Ein „bezahltes Hobby“

Text & Fotos: Silvia Passow

Katja Behling hält auf dem Skuddenhof 50 Mutterschafe mit derzeit 75 Lämmern der kleinen Schafrasse. Eine Herdbuchzucht im Farbschlag weiß. Disziplin und Qualität sind ihr in der Zucht sehr wichtig, sagt die Quereinsteigerin. Die gelernte Einzelhandelskauffrau vermietet auf ihrem Hof fünf Ferienwohnungen, Schafe züchtet sie im Nebenerwerb. Wenn man es so nennen mag, Behling sagt „bezahltes Hobby“ und trifft damit des Pudels, nein des Schafes, Kern.

„Wenn mir einer vor dreißig Jahren gesagt hätte, ich würde mal in Brandenburg Schafe züchten, den hätte ich für verrückt erklärt“, sagt die 52jährige Katja Behling. Doch es ist genauso gekommen, Behling züchtet Schafe im Brandenburgischen Weseram, einen Ortsteil von Roskow, nahe dem Haveldeich. Skudden gehören zu den kleinsten Schafrassen in Deutschland und werden von der Gesellschaft gefährdeter Nutztierrassen (GeH) auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft. Behling züchtet seit über zwanzig Jahren und sitzt im Vorstand des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg.

Auf den zu ihrem Skuddenhof gehörenden Flächen tummeln sich derzeit rund 50 Mutterschafe und 75 Lämmer. Im Mai konnten sie auf dem Hof wieder Hoffest feiern. Das findet eigentlich alle zwei Jahre statt und fiel, Corona bedingt, im letzten Jahr aus. In diesem Jahr kamen rund 600 Gäste, Kollergen aus der Landwirtschaft, Schäfer, Landfrauen, Nachbarn und zur Begrüßung sprach Brandenburgs Landwirtschafts- und Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen). Bei einem Rundgang über den Hof konnte Behling die Probleme und Herausforderungen der Schafhaltung mit dem Minister besprechen. Und Überraschung, der Wolf stand dabei nicht an erster Stelle. Auch wenn die Rückkehr des Beutegreifers hier mit großer Sorge betrachtet wird.

Der Minister lobt den Einsatz der Schafe in der Landschaftspflege. Besser als jede Maschine pflegen sie die Wiesen und ganz besonders die Deiche. Wichtig für den Gewässerschutz und ein Beitrag gegen das Insektensterben, sagt er. Doch gleichzeitig können die Schäfer und Schäferinnen nicht von ihren Tieren leben. Mit Fleisch und Wolle der Tiere lässt sich kaum etwas verdienen. „Oft endet die Wolle sogar als Abfallprodukt“, sagt er. 75 Prozent der Einnahmen kommen aus dem Vertragsnaturschutz und durch Förderungen, sagt er weiter. Auch die Zucht der vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen wird gefördert, sagt er und stellt eine „massive Ausweitung“ dieser Förderung in Aussicht. Und auch in der Wiederbelebung der Weidetierprämie ab 2023 sieht er deutliche Verbesserung für die Schäfereien im Land. „Schafhaltung hat in Brandenburg Zukunft“, sagt er.

Bratwurst vom Lamm wurde auch serviert

Was das Fleisch abgeht, hat Behling gute Wege der Vermarktung gefunden. Sie verkauft ihre Lämmer im Ganzen, geschlachtet wird im havelländischen Berge, rund 20 Kilometer entfernt, sagt sie. Sorge macht ihr die Vermarktung der Wolle. Sie und ihr Ehemann scheren die Schafe selbst. 30 Cent bekommt sie für ein Kilogramm Wolle, sagt sie. „Der Markt ist satt“, erklärt sie. Wolle kommt heute überwiegend aus Übersee. Hier wieder die Regionalität zu fördern, das könnte sich die Politik durchaus auf die Fahne schreiben, meint sie. Denn mit der gewonnen Wolle ist es nicht getan, die muss sortiert und gewaschen werden. Dafür gibt es spezielle Wollwäschereien. Nur eben nicht in Deutschland, sagt Behling. Schon gar nicht, wenn es um die Abnahme kleinerer Mengen geht. Eine Skudde liefert zwischen 1 und 1,5 Kilogramm Wolle. Bezahltes Hobby trifft es tatsächlich.

Und dann hab ich noch diesen Spruch vom Hoffest mitgebracht:

Früher hieß es:

Mit Bienen und Schafe

Verdienst du Geld im Schlafe

Heute:

Mit Schafen und Bienen

Kannste nichts verdienen

Dürfte sie sich etwas auf den Wunschzettel an den Minister setzen wäre es eine Förderung für solch eine Wollwäscherei. Sie selbst achtet bereits bei der Haltung ihrer Tiere auf eine hohe Woll-Qualität. Dafür ist die Tiergesundheit sehr wichtig und das Futter. Auch die Art, wie die Tiere im Stall gefüttert werden. Das hat schon etwas von Futterkultur, wenn der Nacken der Tiere nicht mit Futterresten verunreinigt werden soll. Der beste Termin zum Scheren ist tatsächlich die Schafskälte, erläutert Behling. Damit gemeint ist ein Zeitraum von Anfang bis Mitte Juni, bei dem die Temperaturen durch einströmende kühle und feuchte Luft sinken.

Und der Wolf? Bisher gab es noch keine Probleme, auch wenn er bereits in der Nähe ist. Behling hat gerade höhere Elektrozäune mit Solar Netzgerät beantragt, die Präventionsmaßnahme wird zu 100 Prozent gefördert. Die Anschaffung von Herdenschutzhunden hält sie für ihre kleine Herde für unverhältnismäßig, sagt sie. Feriengäste und die großen Hunde ergeben aus ihrer Sicht keine gute Kombination. Sollte die Anschaffung solcher Hunde zur Pflicht werden, hört sie auf sagt sie. Das Problem mit dem Wolf hätte schon vor langer Zeit geregelt werden müssen, indem man die Tiere von Ortschaften und Menschen fernhalte, sagt sie und fürchtet den Moment eines Wolfsübergriffes auf ihre Tiere. „Ich weiß nicht, was das mit mir macht“, sagt sie. „Auch wenn wir die Tiere schlachten, sie haben alle Namen“, fährt sie fort und endet in Ratlosigkeit.

Das wäre schade und ein Verlust für den Arterhalt der Skudde, deren Zucht sie 2001 mit vier Schafen und einen geliehenen Bock aufnahm. „Eigentlich hatte ich nur Rasen-Mäher gesucht“, sagt sie. Daraus wurde deutlich mehr, die Zucht, die sie mit so viel Gründlichkeit betreibt, auch ihren Mann, Christoph Behling, lernte sie durch die Schafe kennen. „Für mich sind die Skudden die richtige Rasse. Klein, quirlig, so wie ich selbst“, sagt sie und lacht. Bleibt zu hoffen, dass der Wolf auch weiterhin einen Bogen um den Skuddenhof zieht.   

Die Natur hat nichts verschenken

Auf dem Landgut Schönwalde dreht sich alles um Gesundheit. Mensch, Tier, Umwelt, das Wohlergehen aller Lebewesen und Lebensräume sind miteinander verbunden. Dieser Kreislauf beginnt im Stall, erstreckt sich über die sattgrünen Weiden, dem Futter für die Tiere, reicht weiter zu gesunden Böden, auf denen auch unsere Nahrung wächst. Ein Kreislauf, der gefördert und nicht unterbrochen werden darf, sagt Dr. Inge Schwenger. Im März war die Blaue Holzbiene auf dem Landgut Schönwalde, vor den Toren Berlins. Hier ist es bereits erstaunlich grün. Inge Schwenger erklärt, woran das liegt.  

