Per Eilantrag hat der Naturschutzbund die Fällungen alter Eichen gestoppt
Text & Fotos von Silvia Passow
Nauen/Börnicke. „Deutsche Alleenstraße“, steht auf dem kleinen Schild, noch. Denn so wie es gerade auf der Bundesstraße 273 zwischen Nauen Waldsiedlung und Börnicke aussieht, ist von einer Allee bestenfalls ansatzweise etwas übriggeblieben. Mehr als hundert Bäume sollen hier nach offiziellen Angaben fallen. Viel Holz, darunter dicke, alte Baumriesen, deren Stümpfe erahnen lassen, welch mächtige Krone sie einst trugen, liegt auf der gesamten Strecke am Straßenrand. Der NABU Brandenburg hat in einem Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg den Stopp der Baumfällungen beantragt. Das OVG hat den Landesbetrieb Straßenwesen (LS) bis zu einer Entscheidung über den Sachverhalt aufgefordert die Fällungen auszusetzen. Der Landesbetreib hat zugesichert, die Auflage zu beachten.
Seit Ende Januar laufen auf der B 273 die Vorbereitungen für den Ausbau im Bereich des Nauener Ortsteils Börnicke. Zwischen der Ortsdurchfahrt Börnicke und der Landesstraße 201 wird die Straße saniert. Ferner soll ein Kreisverkehr gebaut und die Zufahrt zum DHL-Verteilzentrum wird ausgebaut. Laut dem Landesbetrieb Straßenwesen soll auch die Kurvenlage der Strecke verkehrssicherer gestaltet werden und der Radweg wird breiter und instandgesetzt. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich Ende des dritten Quartals des Jahres beginnen. Für Radfahrer gibt es ebenfalls eine Umleitung. Die Baumfällarbeiten dienten laut einer Pressemitteilung des Landesbetriebes der Vorbereitung. Mit der Fällung der alten Eichen wurde der Lebensraum gefährdeter Tierarten zerstört. „Aus den Planunterlagen ging nicht hervor, dass die Fällung der Eichen, den Lebensraum der besonders geschützten Käferarten vernichtet. Dementsprechend wurden keine Maßnahmen ergriffen, um die Bäume zu erhalten. Der LS hat es anscheinend versäumt, die Bäume auf das Vorkommen geschützter Arten untersuchen zu lassen und damit in grober Weise gegen seine Rechtspflichten verstoßen“, erklärt der Vorsitzende des NABU Brandenburg Friedhelm Schmitz-Jersch. Laut NABU wäre ein Planfeststellungsverfahren erforderlich gewesen. Das Fehlen eines solchen Verfahrens sei ein zusätzlicher Rechtsverstoß.
Nahe der Waldsiedlung ragen die frischen Baumstümpfe in deutlicher Entfernung zur Fahrbahn aus dem Boden. Der Wald gehört zum FFH Leitsakgraben, seit letztem Jahr auch Naturschutzgebiet. Das es gerade hier die alten Eichen getroffen hat, ist mehr als nur tragisch, sagt Tobias Mainda, Naturschützer und Experte für Käfer aus Nauen. Er selbst hat im Leitsakgraben seltene Käfer nachweisen können. Käfer wie der Eremit und der große Rosenkäfer leben hier, beide sind streng geschützt. Von ehemals mindestens sieben nachgewiesenen besiedelten Brutbäumen des Eremit, welche an der Straße und dem angrenzenden FFH Gebiet Leitsakgraben vorkamen und den langfristigen Erhalt der Käferpopulation sicherstellen sollten, sind nun nur noch drei alte Eichen verblieben. Neben den aktuellen Fällungen wurden auch durch forstliche Eingriffe der Stadt Nauen in den letzten Jahren Habitatbäume für die nach EU-Recht streng geschützte Käferart im angrenzenden Forst reduziert, erklärt der NABU Brandenburg in einer Pressemitteilung.
Der Eremit bevorzugt als Wohnraum das mulmige Substrat in Baumhöhlen. Baumhöhlen bieten allerdings auch noch anderen Tierarten Unterschlupf. Auch Waldkauz und Fledermäuse bevorzugen Baumhöhlen alter Bäume als Lebensraum. Jens Esser, Biologielehrer wie Mainda Experte für Käfer und ebenfalls mit dem Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet Leitsakgraben vertraut, fand bei den abgeholzten Bäumen Federn, die er einem Waldkauz zuordnen würde.
Für die gefallenen Bäume sind Ausgleichspflanzungen vorgesehen. Ein Teil davon, 108 Ulmen wurden bereits gepflanzt, weitere 89 Ulmen sollen voraussichtlich im Herbst 2022 gepflanzt werden. Dass es aber gerade mit diesen Nachpflanzungen immer wieder hapert, darüber berichtete erst im November der Rundfunk Berlin-Brandenburg. Nach deren Recherchen wurden im Jahr 2006 noch 2300 Kilometer der Brandenburger Straßen von Alleebäumen flankiert. 2020 waren es 600 Kilometer weniger. Das Verkehrsministerium in Potsdam gibt laut dem RBB-Bericht Dürre- und Sturmschäden als Grund dafür an. Der Umweltverband BUND befürchtet einen Verlust der Brandenburger Alleen, sollte hier nicht gegengesteuert werden. Auch Schmitz-Jersch sagt: „Der geplante Ausbau der B273 zeigt, dass man dem Schutz der Alleen in Brandenburg nicht ausreichend Rechnung getragen wird.“
Warum nun gerade Ulmen die Eichen ersetzen sollen, ist Mainda ein Rätsel, sagt er. Den Verlust der alten Bäume gleichen die Ersatzpflanzungen nach seinem Bekunden nicht aus. Es geht dabei nicht nur um einen Baum, der ersetzt wird, erläutert Mainda. Es sind spezielle Lebensräume für seltene Tiere, in dem Fall Käfer, die mit der Fällung zerstört wurden. Der Eremit gilt als nicht gerade mobiles Tierchen. Und er ist derart selten, dass nach Einschätzung des NABU jedes einzelne Vorkommen von großer Bedeutung ist.