Auf dem Landgut Schönwalde dreht sich alles um Gesundheit. Mensch, Tier, Umwelt, das Wohlergehen aller Lebewesen und Lebensräume sind miteinander verbunden. Dieser Kreislauf beginnt im Stall, erstreckt sich über die sattgrünen Weiden, dem Futter für die Tiere, reicht weiter zu gesunden Böden, auf denen auch unsere Nahrung wächst. Ein Kreislauf, der gefördert und nicht unterbrochen werden darf, sagt Dr. Inge Schwenger. Im März war die Blaue Holzbiene auf dem Landgut Schönwalde, vor den Toren Berlins. Hier ist es bereits erstaunlich grün. Inge Schwenger erklärt, woran das liegt.
Text & Fotos Silvia Passow
„Hier, schau mal wie das lebt“, ruft Inge Schwenger, legt achtlos die Heugabel zur Seite und hält dem Betrachter die flache Hand entgegen. Rosarote Regenwürmer wuseln durch tiefschwarze Erde, ein paar Kompostfliegen schwirren durch die Luft und wer schnell genug hinschaut, sieht einen Mistkäfer, der sich flugs wieder ins Erdreich zurückzieht. Es ist schwer was los, in diesem etwas anderen Misthaufen. Anders, weil er kaum riecht. Und noch etwas fehlt, die an solchen Orten allgegenwärtigen Fliegen. Auch im benachbarten Pferdestall schwirren keine Fliegen. Hier könnte man sein Frühstück verzehren, so wenig erinnert der Geruch nach Stall.
Könnte? Wurde bereits. Inge Schwenger hat schon Politikern verschiedener Parteien einen ländlichen Imbiss im Stall serviert und dabei über die Vorzüge des von ihr entwickelten „Hippodung“ gesprochen. Eine Einstreu für Ställe, gesünder für Mensch und Tier, sagt Schwenger. Und auch für eines der wertvollsten Güter überhaupt, dem Boden. Neben Luft und Wasser das wertvollste, was der Planet seinen Bewohnern bietet. Und diese Werte gilt es mit der Kreislaufwirtschaft zu erhalten, so Schwenger. Kreislaufwirtschaft heißt für sie auch, Boden, Luft und Wasser in ihrer Qualität nicht beeinträchtigen.
Die Gesundheit war Schwenger schon immer ein Anliegen. Die Human-Medizinerin war zunächst in einer Klinik tätig, ließ sich später in einer Praxis nieder. Sie bildete sich weiter in Homöopathie, später eröffnete sie eine Klinik für Minimalinvasive Chirurgie, die erste Klinik dieser Art, Europaweit. Entspannung fand Schwenger schon immer bei ihren Pferden. Bereits als Kind lernte sie reiten. Von den 50 Pferden auf dem Landgut gehören ihr 14 Tiere. Die Pferde zogen die erfolgreiche Ärztin aufs Land. Sie pachtete das Landgut, in Schönwalde-Glien, im Ortsteil Dorf, gegenüber der Kirche, tauschte Arztkittel gegen Gummistiefel.
Ställe stinken, mal mehr, mal weniger. In den meisten Ställen stehen die Pferde in Boxen auf Stroh. Das Stroh saugt den Urin nur unzureichend auf. Anders als in der Natur, landet der Kot der Tiere ebenfalls in der Box, vermischt sich mit dem Urin. Dadurch entstehen Faulgase, erklärt Schwenger und die sind massiv gesundheitsschädigend. Für Menschen und Tiere. Besonders dann, wenn Letztere in Käfigen oder Ställen leben. Als sie vor rund 13 Jahren begann sich des Problems anzunehmen, hatte sie die Wirkung auf das Klima noch gar nicht im Blick sagt sie. Ammoniak, Lachgas, Schwefelwasserstoff, Methan, das sind Gase, die sich auch aufs Klima auswirken, fügt sie hinzu. Doch bereits im Stall wirken sie gesundheitsschädigend. Lachgas kennen viele Menschen aus der Medizin, es wirkt auf das Nervensystem. Neben den Schwierigkeiten, die die Boxenhaltung von Herdentieren mit sich führt, kann eben auch dieses Gas für unliebsames Sozialverhalten der Tiere sorgen, vermutet die Ärztin. Lungenerkrankungen bei Pferden und Hühnern könnten durch diese Gase verursacht werden, fügt sie hinzu. „Der Gestank ist ein Signal an unsere Nasen, nicht näher zu kommen“, sagt Schwenger. Dazu kommt, gerade Pferde knabbern auch am Stroh. „Das ist schon so, als würden wir unser Klopapier essen“, vergleicht Schwenger und fügt hinzu: „Ich wollte die schlechte Umgebung für meine Tiere unbedingt verbessern.“
Zwei Jahre Experimente führten schließlich zu einer Einstreu, die die Emissionen bis unter die Nachweisgrenze trieb. Holzmehl bildet die Grundlage, aber erst die Zugabe eines Katalysators brachte den gewünschten Erfolg. Entstanden sind Pellets, die mit warmem Wasser aufgegossen, zu einem Brei aufquellen, aus dem nach kurzer Zeit eine weiche Matte entsteht. Sie saugt Urin ein, die Pferdeäpfel müssen nur noch abgesammelt werden. Dadurch gelangen die Faulkeime des Kots nicht in den Urin, der bei Mensch und Pferd keimfrei aus der Blase in die Freiheit entlassen wird und somit nicht riechen sollte. Damit ist eine Faulgasfreie Stallluft geschaffen.