Text & Fotos Silvia Passow

„Hier, schau mal wie das lebt“, ruft Inge Schwenger, legt achtlos die Heugabel zur Seite und hält dem Betrachter die flache Hand entgegen. Rosarote Regenwürmer wuseln durch tiefschwarze Erde, ein paar Kompostfliegen schwirren durch die Luft und wer schnell genug hinschaut, sieht einen Mistkäfer, der sich flugs wieder ins Erdreich zurückzieht. Es ist schwer was los, in diesem etwas anderen Misthaufen. Anders, weil er kaum riecht. Und noch etwas fehlt, die an solchen Orten allgegenwärtigen Fliegen. Auch im benachbarten Pferdestall schwirren keine Fliegen. Hier könnte man sein Frühstück verzehren, so wenig erinnert der Geruch nach Stall.

Könnte? Wurde bereits. Inge Schwenger hat schon Politikern verschiedener Parteien einen ländlichen Imbiss im Stall serviert und dabei über die Vorzüge des von ihr entwickelten „Hippodung“ gesprochen. Eine Einstreu für Ställe, gesünder für Mensch und Tier, sagt Schwenger. Und auch für eines der wertvollsten Güter überhaupt, dem Boden. Neben Luft und Wasser das wertvollste, was der Planet seinen Bewohnern bietet. Und diese Werte gilt es mit der Kreislaufwirtschaft zu erhalten, so Schwenger. Kreislaufwirtschaft heißt für sie auch, Boden, Luft und Wasser in ihrer Qualität nicht beeinträchtigen.

Die Gesundheit war Schwenger schon immer ein Anliegen. Die Human-Medizinerin war zunächst in einer Klinik tätig, ließ sich später in einer Praxis nieder. Sie bildete sich weiter in Homöopathie, später eröffnete sie eine Klinik für Minimalinvasive Chirurgie, die erste Klinik dieser Art, Europaweit. Entspannung fand Schwenger schon immer bei ihren Pferden. Bereits als Kind lernte sie reiten. Von den 50 Pferden auf dem Landgut gehören ihr 14 Tiere. Die Pferde zogen die erfolgreiche Ärztin aufs Land. Sie pachtete das Landgut, in Schönwalde-Glien, im Ortsteil Dorf, gegenüber der Kirche, tauschte Arztkittel gegen Gummistiefel.

Ställe stinken, mal mehr, mal weniger. In den meisten Ställen stehen die Pferde in Boxen auf Stroh. Das Stroh saugt den Urin nur unzureichend auf. Anders als in der Natur, landet der Kot der Tiere ebenfalls in der Box, vermischt sich mit dem Urin. Dadurch entstehen Faulgase, erklärt Schwenger und die sind massiv gesundheitsschädigend. Für Menschen und Tiere. Besonders dann, wenn Letztere in Käfigen oder Ställen leben. Als sie vor rund 13 Jahren begann sich des Problems anzunehmen, hatte sie die Wirkung auf das Klima noch gar nicht im Blick sagt sie. Ammoniak, Lachgas, Schwefelwasserstoff, Methan, das sind Gase, die sich auch aufs Klima auswirken, fügt sie hinzu. Doch bereits im Stall wirken sie gesundheitsschädigend. Lachgas kennen viele Menschen aus der Medizin, es wirkt auf das Nervensystem. Neben den Schwierigkeiten, die die Boxenhaltung von Herdentieren mit sich führt, kann eben auch dieses Gas für unliebsames Sozialverhalten der Tiere sorgen, vermutet die Ärztin. Lungenerkrankungen bei Pferden und Hühnern könnten durch diese Gase verursacht werden, fügt sie hinzu. „Der Gestank ist ein Signal an unsere Nasen, nicht näher zu kommen“, sagt Schwenger. Dazu kommt, gerade Pferde knabbern auch am Stroh. „Das ist schon so, als würden wir unser Klopapier essen“, vergleicht Schwenger und fügt hinzu: „Ich wollte die schlechte Umgebung für meine Tiere unbedingt verbessern.“

Zwei Jahre Experimente führten schließlich zu einer Einstreu, die die Emissionen bis unter die Nachweisgrenze trieb. Holzmehl bildet die Grundlage, aber erst die Zugabe eines Katalysators brachte den gewünschten Erfolg. Entstanden sind Pellets, die mit warmem Wasser aufgegossen, zu einem Brei aufquellen, aus dem nach kurzer Zeit eine weiche Matte entsteht. Sie saugt Urin ein, die Pferdeäpfel müssen nur noch abgesammelt werden. Dadurch gelangen die Faulkeime des Kots nicht in den Urin, der bei Mensch und Pferd keimfrei aus der Blase in die Freiheit entlassen wird und somit nicht riechen sollte. Damit ist eine Faulgasfreie Stallluft geschaffen.

Faulgase ziehen Insekten zur Verwertung an, erklärt die Ärztin weiter. Fliegen zum Beispiel. Wo keine Faulgase sind, sind auch keine Fliegen und so sind Stall und Misthaufen frei von Fliegen. Ganz nebenbei sind von Fliegen verursachte Augenentzündungen bei den Pferden auch kein Thema mehr. Auf dem Misthaufen wird aus dem Pferdekot binnen drei bis vier Monaten Kompost. „Strohmist braucht dafür zwei Jahre“, sagt Schwenger, die mit sichtbarer Begeisterung die Ergebnisse vor Ort präsentiert. Und der Misthaufen benötigt sehr viel weniger Platz. „Etwa ein Zehntel der Fläche“, sagt sie.

Was macht man mit so viel Kompost? Schwenger bringt ihn auf die eigenen Wiesen, die außer diesem Kompost nichts anderes kennen. Das ist ihr Geheimnis der bereits schon früh im Jahr ergrünenden Wiesen. Und sie nutzt ihn für den Gemüseanbau auf dem Landgut und für die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) ein Dorf weiter, reicht der Ertrag auch noch.

Beim Gang über die Wiesen fällt auf, die Wege zu den Koppeln sind sandig und nebenan auf der Wiese des Nachbarn, ist das Gras gelblich-blass. Schwengers Pferde erfreuen sich Mitte März bereits an frischem Grün, stehen mampfend auf der Koppel. Der Boden ist schwarz und schwer.

Auf dem Landgut dient der Kompost dem Anbau von Gemüse. Das wird im eigenen Restaurant zu hochwertigen, authentischen Speisen verarbeitet. Und auch die SoLaWi erwirtschaftet Überschüsse, die sie ans Landgut weitergibt. Frisches, regionale Gemüse in Bio-Qualität.

Auf dem Teller schließt sich der Kreis. Ist nur leider nicht immer so, berichtet Schwenger und sieht hier die Politik in Pflicht. „Pferdemist wird oft wie Abfall behandelt und abtransportiert. Das ist gegen die Natur, die kann sich so etwas wie Abfall gar nicht leisten“, sagt Schwenger zur Unterbrechung des Kreislaufes und fügt hinzu: „Jede Pflanze, jedes Tier, das stirbt, geht wieder in den Kreislauf ein. Was jetzt passiert ist eine absolute Fehlhaltung. Ich bin für eine grundsätzliche Reform der sogenannten Gülle-Verordnung. Und zwar unter Naturschutz- und Klimaschutzgesichtspunkten. Ich spreche hier nicht für die industrielle Landwirtschaft, sondern genau vom Gegenteil.“ Schwenger, die selbst politisch aktiv ist. Sie ist Kreis-Sprecherin für Bündnis 90 / Die Grünen im Havelland, sieht darin eine wichtige Aufgabe der Landwirtschaftspolitik. „Wir dürfen, was aus den Tierställen kommt, nicht als Sondermüll behandeln, sondern müssen den Rohstoff sehen“, sagt sie weiter.

Im kommenden Jahr wird Hippodung voraussichtlich an einer Studie der Freien Universität Berlin teilnehmen. Die über drei Jahre angelegte Studie zur Kälbergesundheit soll Aufschluss für die Verwendung von Hippodung in der Rinderhaltung geben. Erfahrungen mit Hippodung sammeln auch der Tierpark Cottbus und der Wuppertaler Zoo.

