Neues Leben in der Grubenlanke

In Mögelin haben die Stadt Premnitz und der NABU einen neuen Sehnsuchtsort geschaffen

Text & Fotos von Silvia Passow

Premnitz/Mögelin.   Heinz-Jürgen Müller kann sich kaum sattsehen, an all dem Grün und dann dieses klare Wasser! Endlich kann dieses Stück Natur wieder atmen, aufblühen, Wasser ist Leben und für dieses Leben soll hier, in der Grubenlanke, nun wieder Platz sein. Dreimal schon hatte der Ur-Mögeliner versucht, den Seitenarm der Havel zu retten, erzählt er. Zu DDR-Zeiten und dann gleich wieder nach der Wende. Beide Male erfolglos. Doch nun, im dritten Anlauf wurde alles gut und Müller freut sich, dass er das noch erleben darf, sagt er. Die kleine Insel gegen dem Ort Mögelin wurde einst landwirtschaftlich genutzt, zuletzt machten ein paar ausgerissene Bullen von sich reden. Nun steht das Schilf mannshoch und die unterschiedlichsten Vogelstimmen piepsen aus dem dichten Grün.

Im neuen blau-grünen Gewand zeigt sich der Seitenarm der Havel bei Mögelin

Müller vermisste den Fischreichtum und Vögel wie Kiebitz und Bekassine und den Ruf der Rohrdommel. Der 83jährige war 1960 dem Angel-Verein beigetreten. Er erinnert sich zurück, als der Kahnhafen gebaut wurde und Badestellen geplant waren. Müller kennt jede Ecke und Biegung der Lanke mit Namen. Bei der offiziellen Einweihung und Vorstellung der renaturierten Grubenlanke war er dabei. Zusammen mit Rocco Buchta vom NABU, dem Bürgermeister der Stadt Premnitz Ralf Tebling (SPD) und einigen handverlesenen Gästen, durfte er zur Einweihung mit dem Kahn in die Lanke, statt in See, stechen.

Rocco Buchta vom NABU (li) und Ralf Tebling, Bürgermeister der Stadt Premnitz genießen die „neue“ Grubenlanke bei einer Kahn-Fahrt

2005 begann das größte Fluss-Renaturierungsprojekt Europas, die Untere Havel sollte wieder zu dem Fluss werden, der sie einmal war, mit weiten Wiesen und Auen in ihrer Nachbarschaft und unbefestigten Ufern. Dabei werden die sogenannten Altarme wieder an den Hauptfluss angeschlossen. Von oben betrachtet erinnert die Havel an einen Baum, mit dem Fluss als Stamm. An den Seiten wachsen überall Äste heraus, die Altarme. Einer dieser „Äste“ ist die Grubenlanke. Als 2005 die Renaturierung der Havel zwischen Havelberg und Pritzerbe begann, hatte man auch in Premnitz die Hoffnung, die Grubenlanke könne Teil des Programms und damit zu alter Schönheit zurückfinden. Doch dann reichte das zur Verfügung stehende Geld nicht. Das wollte man in Premnitz nicht einfach so stehen lassen und nahm die Sache selbst in die Hand. Gemeinsam mit dem NABU und seinem Experten Rocco Buchta, konnte das Projekt in Angriff genommen werden.  

Erholung auf dem Wasser, dank der Stadt Premnitz und dem NABU ist das hier wieder möglich.

