Unter Kühen

Maria Mundry gibt ihren Kühen nicht nur Namen, sie gibt dem Kunden das Gefühl der Teilhabe bei der Fleischerzeugung

Reportage von Silvia Passow

Kleßen – Görne.  „Da hinten steht die dicke Carmen mit ihren Zwillingen“, sagt Maria Mundry und weist mit dem ausstreckten Arm über die Wiese. Am anderen Ende der Weide im Brandenburgischen Havelland steht die schwarze Kuh mit ihren Jungtieren. Maria Mundry hat einen blauen Eimer dabei und die Kühe kennen diesen Eimer genau, wissen darin verbirgt sich eine Leckerei. Schwarze Ohren wackeln, dann legt die Kuh die Distanz im wahren Schweinsgalopp zurück, erst unmittelbar vor der Landwirtin bleibt sie stehen. Mundry streichelt der Kuh über den Nacken und lacht. „Ja, ja, für Futter lässt Carmen wirklich alles stehen.“

Glückliche, schwarze Kuh
Foto: Silvia Passow

Mehr als ein anonymes Stück Fleisch

Maria Mundry hat eine Herde mit 60 Angus-Rindern. Große, meist schwarze Fleischrinder, deren Fleisch sehr schmackhaft ist, sagt Mundry. Gezüchtet werden sie selten, andere Rinderarten bringen mehr Fleisch und damit mehr Ertrag. Doch immer mehr Menschen sind bereit, schmackhaftes Fleisch und mehr Tierwohl mehr zu bezahlen. So suchen sich immer mehr Konsumenten ihre Weihnachtsgans schon zu Jahresbeginn in kleineren Betrieben aus. Die Gans watschelt im Sommer über sattgrüne Wiesen, geht baden, lässt sich die Sonne auf die Daune scheinen und oftmals kann der Kunde seine Gans sogar besuchen. Weihnachten liegt sie dann im Bräter, der Kunde weiß, vorher hat sie es gutgehabt.

Auf der Weide mit Maria Mundry
Foto: Silvia Passow

So ist das auch auf Mundrys Hof, „Schwarze Kuh“. Hier kann im sogenannten Rinderleasing eine Kuh, beziehungsweise ein Kalb, erworben werden. So wie Norbert. Das Rind Norbert wird noch eine Zeit lang hier draußen stehen und frisches Gras fressen. Er wird im Familienverbund groß werden, wird gemeinsam mit den anderen Kühen ab und an einen Anhänger besteigen und zur nächsten Weide gefahren werden. Wenn er dann, eines Tages wieder auf den Anhänger steigt und zum Schlachthof gefahren wird, wird er den Unterschied zunächst gar nicht bemerken, sagt Mundry. Eben weil Norbert und die anderen Kühe den Transport gewohnt sind. Dieser Umstand ist Mundry sehr wichtig. „Wir lieben unsere Kühe“, sagt sie. Auch wenn klar ist, dass die Kühe geschlachtet werden. Bis dahin aber soll es ihnen gut gehen, sagt die 37jährige Landwirtin.

Sie sind nicht alle schwarz aber sie haben alle diesen Kuh-Blick
Foto: Silvia Passow

Wir, das sind Mundrys Ehemann und ihre vier Kinder. Mundry kommt ursprünglich vom Land, ist in Görne aufgewachsen. Oder besser im Kuhstall, wie sie sagt. Etwas mit Tieren, am liebsten mit Kühen machen, das war schon immer ihr Berufswunsch, erzählt sie. Vom Leben auf dem Land war sie zunächst meilenweit entfernt. „Wir lebten in Berlin, am Rosenthaler Platz“, sagt sie. Und genau dort traf sie die Menschen, von denen sie ahnte, dass sie ihr Produkt, ihr Fleisch von den glücklich lebenden Angus-Rindern, kaufen würden, sagt sie weiter. Kaum war ihr drittes Kind geboren, zog die Familie zurück auf Land, nach Görne, ein Dorf das zwischen Berlin und der Kreisstadt Rathenow, liegt. Umgeben von Wäldern und saftigen Wiesen, auf denen nun ihre Rinder stehen.