Mehr zum Hippodung gibt es hier: https://hippodung.info

Im Netz findet ihr das Landgut Schönwalde unter: https://www.daslandgut.de

Ein neues Nest für Adebar

Starkregen und Futtermangel führten im letzten Sommer zu starken Verlusten bei den Weißstörchen im Havelland. Für dieses Jahr hofft die Storchenbeauftragte im Landkreis Havelland auf bessere Bedingungen für die Störche. Ein schönes Nest ist eine der Voraussetzungen für die gelungene Familienplanung.

Text & Fotos von Silvia Passow

Noch steht es auf dem Boden der Tatsachen in der Berger Rinne, gleich gehts in luftige Höhen mit dem Nest

Nauen / OT Berge.   Hinter dem Dörfchen Berge führen Landwirtschaftswege auf die Wiesen, Berger Rinne, heißt die Landschaft. Felder, Wiese, eine Baumreihe und weiter hinter geht’s in den Wald. Normalerweise ist hier nicht viel los, wer hier wem gute Nacht sagt ist nicht überliefert, Füchse und Hasen würden aber durchaus in die Landschaft passen. An dem sonnigen Vormittag ist das anders, ein Kranwagen steht auf der Wiese, etwas abseits Tische mit Kaffee und belegten Brötchen. Soll keiner hungern bei der Arbeit. Und die besteht im Hausbau für Familie Adebar. Motoren röhren, langsam richtet sich der 13 Meter hohe Mast auf, auf dessen Spitze sitzt die Horstkrone, eine Arbeit der örtlichen Schlosserei GP Metallbau. Darauf thront geflochtene Nest. Erst wenn der Mast aufgestellt ist wird das Nest mit etwas Rindenmulch ausgelegt. Den Rest müssen die Störche schon hübsch selbst erledigen.

Die Einrichtung des Nestes regt den Bruttrieb an, sagt Claudia Jörg, Storchenbeauftragte des NABU im Osthavelland. 96 Storchennestern im Osthavelland werden von Jörg, betreut, etwa ein Drittel befinden sich festen Storchenkrallen. Die anderen Nester werden durchaus mal besucht, es wird Zwischenstation eingelegt und manchmal ziehen auch andere Mieter ein. Wie in Klein Behnitz im letzten Jahr. Da befand ein Fischadler-Paar den neu aufgestellten Horst für sehr interessant. Dennoch freut sich Jörg über jeden neuen Storchenhorst. Denn das Aufstellen und die damit verbundene Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren sind nicht selbstverständlich.

So stellt die Masten der Energienetzbetreiber e.dis. Doch die Masten, an denen einst die Stromleitungen hingen, werden langsam rar. Viele gibt es nicht mehr, sagt Lars Klemmer, der für e.dis mit auf der Wiese steht und den Aufbau des Horstes verfolgt. 200 Masten hat e.dis bereits spendiert, die Hälfte davon steht in Brandenburg. Und mit dem Mast allein ist es noch nicht getan, auch das Aufrichten des Mastes und den sicheren Aufbau übernimmt das Unternehmen als Teil zum Erhalt der Artenvielfalt, wie Klemmer betont. Für Jörg ist diese Zusammenarbeit elementar wichtig, sagt sie. Denn der Storch will bei der Wahl seines Wohnsitzes hoch hinaus. Da sind die ausrangierten Strommasten genau richtig, um einen Nistplatz nach Geschmack des Storches zu schaffen. Im Osthavelland sind nahezu alle Nester künstlich angelegt. Jörg berichtet, dass sie immer wieder mal gerufen wird, wenn Adebar sein Nest auf ein Dach oder einen Schornstein bauen will und dabei den menschlichen Bedürfnissen in die Quere kommt. Manchmal muss auch ein Horst umgesetzt werden, weil das Gebäude darunter nicht mehr vertrauenerweckend ist. So ist es in diesem Jahr in Wansdorf geplant, da wird der Horst umziehen.

Claudia Jörg beobachtet den Aufbau

Störche nisten eigentlich ganz gern in menschlicher Nähe, weiß Jörg zu berichten und hofft mit dem neuen Standort in Berge die Ruhe liebenden Vertreter ihrer Art anzusprechen. Nach den starken Verlusten bei den Jungvögeln im letzten Jahr, kann sie für dieses Jahr nur auf bessere Bedingungen für die Störche hoffen. Nicht jedes Paar, dass einen Horst besetzt, brütet auch. Von den 34 Paaren im Osthavelland haben im letzten Jahr 19 Paare gebrütet. 46 Jungvögel konnte Jörg zählen, das waren weniger als in den Vorjahren. 2020 war ein besonders gutes Jahr für die Störche, ein Ausnahmejahr mit 72 flüggen Jungvögeln. 2019 konnte Jörg 51 Jungvögel zählen, ein Jahr davor 67.

Die Futtersituation für die Störche war nicht immer die Beste, sagt Jörg und sie machte auch den Nachwuchs im letzten Jahr zu schaffen. Sie fand sechs tote Küken und dokumentierte drei Jungvögel, die nach ersten Flugversuchen verschwanden. Wahrscheinlich hatten sie das Abenteuer nicht überlebt. Insgesamt zählte Jörg 21 tote Jungvögel, also fast die Hälfte des Nachwuchses aus 2021. Verheerend war dabei der Starkregen, der zur Unzeit für die Jungvögel niederging. Das Gefieder der Jungtiere war noch nicht wasserabweisend. Kleinere Vögel nehmen die Eltern schützend unter die Flügel, doch dazu waren die Jungstörche schon zu groß. Ungeschützt überlebten sie die starken Regenfälle nicht. Dasselbe Schicksal ereilte den Nachwuchs des Fischadler-Paares. Auch deren Jungvögel überlebten den Starkregen nicht.    

In Berge ist der neue Horst die Wohnadresse zwei. Die Schäferei Biermann hat einen Storchenhorst, der auch regelmäßig bewohnt wird. Für Nauens Bürgermeister Manuel Meger (LWN) war ein weiterer Storchenhorst in seinem Heimatdorf Anlass genug, die Aufstellung zu beobachten. Ebenso wie für Peter Kaim, Ortsvorsteher und Chef des benachbarten Havelland-Hofes. Der Landwirt hatte sich für den Aufbau des Storchenhorstes eingesetzt, auch wenn Adebar die Jungen mit Regenwürmern füttert, die der Landwirt im Boden selbst auch schätzt. Aber Kaim kann auch gönnen und schließlich holen Störche auch Mäuse aus den Wiesen und das gefällt dann schon deutlich besser.

Bürgermeister Manuel Meger und Landwirt Peter Kaim

Auch auf dem Jugendhof, der in direkter Nachbarschaft steht, freut sich Johanna Dieckmann über den neuen Lernort in unmittelbarer Nähe.

Die Berger Rinne soll Familie Storch ausreichend Nahrung liefern

Die ersten Störche wurden bereits gesehen und ihre Ankunft gilt eigentlich als Auftakt für den Frühling. In Vietznitz, Niebede und Paretz wurden schon Störche gesichtet. In Gutenpaaren überwintert sogar mindestens ein Storch, sagt Jörg und vermutet, dass das Tier gefüttert wird. Wogegen sich die Storchenbeauftragte deutlich ausspricht.

Unterhalb des Storchenhorstes in Berge werden später noch zusätzliche Nistkästen angebracht. In den Nestern der Störche bilden sich ohnehin Lebensgemeinschaften, Dohlen, Sperlinge ziehen gern dazu. In Ribbeck entdeckte Jörg im letzten Jahr sogar ein Turmfalkennest im 2,5 Meter hohen Horst. Bleibt zu hoffen, dass es das Wetter in diesem Jahr besser mit dem Nachwuchs des klappernden Storches meint.