Bevor im September letzten Jahres die Baufahrzeuge anrollten, waren viele Formalitäten fällig. So sah der ursprüngliche Plan die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen vor. Die wurden zwar seit geraumer Zeit nicht als solche genutzt, abgeben mochte man sie dennoch nicht, berichtet Buchta. Mit der Ersatzlösung muss die Lanke  mit 10 Prozent weniger Wasserdurchströmung auskommen. Im Planfeststellungsverfahren mussten Nachweise zu den Fahrrinnen und zu Hochwassersituationen getroffen werden. Jährlich wird der Altarm vermessen, die Entwicklung soll ablaufen wie berechnet. Sonst muss nachgearbeitet werden, erklärt Buchta. „Damit sollte die Stadt als Trägerschaft aber nicht belastet werden“, fügt er hinzu. Buchta lobt die Stadt für ihren Einsatz. 1,4 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, es wurde zu 100 Prozent von der Investitionsbank des Landes Brandenburg gefördert. Dabei hätte man Geld sparen können. Denn etwa ein Drittel der Kosten flossen in den Abtransport des Aushubes. Der müsse in Brandenburg abgefahren werden, das sei aber nicht in jedem Bundesland so, erklärt Buchta.

Auch die Freizeitkapitäne haben diesen Teil der Havel bereits für sich entdeckt

Die Kahnfahrt führt an einem Schwanennest vorbei, Froschgesang begleitet die Tour. Es sind schon einige Freizeitboote, wie auch größere Hausboote, unterwegs. Die junge Schönheit der Natur lockt Ausflügler und Touristen, was Bürgermeister Tebling begrüßt. Allerdings müsse es auch mehr touristische Angebote geben, sagt er. Da passt es, dass es Pläne gibt, das „Bootshaus Milower Brücke“ wiederzubeleben. Zukünftig soll dort eine sportliche und touristische Nutzung wieder möglich sein, verrät Tebling. „Wir freuen uns über Touristen am meisten, wenn sie die schöne Natur so verlassen, wie sie sie vorgefunden haben“, fügt Tebling hinzu.

Und überall Seerosen

Bereits im letzten Jahr hatte viele Urlauber die heimischen Gewässer für sich entdeckt. Das geht nicht immer konfliktfrei einher, wildes campen, im Schilf ankern und Müllberge sind unerfreuliche Nebenprodukte. Rocco Buchta würde sich wünschen, dass die Wasserpolizei hier mehr kontrolliert: „Und geltendes Recht durchsetzt.“

Mögelin von der Wasserseite betrachtet

Dann haben auch Kiebitz, Bekassine und Rohrdommel wieder eine Chance. Buchta sagt, er habe beobachtet, dort wo die Natur reaktiviert wird, kommen auch die Tiere zurück oder vermehren sich wieder. Gute Chancen für Müller, bald wieder den Ruf der Rohrdommel zu hören.

Wettbewerbsfähigkeit und internationaler Klimaschutz im „Fit for 55“-Paket: Wie sich die EU vor Carbon Leakage schützen kann

Pressemitteilung des Kopernikus-Projekts Ariadne vom 8. Juli 2021



Wenn die Europäische Union ihr „Fit for 55“-Paket vorstellt, ist klar: CO2-Emissionen müssen teurer werden. Doch die Industrie steht im Spannungsfeld von Klimaschutz und Wettbewerb. Was also tun, wenn zwar der Klimawandel keine Grenzen kennt, wohl aber nationale Klimapolitiken und der internationale Handel? Fachleute des Kopernikus-Projekts Ariadne haben jetzt durchleuchtet, wie die EU Carbon Leakage vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten kann. Ihre neue Studie analysiert Chancen wie Risiken und zeigt auf, warum Europa bei der schwierigen Frage des Grenzausgleichs vor einer grundlegenden strategischen Entscheidung steht.

Mit dem so genannten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) will die EU einen Ausgleich schaffen für energieintensive Branchen wie die Stahl- oder Chemieindustrie, die im internationalen Handel mit Unternehmen aus Ländern mit keinen oder laxeren Klimapolitiken konkurrieren. Denn wandern Industrien durch höhere CO2-Preise aus der EU ab, werden Emissionen nicht gesenkt, sondern lediglich verlagert – für den Klimaschutz wäre damit nichts gewonnen.

