Pressemitteilung
des Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung vom 5.November
Allein die
bislang vorliegenden Klimaschutzpläne der Länder bis 2030 könnten den
Meeresspiegel bis 2300 um 20 Zentimeter ansteigen lassen, wenn die Regierungen
Ihre Selbstverpflichtungen nicht noch einmal deutlich nachbessern. Das zeigt
eine neue Studie, die jetzt in den Proceedings of the National Academy of
Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde. Die Arbeit von Forschern der Climate
Analytics in Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)
zeigt erstmals die konkreten Auswirkungen der bislang vereinbarten Vorhaben der
einzelnen Länder zur Emissionsreduktion im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
mit Blick auf den längerfristigen Meeresspiegelanstieg.
Erstmals beziffert die Studie den
Beitrag der unter der Pariser Klimavereinbarung zu erwartenden Treibhausgasemissionen
für den Meeresspiegelanstieg – vorausgesetzt, die als „Nationally Determined
Contributions“ (NDCs) vorgelegten Pläne der Länder werden eingehalten. Diese
Zusagen zum Klimaschutz gehen zurück auf das Pariser Klimaabkommen, auf das
sich 2015 mehr als 190 Länder geeinigt haben. Sie umfassen zunächst den
Zeitraum von 2016 bis 2030.
Allein die in
diesen 15 Jahren freigesetzten Emissionen würden bereits einen
Meeresspiegelanstieg von 20 cm bis 2300 bedeuten, zeigt die Studie der
Forschenden. Das entspricht einem Fünftel des Meeresspiegelanstiegs, der durch
alle seit Beginn der Industrialisierung bis 2030 anfallenden
Treibhausgasemissionen zu erwarten ist. Die möglichen Auswirkungen eines
bereits irreversiblen Schmelzens von Teilen des antarktischen Eisschildes
wurden hier noch nicht berücksichtigt.
„Unsere
Ergebnisse zeigen: Was wir heute tun wird einen großen Einfluss bis zum Jahr
2300 haben. 20 Zentimeter sind keine kleine Zahl, das entspricht grob dem
bislang im gesamten 20.Jahrhundert beobachteten Meeresspiegelanstieg. Diese
Zahl durch nur 15 Jahre zusätzliche Emissionen zu erreichen ist schon
erstaunlich“, sagt Leitautor Alexander Nauels von Climate Analytics. „Durch das
langsame Tempo, mit dem der Ozean, die Eisschilde und Gletscher auf die globale
Erwärmung reagieren, entfalten sich die wahren Folgen unserer Emissionen für
den Meeresspiegelanstieg erst über Jahrhunderte. Je mehr
Kohlendioxid-Emissionen jetzt freigesetzt werden, desto stärker bestimmen wir
auch bereits den Meeressspiegelanstieg der Zukunft“.
Mehr als die Hälfte
geht zurück auf die Emissionen aus China, USA, EU, Indien und Russland
Die Arbeit der
Forschenden zeigt auch, dass mehr als die Hälfte der zu erwartenden 20
Zentimeter Meeresspiegelanstieg auf die fünf größten Verursacher von
Treibhausgasemissionen zurückzuführen ist: China, USA, EU, Indien und Russland.
Allein die Emissionen dieser Volkswirtschaften im Rahmen ihrer NDCs unter dem
Pariser Klimaabkommen würden dazu führen, dass die Meere bis 2300 um 12 cm
ansteigen, so die Studie.
„Nur fünf
Volkswirtschaften sind für mehr als die Hälfte des Meeresspiegelanstiegs
verantwortlich, der durch die Emissionen aus den ersten 15 Jahren nach der
Pariser Klimavereinbarung zu erwarten ist“, sagt Ko-Autor Johannes
Gütschow vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Um den langfristigen
Anstieg des Meeresspiegels zu begrenzen, ist es entscheidend, dass bei den
Klimaplänen der Länder nachgebessert wird und die Anstrengungen zur Vermeidung
von Emissionen verstärkt werden“.
Berücksichtigt man
alle Emissionen, die zwischen 1991 und 2030 freigesetzt werden, also seit dem
Jahr des ersten Berichts des Weltklimarats IPCC, erhöht sich der Beitrag der
fünf größten Kohlendioxid-Emittenden China, USA, EU, Indien und Russland für
den langfristigen Meeresspiegelanstieg auf 26 Zentimeter.
Meeresspiegelanstieg
als Vermächtnis für die Menschheit
„Unsere
Ergebnisse zeigen klar, dass unsere heutigen Emissionen unweigerlich dazu
führen, dass die Meere bis weit in die Zukunft hinein ansteigen. Dieser Prozess
lässt sich nicht zurückdrehen, er ist unser Vermächtnis für die
Menschheit“, sagte Ko-Autor Carl-Friedrich Schleussner von Climate
Analytics. „Die Regierungen müssen bis 2020 dringend ambitioniertere
Klimapläne (NDCs) vorlegen und das Tempo ihrer Dekarbonisierung erhöhen, um das
Pariser Abkommen und sein Ziel, die globale Erwärmung deutlich unter 2°C und
möglichst 1,5°C zu begrenzen, einhalten zu können.“
Mit
dem steigenden Meeresspiegel steigt auch das Risiko für häufigere und stärkere
Überflutungen. Erst kürzlich hat der jüngste IPCC-Sonderbericht zu Ozeanen und
Kryosphäre gezeigt, dass extreme Meeresspiegelereignisse, die derzeit nur
einmal in hundert Jahren zu beobachten sind, durch den zu erwartenden
Meeresspiegelanstieg um 24-32 Zentimeter bis 2050 in vielen Teilen der Welt
jährlich auftreten könnten. Das kann für viele Küsten- und Inselgemeinschaften
verheerende Auswirkungen haben.
Artikel: Alexander Nauels, Johannes Gütschow, Matthias Mengel, Malte
Meinshausen, Peter U. Clark, Carl-Friedrich Schleussner (2019): Attributing
long-term sea-level rise to Paris Agreement pledges. PNAS [DOI:
10.1073/pnas.1907461116]
Weblink zum Artikel: https://www.doi.org/10.1073/pnas.1907461116