Lendchen mit Liebe

Wer beim Einkauf auf Qualität, Bio und regionale Produkte bevorzugt, der hat mit dem Märkischen Hofladen in Selbelang ein neues Einkaufserlebnis. Fleisch und Wurst von Rind und Schwein aus Weidehaltung, zum Herbst kommen Wild und später im Jahr auch Gänse dazu. Ein einzigartiger Biobäcker, Obst & Gemüse vom DEMETER Hof und dazu viele Produkte aus der Region, vom Honig bis zum Leinöl. Reinschauen lohnt sich.  

Text & Fotos von Silvia Passow

Leckeres aus der Region, oft in Bio-Qualität, gibts an der B5 in Selbelang

Wer Ribbeck auf der Bundesstraße 5 Richtung Friesack verlässt, den führt der Weg nach Selbelang. Oder besser, durch Selbelang, denn in dem Ort gab es bisher nicht viel, was einen Besuch lohnte. Damit ist es nun vorbei. Mit dem Märkischen Hofladen hat Selbelang eine kulinarische Adresse, die sicher nicht mehr lange Geheimtipp sein wird. Neben dem Einkauf vom Lande, lockt ein Food-Truck mit leckeren Imbiss-Angeboten.

Die Landwirte Karsten Wolter, Johannes Zahnwetzer, Sven Troschke und Christian Waßmann haben im vergangenen Dezember den Märkischen Hofladen eröffnet. Damit wurde das Loch in der Nahversorgung zwischen Nauen und Friesack gestopft und zeitgleich ein Eldorado für Fleischgenießer geschaffen. Zwei der Landwirte halten ihre Tiere auf den Wiesen und Weiden der Region. Für deren Fleisch ist der Märkische Hofladen Absatzmarkt. Und weil manch einer doch nicht vom Fleisch allein leben mag, haben sie um Entrecôte vom Angusrind und Schweinekamm vom Duroc-Schwein ein Sortiment aus hochwertigen Produkten aus der Region zusammengetragen.

Obst, Gemüse, Eier und Milch vom Demeter-Hof in Kuhhorst, Marmelade aus dem Spreewald, Säfte aus der Mosterei in Ketzür. Zu den Verkaufsschlagern gehört das Bier, in Tangermünde gebraut und in Dreiviertel Liter Flaschen abgefüllt. Brot, Brötchen und Kuchen liefert die Bäckerei Vollkern, deren Getreide kommt von Demeter-Bauern aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Käse, Nudeln, Öle, Essig, Kaffee, Würzmischungen, was hier verkauft wird, hatte keine besonders lange Anfahrt.

Sven Troschke ist einer der vier Gesellschafter, die den Märkischen Hofladen gründeten. Jeder für sich habe schon länger mit der Idee eines Hofladens gespielt, erzählt Troschke. So ein Hofladen braucht Zeit, Personal und er muss günstig gelegen sein. Irgendwo im Nirgendwo lassen sich Rinder halten und gedeihen Kartoffeln und Rüben. Zum Verkauf braucht es eine günstige Verkehrsanbindung. Die B5 ist so eine Anbindung, sagt Troschke. Für den Landkreis Havelland ist sie die Lebensader, raus aus Berlin führt sie nach Falkensee, Dallgow-Döberitz, Wustermark mit Outlet-Center und Erlebnisdorf, weiter zur Funkstadt Nauen und von hier nach Ribbeck, in die Fliederstadt Friesack und schließlich nach Rathenow, Kreisstadt, in der sich alles um die Optik dreht, inclusive Optikpark und drumherum viel Grün. Zwischendrin, in Selbelang, lässt sich der Picknickkorb bestücken oder regionale Produkte für Zuhause einkaufen.

Regional ist für Troschke das große Stichwort im Laden. Im Umkreis von 100 Kilometern erzeugtes ist für ihn regional, sagt er. Er selbst hat seine Pferdepension in Werder an der Havel. Dort hält er auch seine Gänse. Die sind allerdings erst zum Martinstag und zu Weihnachten erhältlich. Bis dahin stehen sie bei Troschke auf der Wiese. Die Haltungsform, sagt Troschke, ist den Kunden sehr wichtig. Wichtiger als ein Bio-Siegel, sagt er. Im Hofladen sind dennoch sehr viele Waren in Bio-Qualität erhältlich. Das trifft auch auf das Fleisch der Duroc-Schweine zu, die ihre Heimat bei Havelberg haben und dort als Freilandschweine gehalten werden. Und auf die Stars im Hofladen, die gutmütig von den Fotos an den Wänden schauen. Mal mampfend, mal fotogen in die Kamera schauend, aber immer von erhabener Schönheit, die Angus-Rinder.

Karsten Wolter hat die größte Angus-Rinderzucht in Deutschland. Derzeit stehen etwa 530 Rinder auf seinen Weiden im Naturpark Westhavelland. Schon bald wird auf diesen Wiesen die Geburt von mehr als 260 Kälbchen erwartet. Auch hier Freilandhaltung, das ganze Jahr, das ganze Leben, hindurch. Bis die Landwirte sie abholen. Die Fahrt zum Schlachthaus übernehmen sie selbst, bringen das Tier zum Schlachten, fahren dann mit dem geschlachteten Rind zu „ihrem“ Fleischer Rudi Schröder. Schröder zerlegt selbst, auch die Wurstrezepturen stammen aus seiner Hand. Diese Begleitung der Tiere bis zum Schluss, ist dem Hofladen-Team sehr wichtig. Kein großes Auto, unbekannte Tiere, fremde Menschen, das alles soll den Tieren erspart werden.

Mit dem Märkischen Hofladen Selbelang haben die vier Landwirte acht Arbeitsplätze geschaffen. Mariana Lengauer ist als Betriebsleiterin im Hofladen tätig. Die Berlinerin hat früher Hochzeiten organisiert, nun managet sie den Hofladen mit ansteckender Begeisterung. Sie bestellt schon mal Sonderwünsche für die Kunden. Wie Orangen, die es nicht regional aber in Bio-Qualität, dann im Laden gibt. Sie nimmt Bestellungen als Textnachricht entgegen, die am Abend, auf dem Heimweg. abgeholt werden. Sie bringt der betagten Nachbarin ihre Einkäufe bis an die Haustür. Denn auch das ist der Hofladen, Dorfladen und Nahversorger, wo der nächste Supermarkt wenigstens 10 Kilometer entfernt ist.  

Wer das Angus-Rind probieren mag, ohne selbst zu kochen, sollte um die Mittagszeit kommen. Dann gibt es am Food-Truck vor der Tür Spezialitäten zum Brandenburger Freilandrind. Geheimtipp: Unbedingt die Burger probieren.

Alle für Eine

Am Naturschutzgebiet Mossbruchhheide haben BUND und Nachbarn gemeinsam eine Hecke gepflanzt. Die gebietsheimischen Sträucher sollen vielen Tieren Nahrung und Unterschlupf geben

Text & Fotos: Silvia Passow

Falkensee.   Die beiden Jungen im Grundschulalter springen schwungvoll auf die Spaten, die im festen Erdreich stecken. Die Spaten schieben sich Stück für Stück in die Erde, der Anfang ist gemacht. Die satte, dunkelbraune Erde gibt nach, das Pflanzloch für den Kreuzdorn wird zusehends größer. Der Kreuzdorn wird Teil einer gebietsheimischen Hecke, die Schutz und neuen Lebensraum für die Bewohner des kleinen Naturschutzgebietes Moosbruchheide am Finkenkruger Ortsrand bieten soll.