Foto: Silvia Passow

Im Mai 2016 fingen sie hier mit der Zucht an. Zwei Jahre braucht ein Angus-Rind bis zur Schlachtung. Zwei Jahre in Rinder investieren, ohne dass an Gewinn auch nur zu denken ist. Die „Schwarze Kuh“ ist Nebenerwerb, Hauptberuflich ist Mundry die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Ostprignitz-Ruppin. Erst in diesem Jahr ging es an die Vermarktung des Rindfleisches. Dabei wird nicht nur Filet und Steak verkauft, das komplette Rind geht über die Theke. Der Braten aus der Nuss, Schaufelbraten, Bürgermeisterstück, Tafelspitz und Nierenzapfen. Und nicht wenige dieser in unseren Zeiten in Vergessenheit geratenen Fleischspezialitäten sind echte Delikatessen und Mundry erlebt so etwas wie einen Run auf die Innereien oder die Ochsenschwänze. Das Fleisch vermarket Mundry selbst und über Marktschwärmereien. Dabei erlebt sie die Freude und Dankbarkeit der Kunden, sagt sie. Etwas, was den Kollegen in den Großbetrieben, deren Fleisch anonym in den Supermarktregalen landet, fehlt, wie sie sagt. Das findet sie schade, sagt sie weiter, denn sie erlebt damit eine Wertschätzung für ihr Produkt. Etwas, das ihre Kollegen aus der Landwirtschaft oft vermissen. Erst im Oktober wurde Mundry mit ihrer „Schwarzen Kuh“ mit dem Wirtschaftsförderpreis 2019 des Landkreises ausgezeichnet. Den Preis erhielt sie unter anderen, für die Transparenz, mit der sie ihr Rindfleisch vermarktet und damit Kundenvertrauen gewinnt.

Foto: Silvia Passow

Mit Liebe zur Kuh

Ihre Kunden sagt sie, schätzen das Fleisch der Angus-Rinder. Das war einer der Gründe, warum sich Mundry für genau diese Rinder entschieden hat. „Diese Kühe haben einen tollen Charakter, keine Hörner, was die Haltung einfacher macht und sie haben geringe Futteransprüche“, sagt Mundry. Die Rinder stehen ganzjährig auf den Weiden, haben einen Unterstand, der sie vor Hitze schützt. Mit Kälte kommen sie gut zurecht, sagt Mundry. Die Kühe bringen ihre Kälber auch auf der Weide zur Welt. Mundry zieht innen nur noch die Ohrmarken ein. Die Männchen, die nicht weiter für die Zucht verwendet werden, werden kastriert und stehen mit der Herde auf der Weide. Sie alle haben Namen. Und die Kunden mehr als ein anonymes Stück Fleisch auf dem Teller.

Foto: Silvia Passow

Kontakt: https://schwarze-kuh.farm

Hüllenloser Auftritt

Im Unverpackt-Laden können die Waren nackig, so wie sie einst erschaffen wurden, erworben werden

Reportage von Silvia Passow

Maia Kubish in ihrem Unverpackt-Laden
Foto: Silvia Passow

Falkensee.  Seit Samstag hat Falkensee einen Unverpackt-Laden, in dem sich Hülsenfrüchte hüllenlos und plastikfrei dem Kunden präsentieren. MAIKO, der Unverpackt-Laden ist das zweite Projekt von Maia Kubish, die bereits Anfang des Jahres ein veganes Café, nahe dem Bahnhof Falkensee, eröffnet hat. Mit dem Geschäft, in dem man alle Waren unverpackt angeboten werden, will Kubish ein weiteres Angebot für einen nachhaltigen Lebensstil in der 44 000 Einwohner-Stadt schaffen.

Foto: Silvia Passow

An den Wänden hängen Glaszylinder, aus denen man sich die Waren abfüllen kann. Ein langer Tisch in der Mitte des Ladengeschäftes ist mit versenkbaren Metallgefäßen ausgestattet. Während in den Glasbehältern an der Wand viele verschiedenen Sorten Erbsen, Linsen und Bohnen auf die Kundschaft warten, sind in den Metallgefäßen Nudeln und Lasagneplatten unterbracht. Es gibt viele verschiedene Nusskerne und Gewürze, Tees und Backzutaten, Säfte aus der Region, Getreide und Saaten. Die Produkte füllt sich der Kunde in mitgebrachten Behältnissen ab. „Das darf auch gern die Plastik-Schüssel sein“, sagt Kubish. Für die kurzentschlossenen Einkäufer gibt es Bügelgläser aus Glas, die gekauft und befüllt werden können.

