Fisch gefertigt. Dass es immer mal zur Fisch-Erneuerung kam, belegen die Aufzeichnungen der Kirche. Und auch wie wichtig den Menschen IHR Fisch war. Im Kriegsjahr 1941 wurde der Fisch auf dem Dach erneuert und davor 1870. „So ein Fisch hat also eine Haltbarkeit von etwa 70 Jahren“, scherzt Kilian. In der Kirche selbst zeigt ein Bild, wie die Landschaft einmal aussah, viel Wasser und die Orte als Inseln. „Die ganz alten Leute können sich noch daran erinnern“, sagt Kilian. Und nicht von ganz ungefähr, wurde die berühmte „Undine“ der Bestsellerroman um einen weiblichen Wassergeist, in Nennhausen von Friedrich de la Motte Fourque verfasst.
Und ebenfalls im kargen Kircheninneren begegnet noch einmal etwas, was an einen Brunnen erinnern könnte. Der Boden ist aus groben Stein verlegt und in der Mitte des Gebäudes sind Fragmente eines Musters, zwei angedeutete Halbkreise, zu erkennen. Ist hier vielleicht der Wunderbrunnen versteckt? Vielleicht finden sich Hinweise dazu an den weiß getünchten Wänden. Hinter der Farbe vermutet Kilian, könnten sich Malereien verbergen. Vielleicht. Vielleicht ist der Glaube an ein Wunder auch schöner, als das Wunder selbst.