Tier- und Artenschutzorganisationen kritisieren neue Zirkusverordnung

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 19. November 2020

Tierschützer fordern Verbot für alle Wildtiere in Zirkussen

Der am Donnerstag vorgestellte Verordnungsentwurf der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zu Wildtieren im Zirkus wird von 13 deutschen Tierschutzorganisationen als nicht ausreichend kritisiert. Grund dafür ist, dass unter anderem Tiger und Löwen in Zirkussen vorerst weiterhin erlaubt bleiben sollen, was die Organisationen strikt ablehnen. Positiv zu bewerten ist, dass nach jahrelanger Kritik der Tierschutzorganisationen künftig zumindest Elefanten, Großbären, Primaten, Giraffen, Nashörner und Flusspferde im Zirkus verboten sein werden. Allerdings fordern die Tierschützer für noch vorhandene Tiere eine zeitliche Frist für die Abgabe in geeignete Auffangstationen. In einem gemeinsamen Schreiben an die Ministerin fordern sie Nachbesserungen unter Beteiligung der Tierschutzorganisationen.

„Es ist völlig inakzeptabel, dass bei der Erarbeitung des Entwurfs – trotz gegenteiliger Zusage von Seiten der Ministerin – die Expertise der Tierschützer außen vorgelassen wurde. So kann es zu keiner guten Lösung kommen“, so Undine Kurth, Vizepräsidentin des Deutschen Naturschutzringes.

Löwen und Tiger müssen weiter leiden

Der Bundesrat, Experten, Tierärzte, Tierschützer und zuletzt auch die Agrarministerkonferenz fordern seit Jahren, Wildtiere im Zirkus zu verbieten. „Frau Klöckner will nun endlich reagieren und einige Wildtiere im Zirkus verbieten. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Warum Löwen und Tiger jedoch weiterhin in Zirkussen leiden sollen, ist absolut unverständlich. Das ist mit dem Staatsziel Tierschutz nicht vereinbar“, kritisiert Katharina Lameter von Pro Wildlife. Denn egal ob Dressur, Haltung oder Transport: Zirkusse können aufgrund der systemimmanenten Probleme keine tier- und artgemäße Haltung von Wildtieren gewährleisten. Wissenschaftliche Studien belegen, dass gerade große Beutegreifer wie Löwen und insbesondere Tiger, die in der Natur riesige Gebiete durchstreifen, in Gefangenschaft jedoch häufig Anzeichen von Stress und Verhaltensstörungen zeigen.

Abgabefrist für in Zirkus gehaltene Tiere fehlt

Außerdem kritisieren die Tierschützer, dass sich das Verbot nur auf neu angeschaffte Tiere bezieht. Gemäß der geplanten Verordnung sollen die aktuell in deutschen Zirkussen lebenden Wildtiere bis zum natürlichen Ableben gehalten, dressiert und zur Schau gestellt werden dürfen. Die Mehrheit der EU-Staaten haben ihre Verbotsregelungen mit konkreten Übergangsfristen für ein Auslaufen der Tierhaltung versehen. Das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium ist hier in der Pflicht und muss gemeinsam mit Tierschützern, Zoos und Auffangstationen Möglichkeiten schaffen, die verbleibenden Wildtiere baldmöglichst artgerecht unterzubringen. „Wir decken regelmäßig gravierende Tierschutz-Missstände in Zirkussen auf“, berichtet Denise Schmidt von VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz. „Daher brauchen diese Tiere dringend eine zeitnahe Lösung.“

Keine Sonderstellung für Zirkusse

Die Sonderstellung, die Zirkussen bei der Haltung ihrer Wildtiere bisher zugesprochen wird, lässt sich wissenschaftlich nicht vertreten. „Dressur und Auftritte der Tiere sind kein Ersatz für artgemäße Unterbringung und Sozialstrukturen. Während Zoos und Tierparks durch das sogenannte Säugetiergutachten bestimmte Mindestvorgaben erfüllen müssen, gelten für die gleichen Tiere im Zirkus nicht einmal diese“, so James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund. Die Tierschutzorganisationen fordern daher, dass die im Säugetiergutachten festgeschrieben Haltungsbedingungen auch für Zirkusse gelten müssen und die sogenannten Zirkusleitlinien abgeschafft werden.

Die folgenden Organisationen fordern Julia Klöckner auf, den Verordnungsentwurf zum Verbot bestimmter Wildtierarten in Zirkussen entsprechend der geäußerten Kritikpunkte zu überarbeiten: Deutscher Naturschutzring, Deutscher Tierschutzbund, VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz, PETA Deutschland, Pro Wildlife, Bund gegen Missbrauch der Tiere, animal public, Bundesverband Tierschutz, Aktionsgruppe Tierrechte Bayern, Future for Elephants, endlich-raus.JETZT, Vogelschutz Komitee und Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht.

Betäubungslose Ferkelkastration ab Januar 2021 verboten

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 19.November 2020

Ab dem 1. Januar 2021 ist die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung verboten. Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt, dass das Verbot nach einer Übergangfrist von insgesamt über sieben Jahren endlich in Kraft tritt. Auf Druck der Branche und durch die Mehrheit der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag wurde das zunächst auf 2019 datierte Ausstiegsdatum um zwei Jahre verschoben.

„Der Kampf für das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration war lang und voller Rückschläge. Dass die Regierungsfraktionen im Bundestag das 2013 beschlossene Verbot Ende 2018 noch mal gekippt haben und so die Tierqual für deutschlandweit etwa 50 Millionen Ferkel um weitere zwei Jahre verlängerten, war ein Schlag ins Gesicht für den Tierschutz. Mit dieser Entscheidung sind die Regierungsfraktionen und die Bundeslandwirtschaftsministerin vor den wirtschaftlichen Interessen der Branche eingeknickt; das Staatsziel Tierschutz wurde mit Füßen getreten“, resümiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Dass das Verbot nun zum 1. Januar 2021 in Kraft tritt, sei daher längst überfällig.

Ebermast und Immunokastration müssen gefördert werden

Als tierschutzgerechte und praktikable Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration stehen die Ebermast, die Impfung gegen Ebergeruch mit Improvac (Immunokastration) und die Kastration unter Vollnarkose mittels Isofluran und Schmerzmittelgabe zur Verfügung.  Hinsichtlich der Isofluran-Methode stellen die Tierschützer klar, dass diese den wichtigen schnellen Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration möglich machen wird, allerdings aufgrund verschiedener Tierschutz-, Anwenderschutz- und Umweltschutzrisiken keine Dauerlösung darstellen kann. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes müssten mit Ebermast und Immunokastration vor allem die beiden Methoden weiter vorangetrieben werden, die gänzlich auf einen chirurgischen Eingriff am Tier verzichten und somit dessen Unversehrtheit bewahren. Hier fehle es noch immer an seriöser Aufklärungsarbeit, um Vorbehalte abzubauen sowie dem Willen der nachgelagerten Branche, bestehende vermarktungstechnische Hürden abzubauen. Preisabzüge für Schlachtkörper immunokastrierter Tiere etwa seien nicht zu rechtfertigen, da die Qualität mit denen chirurgisch kastrierter Tiere vergleichbar sei, wie Erfahrungsberichte und Studien zeigen. Zudem müsse die Immunokastration auch für den Ökobereich zulässig sein.