Geplant hat die Pflanzung die Ortsgruppe des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) Falkensee. Und das schon seit längeren, sagt Karin Schofeld, die auch Sprecherin der Bürgerinitiative (BI) Moosbruchheide ist. Die BI setzt sich für den Erhalt des 1,3 Hektar kleinen Naturschutzgebietes ein. Eines der Kleinsten in Brandenburg, das Hainholz an der Stepenitz im Landkreis Prignitz und die Lange Dammwiesen mit Unteres Annatal im Märkisch-Oderland sind noch kleiner.

Die gebietsheimische Hecke soll eine natürliche Begrenzung zur Straße bilden, dabei vielen Arten Unterschlupf und Nahrung bieten. Die acht Sorten verschiedener Büsche und Sträucher sollen auch das menschliche Auge erfreuen, mit bunten Farbspielen durchs ganze Jahr, bunte Blüten, leuchtende Früchte oder knallrote Äste, wie beim Roten Hartriegel.

In der Moosbruchheide leben zahlreiche sogenannte Rote-Listen-Arten, erklärt Schofeld den anwesenden Kindern und Erwachsenen, bevor sie zu Schaufeln und Spaten greifen. Die Rote Liste führt Pflanzen- und Tierarten auf, die in ihrem Dasein bedroht sind, manche noch etwas weniger, andere stark bis lebensbedrohlich. In der Moosbruchheide leben streng geschützte Käferarten, die Zauneidechse und an der Abbruchkante des Russengrabens nistet der Eisvogel. Sie, und alle anderen hier heimischen Tiere, sollen mit der Hecke ein zusätzliches Angebot bekommen. Die Auswahl der gepflanzten Sträucher wurde dabei nicht dem Zufall, sondern Fachleuten, überlassen. Von den Neuankömmlingen sollen möglichst viele Arten profitieren. Und hier kann es manchmal ordentliche Unterschiede geben. So ist Weißdorn nicht gleich Weißdorn, erläutert Schofeld. Der Eingriffelige Weißdorn zum Beispiel, versorgt mehr als dreißig Vogelarten, vom Amerikanischen Weißdorn profitieren dagegen nur zwei. Außerdem bietet der Eingrfiffelige, heimische Weißdorn 163 Insektenarten Nahrung, Heimat oder Kinderstube. Gerade letzteres wird schon mal übersehen, sagt Schofeld und nennt als Beispiel den beliebten Sommerflieder. Dessen Blütenpracht zieht zwar Schmetterlinge an, doch diese können mit der Gartenpflanze nur begrenzt etwas anfangen. Denn der Sommerflieder eignet sich nicht als Futterpflanze für Raupen.

Kein leichtes Unterfangen, die sieben Erwachsenen und sieben Kinder sind mit vollem Einsatz beim Pflanzen dabei. Hier ist die grüne Strickmütze bald erdreichbraun eingefärbt, dort drüben wird mit widerspenstigem Wurzelwerk gekämpft. Lennart Meyer, der schon fürs Jugendforum im Kinderstadtwald eine anschauliche Anzahl an Bäumen gepflanzt und gepflegt hat ist dabei, ebenso wie die Studentin Sophia Meyer aus Falkensee. Sie ist BUND Mitglied und sagt: „Naturschutz hat für mich große Bedeutung.“ Die Falkenseerin möchte in Sachen Natur auf ihre Stadt achten, fügt sie hinzu.

Die Pflanzaktion war mit der Unteren Naturschutzbehörde besprochen und Schofeld weist darauf hin, gepflanzt wurde am Biotop, nicht drinnen. Im Naturschutzgebiet soll die Natur für sich bleiben. Schofeld hofft, dass die neue Hecke Hundebesitzer davon anhalten wird, ihre Hunde ohne Leine im Naturschutzgebiet Laufen zu lassen. Auch Reiter hat sie dort schon beobachtet und kann verstehen, dass sich die Menschen an der Natur erfreuen. Geht ihr ja auch so, nur sollte bei jeglicher Nutzung bedacht werden, ob sie auch dem Naturschutzgebiet unter dem gestrengen Blick der Eule guttut. Zur Erinnerung, Naturschutzgebiete dürfen nur auf den dafür vorgesehenen Wegen betreten werden.

Auch die Stadt Falkensee hat sich laut Schofeld an der Aktion beteiligt. Mit Muttererde und einer der bereits stehenden Büsche erhielt einen Schnitt. „Außerdem will die Stadt Natur-Bildungs-Tafeln am Info-Punkt mit dem Eisvogel aufstellen. Dort soll über die gebietsheimische Hecke und deren Wert für die Natur informiert werden. Auch der BUND will, so Schofeld, eine weitere Info-Tafel, aufstellen. Dann lässt sich auf den Baumstämmen sitzend nicht nur der Blick in das Natur-Kleinod genießen. Sondern auch etwas lernen, über die Naturwunder in der Nachbarschaft.

Fliegen zum Frühstück

In Baruth/Mark werden Insekten zu Tierfutter für Haustiere verarbeitet. Allerdings dürfen nur Hunde und Katzen die Proteine aus der Schwarzen Soldatenfliege im Napf haben. Tiere, die vom Menschen verzehrt werden, dürfen diese Futteralternative nicht bekommen.  

Von Silvia Passow

Wustermark.  Fliegen sind nicht nur lästig, sie sind auch nützlich. Das Unternehmen Hermetia Baruth GmbH verarbeitet als erste industrielle Insektenfarm Deutschlands rund 300 Tonnen der Schwarzen Soldatenfliege zu Insektenmehl und Insektenfett. Der hohe Anteil an Proteinen und gesättigten Fettsäuren kann es mit anderen tierischen Komponenten im Tierfutter, wie zum Beispiel Fischmehl locker aufnehmen, erklärt Konstantin Katz. Die Fliegen vermehren sich schnell, kurz vor der Verpuppung werden die Larven getrocknet. Das daraus gewonnene Mehl eignet sich als Futtermittel für Schweine, Geflügel und Speisefische wie Lachs, Steinbutt, Forelle, Dorade, Kabeljau und einige mehr. Im Moment liegt der Bärenanteil der Produktion im Hundefutter, erläutert Katz. Das hat auch etwas mit Verordnungen zur Fütterung von Nutztieren zu tun.  

Konstantin Katz mit den Vorratsschüsseln, die unterschiedliche, verarbeitete Insekten enthalten. Foto: Silvia Passow

Was das Hausschwein im Stall schluckt, Käfer, Spinne oder Fliege, das bleibt allein sein Geheimnis. Geht es um Insekten, die als Mehl verfüttert werden, gibt es reichlich Vorgaben, erklärt Katz. Denn, wird ein Tier zum Nutzen gehalten, fällt es unter die Verordnung für Nutztiere. Und die dürfen, egal ob Fliege oder Schwäbisch-Hällisches Landschwein, nicht irgendwas zu essen bekommen. Fliegen, man ahnt es, sind nicht allzu wählerisch bei ihrer Nahrungsauswahl. Zumindest aus menschlicher Sicht. Das weggeworfene Wurstbrot ist für sie genauso lecker, wie die tote Maus im Vorgarten. Nur, wenn sie hinterher als Futter in der Nahrungskette des Menschen landen, gilt es ein strenges Regelwerk zu beachten. Eine ressourcensparende Verwertung von organischen Stoffen wie Speiseresten, fällt bei der Erzeugung von Tierfutter aus Insekten leider aus. Das macht das Tierfutter teuer, teurer als Fischmehl. Da hilft es erst mal nicht, wenn die Universität Kiel dem Tierfutter bescheinigt, der beste bekannte Ersatzstoff für Fischmehl zu sein.

Sieht doch gar nicht schlecht aus. Foto: Silvia Passow

Eine andere Kundengruppe greift schon eher mal etwas tiefer in die Tasche. Laut Statista gaben die Deutschen im Jahr 2020 rund 1,6 Milliarden Euro für Hundefutter aus. Und so nimmt es nicht Wunder, dass das Unternehmen derzeit am meisten Umsatz mit Hundefutter generiert.