Faulgase ziehen Insekten zur Verwertung an, erklärt die Ärztin weiter. Fliegen zum Beispiel. Wo keine Faulgase sind, sind auch keine Fliegen und so sind Stall und Misthaufen frei von Fliegen. Ganz nebenbei sind von Fliegen verursachte Augenentzündungen bei den Pferden auch kein Thema mehr. Auf dem Misthaufen wird aus dem Pferdekot binnen drei bis vier Monaten Kompost. „Strohmist braucht dafür zwei Jahre“, sagt Schwenger, die mit sichtbarer Begeisterung die Ergebnisse vor Ort präsentiert. Und der Misthaufen benötigt sehr viel weniger Platz. „Etwa ein Zehntel der Fläche“, sagt sie.
Was macht man mit so viel Kompost? Schwenger bringt ihn auf die eigenen Wiesen, die außer diesem Kompost nichts anderes kennen. Das ist ihr Geheimnis der bereits schon früh im Jahr ergrünenden Wiesen. Und sie nutzt ihn für den Gemüseanbau auf dem Landgut und für die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) ein Dorf weiter, reicht der Ertrag auch noch.
Beim Gang über die Wiesen fällt auf, die Wege zu den Koppeln sind sandig und nebenan auf der Wiese des Nachbarn, ist das Gras gelblich-blass. Schwengers Pferde erfreuen sich Mitte März bereits an frischem Grün, stehen mampfend auf der Koppel. Der Boden ist schwarz und schwer.
Auf dem Landgut dient der Kompost dem Anbau von Gemüse. Das wird im eigenen Restaurant zu hochwertigen, authentischen Speisen verarbeitet. Und auch die SoLaWi erwirtschaftet Überschüsse, die sie ans Landgut weitergibt. Frisches, regionale Gemüse in Bio-Qualität.
Auf dem Teller schließt sich der Kreis. Ist nur leider nicht immer so, berichtet Schwenger und sieht hier die Politik in Pflicht. „Pferdemist wird oft wie Abfall behandelt und abtransportiert. Das ist gegen die Natur, die kann sich so etwas wie Abfall gar nicht leisten“, sagt Schwenger zur Unterbrechung des Kreislaufes und fügt hinzu: „Jede Pflanze, jedes Tier, das stirbt, geht wieder in den Kreislauf ein. Was jetzt passiert ist eine absolute Fehlhaltung. Ich bin für eine grundsätzliche Reform der sogenannten Gülle-Verordnung. Und zwar unter Naturschutz- und Klimaschutzgesichtspunkten. Ich spreche hier nicht für die industrielle Landwirtschaft, sondern genau vom Gegenteil.“ Schwenger, die selbst politisch aktiv ist. Sie ist Kreis-Sprecherin für Bündnis 90 / Die Grünen im Havelland, sieht darin eine wichtige Aufgabe der Landwirtschaftspolitik. „Wir dürfen, was aus den Tierställen kommt, nicht als Sondermüll behandeln, sondern müssen den Rohstoff sehen“, sagt sie weiter.
Im kommenden Jahr wird Hippodung voraussichtlich an einer Studie der Freien Universität Berlin teilnehmen. Die über drei Jahre angelegte Studie zur Kälbergesundheit soll Aufschluss für die Verwendung von Hippodung in der Rinderhaltung geben. Erfahrungen mit Hippodung sammeln auch der Tierpark Cottbus und der Wuppertaler Zoo.
Mehr zum Hippodung gibt es hier: https://hippodung.info
Im Netz findet ihr das Landgut Schönwalde unter: https://www.daslandgut.de