Um dies zu vermeiden, kann die EU zwei Wege einschlagen: Mit dem Grenzausgleich im engeren Sinne können Importe z.B. mit einer CO2-Steuer belegt oder in den bestehenden Emissionshandel einbezogen werden. Die Alternative setzt beim Konsum an: Mit einer Verbrauchsabgabe würde eine Abgabe auf den CO2-Gehalt bei Endprodukten erhoben. Das betrifft dann nicht nur Importe, sondern auch heimische Produkte, nicht aber Exporte der EU in andere Länder. Die unterschiedlichen Auswirkungen dieser beiden Optionen auf außenpolitische Beziehungen, die Kooperation im internationalen Klimaschutz und die bestehende EU-Klimaschutzgesetzgebung sowie juristische Fragen mit Blick auf das WTO- und das EU-Recht werden im Kurzdossier des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Ariadne-Projekts detailliert gegenübergestellt.

Richtungsentscheidung: Strategie nach innen oder nach außen?


„Unterm Strich läuft es auf eine fundamentale Frage hinaus: Will die EU sich mit einer Verbrauchsabgabe primär nach innen absichern oder setzt sie mithilfe eines Grenzausgleichs auf eine nach außen gerichtete Strategie und den internationalen Klimaschutz?“, erklärt Nils aus dem Moore vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Bislang gibt es zwar kaum empirische Nachweise für Carbon Leakage, im Zuge des European Green Deal stößt das bisherige Instrumentarium der freien Zuteilung von Zertifikaten jedoch an seine Grenzen. Es braucht neue Politikmaßnahmen, um die Industrie zunächst weiter zu schützen und sie zugleich fit zu machen für ein klimaneutrales Europa“.

Mit einer Verbrauchsabgabe würde die EU weltweite Unterschiede im klimapolitischen Ambitionsniveau gewissermaßen als unabänderlich akzeptieren und einen dauerhaften Wechsel hin zu einer vollständig konsumbasierten Emissions-Bepreisung im eigenen Markt vollziehen. Dabei geht sie dann gleichzeitig hohe Risiken im Hinblick auf Wohlfahrt und Lebensstandards in ihren eigenen Gesellschaften ein. Richtet sie ihre Strategie dagegen mit einem Grenzausgleich im engeren Sinne nach außen, riskiert sie zwar den Konflikt mit Handelspartnern wie etwa den USA oder China. Sie wirkt aber auch aktiv auf international abgestimmten Klimaschutz hin, um langfristig ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen zu erreichen.

„Die Strategie für ambitionierten Klimaschutz der EU ist auch eine „Wette“ auf internationale Klimaschutzbemühungen und entsprechende gemeinsame Anstrengungen zur Zielerreichung – im Guten wie im Schlechten“, sagt Studienautor Kai Hufendiek vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart. „Machen sich wichtige Akteure der Weltgemeinschaft nicht übereinstimmend auf den Weg hin zur Klimaneutralität, so werden zur Absicherung dieser Strategie geeignete Schutzinstrumente benötigt. Vorteilhafte Schutzinstrumente sind dabei die, die einerseits unnötig werden, sobald die anderen Akteure ihren Ankündigungen Taten folgen lassen und einen ähnlichen Weg zur Klimaneutralität einschlagen. Und die andererseits aber auch klare Wirkung entfalten, sollte es nicht so kommen. Das ist wichtig, damit die EU-Industrie in diesem Rennen gut aufgestellt ist.“

„Unsere Studie zeigt, dass den kurzfristigen Risiken für die internationale Wettbewerbsfähigkeit mittel- bis langfristig erhebliche Chancen gegenüberstehen. Als Teil eines Gesamtpakets für wirksamen Carbon-Leakage-Schutz brauchen wir daher auch Instrumente, um klimafreundliche Innovationen zu fördern und Anreize zu schaffen für Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse. Dazu gehört auch eine stringente und glaubwürdige CO2-Bepreisung. So kann sich die Europäische Industrie für den Wettlauf um zukunftsfähige Technologien positionieren und gleichzeitig Nachzügler im internationalen Klimaschutz inspirieren“, so Studienautor Benjamin Görlach vom Ecologic Institute.