Insektenfett könnte der Grundstoff für weitere Produkte werden. Foto: Silvia Passow

Seit 1992 beschäftigt sich das Familienunternehmen mit Insekten. Dabei stand zunächst die biologische Schädlingsbekämpfung im Fokus. Seit 2006 ist das Unternehmen dabei, macht aus Insekten einen Ersatz für Fischmehl. Tatsächlich lässt sich aus den kleinen Fliegen noch viel mehr machen. Mit dem Fett lassen sich Meisenknödel zusammenhalten. Spannend ist die technische Anwendung. Biodiesel, biologischer Schmierstoff, in der Kosmetik und Pharmaindustrie sehen die Unternehmer weitere Absatzmärkte. Und letztlich kann das Insekt auch als Dünger zum Einsatz kommen. Für all das eignet sich die 14 bis 17 Zentimeter lange Schwarze Soldatenfliege, lateinisch: Hermetia illucens. Die Fliege kommt ursprünglich aus dem tropischen und subtropischen Breiten Amerikas, Katz gibt den Amazonas als Heimat der Fliege an. Schutzmaßnahmen sollen verhindern, dass die Fliege ausbricht, sagt Katz. „Sollte sie es dennoch schaffen, würde sie die kalten Winter hier nicht überleben“, fügt er hinzu. Die Fliegen werden für die Verwertung als Futtermittel gezüchtet. Der Insektenschwund ist von der Verwertung der Fliege nicht betroffen, versichert er weiter.

Eine Larve zum osten vielleicht? Foto: Silvia Passow

Insekten gelten in vielen Ländern der Welt auch als Nahrungsmittel für die Menschen. 2018 wurden Insekten auch in Deutschland als Lebensmittel zugelassen, sagt Katz. Es ist unsere europäische Kultur, die mit dem Gedanken an Krabbeltieren auf dem Teller nicht so gut klarkommt. Auch dann nicht, wenn da nichts mehr krabbelt. Er selbst empfiehlt Mehlwurm auf Chili. „Der Wurm nimmt die Schärfe gut an“, sagt er.

Foto: Silvia Passow

Eindruck machte das Tierfutter aus Insekten auf der „Brandenburg ist Bioökonomieland“ – Tour von Landwirtschafts- und Klimaschutzminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) und Forschungsministerin Manja Schüle (SPD). In Wustermark im Havelland hatten sie Gelegenheit sich über die Futtermittel aus Insekten zu informieren.

1 Million mehr Katzen mehr in Deutschland

Eine regelrechte Katzenschwemme überlastet Tierschutzorganisationen

Rose kam trächtig zum Tierschutzverein, acht Kitten hat sie hier geboren. Foto: Hartmut Vehlber

Von Silvia Passow

Havelland.   Nein, er konnte die Katzenmama mit den vier Kitten nicht ihrem Schicksal überlassen, erzählt Landwirt Volker Pardemann aus Bredow. Er fand die Katzenfamilie auf dem Feld, fing sie ein, nahm sie mit auf den Hof. Er und seine Frau brachten die Tiere zum Tierarzt und gaben ihnen ein neues Zuhause auf dem Hof. Hier dürfen sie bei der Mäusebekämpfung helfen, kastriert natürlich. Ehrensache für das Paar, dass auch schon mal rastende Brieftauben versorgt, wie Pardemann erzählt und dann bescheiden hinzufügt: „Aber das macht ja jeder.“

Die Katzen auf dem Pferdehof Pardemann haben Glück. Sie haben ein gutes Zuhause, reichlich Futter und bekommen viel Zuwendung. Foto: Silvia Passow

Unkontrollierte Vermehrung

Was nicht jeder macht, ist die eigene Hauskatze kastrieren. Mit dem Ergebnis werden auch die Pardemanns regelmäßig konfrontiert. Immer wieder tauchen kleine Katzen auf, manche nehmen sie auf, für andere kommt die Unterstützung zu spät, sie liegen tot am Straßenrand. Schön ist das nicht, sagen die beiden Tierfreunde. Auch für den Rest der Natur, wie zum Beispiel bodenbrütende Vögel sind zu viele Katzen nicht gut, sagt Pardemann.

Katze auf dem Pferdehof Pardemann in Bredow. Foto: Silvia Passow

Katenboom während der Pandemie

Die Corona-Zeit bescherte einen regelrechten Haustierboom. Die Katze, ohnehin des Deutschen Lieblingshaustier, nahm dabei den Spitzenplatz ein. Laut dem Deutschen Tierschutzbund zogen im Jahr 2020 etwa einer Million mehr Hauskatzen in ein neues Zuhause als im Jahr zuvor. Lebten laut Statista 2019 rund 14,7 Millionen Katzen in deutschen Haushalten, waren es 2020 rund 15,7 Millionen Stubentiger.

Auch dieser Stubentiger bekam bei den Pardemanns ein neues Zuhause. Foto: Silvia Passow

Es wird eng beim Tierarzt

Durch die hohe Anzahl neuer Tiere kam es zu Engpässen in Tierarztpraxen, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. Das führte zu geringeren Kapazitäten bei den Kastrationen, heißt es hier weiter. Landen diese Katzen auf der Straße, ist neues Katzenelend vorprogrammiert. Aussetzten oder ins Tierheim abgeben, scheint nun der neue Trend zu sein. „Es gibt immer mehr Straßenkatzen, die entlaufen sind, zurückgelassen oder ausgesetzt wurden und sich unkontrolliert vermehren. Die Lage hat sich teilweise dramatisch zugespitzt und bringt Leid für die Katzen sowie große Herausforderungen für die Tierheime mit sich“, erklärt Dr. Moira Gerlach, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund.

Auch diese Katzenschönheit und ihre Kitten bekam durch den Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland eine neue heimat. Foto: Silvia Passow

Die kleinen Tierschutzvereine geraten an ihre Grenzen

Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch im Osthavelland ab. Hier kämpft der Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland an vorderster Front gegen die Katzenvermehrung auf den Straßen. In diesem Jahr rechnet man dort erstmalig mit Kosten im fünfstelligen Bereich für die Kastration der Straßenkatzen.

Allein das Einfangen der Katzen kann dauern, dafür braucht es couragierte Helfer/innen. Foto: Silvia Passow

Mit kastrieren allein ist es nicht getan

Katzen einfangen, was sehr viel leichter klingt als es ist, kastrieren, die Nachsorge. Während Kater oft noch am gleichen Tag wieder in die Freiheit zurückdürfen, braucht die Wundheilung bei der Katze länger. Sie benötigt für mehrere Tage eine Pflegestelle. Der anspruchsvollere Eingriff kostet bei der Katze entsprechend mehr. Zwischen 4300 Euro und 6300 Euro im Jahr bewegten sich meist die Kastrations-Kosten für den Verein, der bei seiner Arbeit zwar finanziell vom Landkreis unterstützt wird, aber erst einmal in Vorleistung gehen muss. 2019 fiel schon einmal mit rund 9100 Euro auf. 127 Katzen und Kater wurde in diesem Jahr kastriert. 94 Tiere waren es 2015, 77 im Jahr 2016, 93 in 2017 und 78 im Jahr 2018. In diesem Jahr sagt Monika Kruschinski, Tierärztin und Vorsitzende des Vereins sind es bereits mehr als 200 freilebende Katzen, deren Kastration vom Verein organisiert wurde. Dabei hat der Verein noch Glück, die für den Verein aktiven Tierärzte nehmen die Kastrationen für den Verein zu Sonderkonditionen vor, sagt Kruschinski und betont: „Das ist nicht selbstverständlich.“

Manchmal werden Fütterungsstellen wie hier von den Tierschützern besucht, die Katzen eingefangen, kastriert, je nach Aufwand und Geschlecht versorgt und wieder freigelassen. Foto: Silvia Passow

Manche Orte sind den Tierschützern wohl bekannt

Was die Tierärztin besonders ärgert, es sind immer wieder die gleichen Orte, in denen streunende Katzen gesichtet werden. Meist im ländlichen Bereich, auf den Dörfern, seltener in den Städten. Bredow und Bredow-Vorwerk sind den Tierschützern als wilde Vermehrungsorte bekannt. Genauso wie die zu Nauen gehörenden Dörfer.