Foto: Silvia Passow

Das Geschäft selbst ist Plastikfreie Zone. Kubish hat überwiegend mit Holz, Glas und Metall gearbeitet. Das hält länger und sieht besser aus. „Wir haben uns Zeit gelassen beim Ausbau. Ich wollte, dass der Laden ansprechend ist“, sagt sie. Denn das der Unverpackt-Laden kommen sollte, das hatte Kubish bereits angekündigt. Die Mutter zweier Kinder beschäftigt sich seit rund zehn Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit.

Foto: Silvia Passow

„Es war der Film Plastic Planet, der mir die Augen öffnete“, sagt Kulish. Der 2010 veröffentlichte Film zeigte schonungslos, wie vermüllt der Mensch den Planeten Erde hat. Kulish sagt, sie wollte etwas verändern, wollte einen Beitrag zur Besserung der Situation leisten und fing da an, wo es ihr am naheliegendsten erschien, nämlich bei sich selbst. Sie sagt, sie stellte ihr Leben um, sie wollte sehen, wie minimalistisch kann gelebt werden ohne dass sie etwas vermissen würde. Aus der Idee das eigene Lebensumfeld nachhaltiger zu gestalten, wuchs die Geschäftsidee. Erst vor wenigen Wochen wurde Kubish vom Landkreis mit dem Wirtschaftsförderpreis 2019 für ihr innovatives Café ausgezeichnet.

Foto: Silvia Passow

Die Waren in Kubishs Unverpackt-Laden kommen nicht nur ohne Müllberge aus, sie stammen auch, wo möglich, aus der Region. So kommen viele ihrer Getreidesorten aus dem rund 30 Kilometer entfernten Kuhhorst. Der Buchweizen kommt aus Parchim, um einen Landwirt zu finden, der Buchweizen anbaut, musste Kubish eine Weile suchen, sagt sie. „Dabei ist Buchweiten recht anspruchslos“, fügt sie hinzu. Ein weiterer Aspekt für mehr Nachhaltigkeit ist die Frage der Menge, die gekauft wird. Denn in einem Unverpackt-Laden bestimmt der Käufer, wie viel im Glas landet. Wer also eine Rarität wie die Adzukibohne ausprobieren möchte, ist hier genau richtig. Statt große Mengen eines Produktes, von dem man noch gar nicht weiß, ob es einen Platz bei den eigenen Lieblingsspeisen einnehmen wird, kann hier eine kleine Portion erworben werden. Kubish hofft, dass auf diese Weise weniger Lebensmittel im Müll landen.

Foto: Silvia Passow

Die Waren in Kubishs Unverpackt-Laden kommen nicht nur ohne Müllberge aus, sie stammen auch, wo möglich, aus der Region. So kommen viele ihrer Getreidesorten aus dem rund 30 Kilometer entfernten Kuhhorst. Der Buchweizen kommt aus Parchim, um einen Landwirt zu finden, der Buchweizen anbaut, musste Kubish eine Weile suchen, sagt sie. „Dabei ist Buchweiten recht anspruchslos“, fügt sie hinzu. Ein weiterer Aspekt für mehr Nachhaltigkeit ist die Frage der Menge, die gekauft wird. Denn in einem Unverpackt-Laden bestimmt der Käufer, wie viel im Glas landet. Wer also eine Rarität wie die Adzukibohne ausprobieren möchte, ist hier genau richtig. Statt große Mengen eines Produktes, von dem man noch gar nicht weiß, ob es einen Platz bei den eigenen Lieblingsspeisen einnehmen wird, kann hier eine kleine Portion erworben werden. Kubish hofft, dass auf diese Weise weniger Lebensmittel im Müll landen.

Foto: Silvia Passow

Neben den vielfältigen Leckerrein gibt es im Unverpackt-Laden auch Produkte für die Schönheit und die Körperpflege. Und sogar Reinigungs- und Waschmittel können aus großen Tornistern abgezapft werden.  

Foto: Silvia Passow

Die Idee, Waren unverpackt anzubieten, entstand vor etwa zehn Jahren. Da die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht, werden zumeist regionale Produkte die nachhaltig hergestellt wurden, verkauft. Um geltende Hygienevorschriften zu wahren, werden Lebensmittel, wie zum Beispiel Nudeln oder Mehl in Behältnissen angeboten, die nur ein Abfüllen aber ansonsten keinerlei Kontakt mit dem Kunden erlauben.

Foto: Silvia Passow

In Berlin gibt es einige Unverpackt-Läden und auch in Potsdam kann das nackige Lebensmittel erworben werden. In Falkensee kann nun in der Bahnhofstraße 87/89 verpackungsfrei eingekauft werden.