Wenn möglich werden die Katzen vermittelt, das geht nur mit Katzen, die an Menschen gewöhnt sind und mit Kitten. Foto: Hartmut Vehlber

Kastrationspflicht bleibt Forderung

Zum Kastrieren der Katzen kann man niemanden zwingen, es sei denn, Kommunen oder Landkreise führen eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigänger-Katzen, für die viele Tierschützer immer wieder plädieren. 

Auch dieses Kitten konnte vom Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland vermittelt werden. Foto: Silvia Passow

Bessere Aufklärung zur Kastration erforderlich

Warum gerade in ländlich geprägten Bereichen so viele herrenlose Katzen unterwegs sind, ist schwer zu sagen. Vielleicht weil es früher hieß, die kastrierte Katze fängt nicht so viele Mäuse? Die Annahme ist widerlegt, wie Birgitt Thiesmann, Heimtierexpertin der Tierschutzorganisation „VIER PFOTEN“ auf der Website der Organisation schreibt. Auch die Sorge, ohne Nachwuchs keine Katzen mehr auf dem Hof zu haben, kann der Verein mit Hinweis auf die stets gut gefüllten Tierheime nehmen.

Käthe, wurde mit ihren Geschwistern Jimmy und Molly vom Tierschutzverein aufgenommen und vermittelt. Foto: Silvia Passow

Mehr Arbeit, weniger Einnahmen

Die Tierheime und Tierschutzorganisationen trifft es unter Pandemie doppelt. Sie haben mehr Arbeit bei gleichzeitig weniger Spenden. Möglichkeiten zum Spendensammeln, wie Weihnachtsmärkte, sind durch Corona auch in diesem Jahr weggefallen.

NABU ruft zur winterlichen Vogelzählung auf

Pressemitteilung des NABU Brandenburg vom 20. Dezember 2021

Wenig Samen und Baumfrüchte im Wald – viele Besucher am Futterhaus. Dieser Effekt könnte sich bei der kommenden „Stunde der Wintervögel“ bemerkbar machen. Vom 6. bis zum 9. Januar 2022 laden der NABU und sein bayerischer Partner, der LBV (Landesbund für Vogelschutz), wieder zu Deutschlands größter wissenschaftlicher Mitmachaktion ein. Jeder und jede ist aufgerufen, eine Stunde lang Vögel zu zählen und sie dem NABU zu melden.

„Wir haben in den vergangenen Wochen einen starken Durchzug von Bergfinken, Eichelhähern und Ringeltauben registriert. Die Vögel ziehen aus Nord- und Osteuropa nach Süden und Westen – also auch zu uns nach Deutschland. Das tun sie vermehrt, wenn es beispielsweise nicht genügend Bucheckern oder andere Baumfrüchte im Brutgebiet gibt“, so Manuela Brecht, Naturschutzreferentin beim NABU Brandenburg. „Wir erwarten daher, dass es zur ‚Stunde der Wintervögel‘ viel zu beobachten geben wird. Vögel kommen häufiger auf Nahrungssuche in unsere Gärten, wenn das Angebot in den Wäldern knapp ist.“

An Futterhäuschen, -säule oder Knödelspender im Garten oder auf dem Balkon lassen sich Vögel am einfachsten beobachten. „Mit der Fütterung beginnt man am besten schon vor dem ersten Schnee, damit sich die Vögel an den Platz gewöhnen“, erklärt Brecht. Allerdings sollte man die Fütterung nicht mit effektivem Schutz bedrohter Vogelarten verwechseln, da von ihr eher weniger bedrohte Arten profitieren. Der NABU empfiehlt das Füttern daher eher zur Naturbeobachtung und Umweltbildung. „Wer Vögel schützen möchte, sollte Garten und Balkon naturnah gestalten und heimische Sträucher wie Pfaffenhütchen, Vogelbeere, Liguster oder Heckenrose pflanzen. Abgeblühte Samenstände von Stauden und anderen Blühpflanzen sollten über den Winter als natürliches Vogelfutter stehen bleiben“, so Brecht weiter. Vögel fühlten sich besonders wohl, wenn im Garten zudem etwas Wildnis zugelassen und ganz auf Gift und Kunstdünger verzichtet wird.

Bei der vergangenen großen Vogelzählung im Januar 2021 beteiligten sich über 236.000 Menschen. Insgesamt gingen Meldungen aus 164.000 Gärten und Parks ein. Allein in Brandenburg meldeten 10.521 Vogelfreunde aus über 6.873 Gärten rund 28.9513 Vögel. Der Haussperling ergatterte damals den Spitzenplatz als häufigster Wintervogel in Deutschlands Gärten.

Die „Stunde der Wintervögel“ ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion und findet bereits zum zwölften Mal statt. Wer mitmachen will, beobachtet eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park und meldet die Ergebnisse dem NABU. Von einem ruhigen Beobachtungsplatz aus wird von jeder Art die höchste Anzahl Vögel notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu sehen ist. Die Beobachtungen können per App unter www.NABU.de/vogelwelt, unter www.stundederwintervoegel.de oder unter www.NABU.de/onlinemeldung bis zum 17. Januar gemeldet werden. Zudem ist für telefonische Meldungen am 8. und 9. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr die kostenlose Rufnummer 0800-1157-115 geschaltet.

Für die „Schulstunde der Wintervögel“ vom 10. bis 14. Januar bietet die NAJU auf www.NAJU.de/sdw Zählkarten, eine neue Broschüre mit Aktionsideen für Lehrende und einen Wettbewerb zu „Spuren im Schnee“ für Kindergruppen und Schulklassen an. Die Zählergebnisse der Kinder fließen ebenfalls in die NABU-Auswertung ein.

Infos zur Aktion unter www.stundederwintervoegel.de oder https://nrw.nabu.de/stundederwintervoegelnrw/   

Frohe Weihnachten & ein gesundes neues Jahr

Quelle: Silvia Passow

Wohin uns auch unsere Wege führen werden. Die Blaue Holzbiene wird auch weiterhin von den Wundern der Natur und den Menschen, die sie schützen, berichten.

Ich wünschen allen Leserinnen & Lesern ein beschauliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins kommende Jahr.

Silvia Passow

Ein Igel kommt selten allein

Die Igelritter Elstal blicken auf ihr erstes Jahr zurück, 87 Igel haben sie in der Zeit gerettet

Text & Fotos von Silvia Passow

Wustermark/OT Elstal.  Da tauchte im Herbst letzten Jahres dieser hilflose Igel auf und Alexandra Livet stellte sich die Frage, wie dem Stachelritter helfen. Sie suchte Hilfe. „Doch auf allzu viel Angebote stieß ich dabei nicht“, erinnert sie sich zurück. Livet begann sich in Sachen Igel-Pflege zu bilden und als würde sich das Herumsprechen, trat kurz darauf der zweite Igel in ihr Leben. Ein Jahr ist das nun her, inzwischen hat Livet ihre Initiative „Igelritter“ gegründet, der sich vier ehrenamtliche Igel-Pflegerinnen angeschlossen haben. Gemeinsam haben sie das Schicksal von 87 Igeln zum Besseren gewendet. Livet erklärt, wie gefährlich die moderne Welt im Havelland für Igel ist. Da sind zum einen die fehlenden und knapper werdenden Lebensräume. Straßen und Autos gehören zu den potentiellen Gefahren. Die deutsche Wildtierstiftung schätzt, ein halbe Million Igel sterben jährlich auf unseren Straßen. Im englischen heißt der Igel Hedgehog, was so viel wie Heckenschwein bedeutet. Ein Name der bereits viel über den bevorzugten Lebensraum verrät. Doch außerhalb der Ortschaften werden sie immer seltener, die Sträucher und Hecken in denen Igel nisten können. Sie folgen den Menschen in ihre Gärten und Parkanlagen, weshalb sie auch als Kulturfolger bezeichnet werden. Doch gerade in ihren Gärten haben Menschen oft das was Livet einen „Aufräumfimmel“ nennt.

Einfach mal was liegen lassen oder besser, Lebensräume anbieten, sorgt für mehr Artenvielfalt im Garten

Mut zum weniger ordentlichen Garten

Der eifrige Gärtner schneidet derzeit die Stauden herunter, harkt das Laub ein oder schlimmer noch, pustet es mit dem Laubbläser davon. Weder der Igel hat noch die Möglichkeit sich ein Winterquartier zu suchen, auch seine bevorzugte Nahrung, Insekten, kann so den Winter nicht überstehen. Laubbläser pusten nicht nur das wärmespendende Laub weg, sie töten auch die Insekten.

Die Igelhäuser gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen. Daneben ein eindrucksvolles Insektenhotel

Lebensräume und Nahrungsangebote werden knapper

Vom Insektensterben, zumindest bei den Fluginsekten, wissen wir seit der Veröffentlichung der Krefelder Studie. In dieser Studie war ein Rückgang von 76-82 der Fluginsekten-Biomasse im Zeitraum von 1989 bis 2016 nachgewiesen worden. Pflanzenschutzmittel tun ihr Übriges, töten entweder die Nahrung der Igel oder sie selbst, indem sie die Pestizide mit den Insekten fressen. Jetzt im Herbst sind es überwiegend zu kleine Igel, deren Gewicht nicht für den Winterschlaf ausreicht, die bei Livet und ihren Mitstreitern landen. Igel halten Winterschlaf, weil das natürliche Nahrungsangebot im Winter nicht ausreicht. Dabei verlieren sie 20-40 Prozent ihres Körpergewichts. Ein gutes, fettes Startkapital für den Winterschlaf ist also unerlässlich. Igel, die Mitte November weniger als 500 Gramm auf die Waage bringen, gehen mit zu wenig Reserven in den Winterschlaf. Sie werden als hilfsbedürftig eingestuft.

Das Igelhaus von vorn

Igel päppeln als Gemeinschaftsprojekt

11 Igel päppelt Livet gerade in ihrem Haus in Elstal. 27 Igel haben die Igelritter Elstal derzeit insgesamt in Pflege. Zu kleine Igel, verletzte Tiere oder wie Otto, eingeschränkt durch eine Behinderung. Otto ist blind, bringt 540 Gramm auf die Waage und gehört zu Livets Schützlingen im Haus. Dazu kommen diverse Igel, für die die Naturschützerin diverse Igel-Unterkünfte in ihrem Garten angelegt hat. Ein Spaziergang durch den naturnahen Garten ist ein bisschen wie Ostereiersuchen. Statt Schoko-Eier gibt es unter fast jeden Busch ein Igel-Haus. Jedes ein Unikat, gebaut aus Holz, Ziegel, Dachschindeln, was halt so da ist, sagt Livet. Um sie herum blühen die Astern, abgeschnitten ist hier nichts und während sich andere Leute das Laub abfahren lassen, ließ sie sich zwanzig Säcke von der Gemeinde anliefern. Livet zeigt auf die Löcher im Zaun, wichtig, damit die Igel gefahrlos von einem Garten in den nächsten wechseln können. Neben den Igelunterkünften Marke Eigenbau kann man hier viele verschiedene Vogelhäuschen und ein eindrucksvolles Insektenhotel bestaunen. Unnötig zu erwähnen, dass Livet keine Pflanzenschutzmittel einsetzt. „Wenn Blattläuse da sind, kommen die Marienkäfer“, kommentiert sie Vorgänge im Garten. Sie schwärmt von den vielen unterschiedlichen Insekten, die sich in ihrem Garten tummeln. Auf Nachfrage zeigt sie ihren Garten gern. Besonders Kinder haben Freude am Entdecker-Garten, sagt sie, der so viel mehr Abenteuer zu bieten hat als Rutsche und Schaukel auf raspelkurz gemähter Wiese.  

Der kleine Otto gehört zu den Päppel-Gästen im Haus

Schlimmste Verletzungen durch Trimmer und Rasenroboter

Das häufige Rasenmähen, auch schlecht für die Insekten. Ganz schlimm sind die Mähroboter. Sie häckseln mit dem Gras gleich Käfer, Würmer und Schnecken und sie verstümmeln Igel, die in Hecken schlafen. Solche Geräte sollten, wenn schon nicht darauf verzichtet werden kann, nur am Tag zum Einsatz kommen, sagt Livet. Die verletzten Tiere werden oft gar nicht bemerkt, die Besitzer der Maschinen sehen nicht, was diese anrichten. Schlimme Verletzungen kennt Livet auch durch die Nutzung von Rasentrimmern und Motorsensen. Tödliche Fallen können Gruben und Kellerschächte sein. Die Tiere stürzen hinein und kommen nicht mehr hinaus, gleiches gilt für Pools. Ausstieghilfen können hier lebensrettend sein. Wer im Herbst Laub und Holz liegen lässt, um es im Frühling zu verbrennen, sollte den Haufen vorher ordentlich durchsehen. Sonst kann aus dem Osterfeuer schnell ein Scheiterhaufen für Igel, Spitzmaus und Wildkaninchen werden.

Wann braucht der Stachelpelz Hilfe?

Was tun, wenn der Igel vor dem Haus sitzt? Erst mal vergewissern, braucht das Tier Hilfe? Ein 500 Gramm schwerer Igel ist in etwa so groß wie eine durchschnittliche Mango. Igel, die sich am Tage blicken lassen, können hilfsbedürftig sein. Verletzte Tiere ohnehin. Rollt der Igel sich nicht ein kann das ebenfalls ein Hinweis auf Hilfsbedürftigkeit sein. Igel mit Handschuhen oder in waschbaren Stoff gewickelt vorsichtig aufnehmen. Einen wildtierkundigen Tierarzt aufsuchen. Der Tierarzt ist immer die erste Wahl, sagt Livet, denn auch die Igelritter suchen immer ärztliche Hilfe auf. Den Igel dann in sachkundige Hände zur Pflege geben. „Igel sind keine Haustiere“ sagt Livet. Und die Mitnahme von Wildtieren muss auch immer gut begründet sein. Die Tiere haben spezielle Ansprüche an Futter und Pflege. Ziel ist immer die Auswilderung, sagt Livet. Und auch dafür braucht es eine artgerechte Umgebung.

Und noch ein Igel-Häuschen

Kleine und große Helden

Die Igelritter tragen ihren Namen in Anlehnung an die auch Stachelritter genannten Igel. Und weil sie selbst mit Ritterherz sich der Igelpflege angenommen haben. Die Ehrenamtlichen freuen sich über Unterstützung, weitere Pflegestellen, Auswilderungsgärten sind willkommen. Sonstige Möglichkeiten der Unterstützung sind auf der „Amazon-Liste“ der Igelritter einzusehen. Besuchen kann man die Igel auch auf Facebook und bitte nur dort. Die Igel befinden sich in Pflege, weil sie Hilfe benötigen. Die nachtaktiven Tiere sollen nicht zu sehr an die Menschen gewöhnt und schnellstmöglich in die Freiheit entlassen werden.

Neben den Igelrittern kümmern sich auch die Wildtierrettung Berlin-Brandenburg, die Tierrettung Potsdam, der Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland um hilflose Igel. In Falkensee pflegt Martina Exner seit mehr als 40 Jahren Igel, auch sie steht mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn es um die kleinen Stachelritter geht.