Ein neues Heim für Adebar

Und ein ganzes Dorf flechtet mit am Storchenhorst

Von Silvia Passow                 Priort/Havelland

Auf der Wiese herrscht rege Betriebsamkeit. Sieht so aus, als wäre das ganze Dorf auf den Beinen. Kinder tollen umher, ein Hund springt durch das feuchte Gras, die erwachsenen Dorfbewohner haben sich um das Storchennest versammelt, oder besser das, was ein schöner, wohnlicher Storchenhorst werden soll. Bereits am Morgen hatten die fleißigen Helfer vom Bauhof die Storchenbehausung mit Hilfe einer Hebebühne vom ehemaligen Strommast nach unten transportiert. Und dort stehen sie nun, die Jungen, die Älteren und flechten und sammelt Äste und Reisig auf. Derweil wird am Mast eine halbmondförmige Traverse angebracht, eine halbe Stunde später eine weitere. Daran werden unterhalb des Horstes Nistkästen für Gartenrotschwanz, Meise und Star angebracht. „Und darunter kommen dann noch Kästen für Fledermäuse“, erklärt Jens Kroischke, Leiter des Bauhofes und gerade emsig auf der Wiese unterwegs. Hier entsteht so eine Art Etagenwohnen für geflügelte Lebewesen, wobei die noble Dachgeschosswohnung mit der grandiosen Aussicht an Familie Adebar geht. Das allein ist schon schön, viel schöner ist, hier hat sich ein ganzes Dorf getroffen, um dem Storch eine gemütliche Bleibe zu schaffen.

Von hier oben hat der Storch eine prima Aussicht
Foto: Silvia Passow

Ein ganzes Dorf macht mit

Ein Zelt steht auf der Wiese, Kuchen wurden gebacken, es gibt Tee und Kaffee, die Kinder halten Stockbrot ins Feuer und später wird es auch Suppe geben. Die Priorter bauen gemeinsam am Storchennest und sie machen ein kleines Dorffest daraus. „Ich will positive Sachen befördern“, sagt Sylvia Gehrke. Wenn der Storch in den Horst zieht, wird das sicher ein tolles Gefühl sein sagt sie, bückt sich und sammelt weiterer Zweige auf.

Mit der Hebebühne auf Storchen Niveau
Foto: Silvia Passow

Optimale Wohngegend

2003 wurde der Horst in Priort ebenfalls von den Dorfbewohnern, als ein Projekt des Vereins MEMORIA PRIORT auf den ehemaligen Strommast gesetzt. Und schon ein Jahr später zog ein Storchenpaar ein. Das Paar blieb ohne Jungen und in den Folgejahren kamen zwar hin und wieder Störche, es wurde aber keines der Paare im Horst heimisch, weiß Claudia Jörg, die Storchenbeauftragte des NABU in der Region. Der Horst zerfiel, was schade ist, denn die Umgebung hat für einen Storch durchaus etwas zu bieten. Störche haben ein Revier von 3 Kilometer im Umkreis, sagt Jörg. Rund um den Horst gibt es extensiv bewirtschaftete Wiesenflächen, auf denen der Storch findet, was er gern verspeist. Regenwürmer, Mäuse, Frösche, anderes Kleingetier und auch Gewässer, gibt es in der Nähe. 

gemeinsam wird der Horst grundsaniert
Foto: Silvia Passow

Treffen der Generationen

„Dieter, willste hier mal abknippern?“ Gemeint ist Dieter Stark aus Falkensee, Schirmmütze mit NABU-Schriftzug auf dem Kopf, dieser ist tief über den Horst gebeugt. Mit geübten Fingern flechtet er, knipst die Enden der Ästchen mit der Zange ab. Der 83jährige ist sichtbar in seinem Element. Seit 1977 zählte er Störche im Osthavelland, beringte die Tiere, führte Buch. 2015 übergab er seine Tätigkeit an Claudia Jörg, kommt aber immer noch gern dazu, wenn es um die Störche geht. Schon zu DDR-Zeiten, waren er und seine Ehefrau Ursula im Naturschutz aktiv. „1934 wurden in Deutschland zum ersten Mal die Störche gezählt“, sagt Ursula Stark. „1962 zählte man im Altkreis Nauen (entspricht in etwa dem Osthavelland) dreizehn Storchennester“, sagt sie weiter.

Claudia Jörg und Dieter Stark
Foto: Silvia Passow

Weniger Weißstörche in Brandenburg

32 Storchenpaare wurden im letzten Jahr vom NABU im Osthavelland gesichtet. Davon haben 22 Paare erfolgreich Jungtiere aufgezogen. 2018 waren es 29 Storchenpaare, von denen 23 Paare eine erfolgreiche Aufzucht von Jungtieren bescheinigt wurde. Zwei bis drei Jungstörche in einem Horst liegen im Durchschnitt, gab es 2018 noch drei Storcheneltern die sogar vier Jungvögel aufzogen, war dies 2019 nur einem Storchenpaar in Brädikow vergönnt.

Pferdemist schafft Gemütlichkeit im Horst, zumindest wenn man Storch ist
Foto: Silvia Passow

7526 Storchenpaare wurden 2019 in Deutschland gezählt. Dabei fiel ein starker Zuwachs bei den sogenannten Westziehern auf. Also Störche, die in den westdeutschen Bundesländern ankommen. In den Ostdeutschen Ländern, also bei den Ostziehern, wurden Rückgänge verzeichnet. Brandenburg ist das Land mit der größten Population an Weißstörchen in Deutschland. 2014 gilt als Rekordjahr bei den gezählten Storchenpaaren. 1424 Paare wurden in dem Bestjahr gezählt. 2019 waren es 1189 Storchenpaare im Land, also ein deutlicher Rückgang. Davon hatten 871 Paare Nachwuchs und der NABU konnte 1969 flügge Jungvögel zählen.

Geschafft, der Rest wird oben vollendet, sonst wird der Horst zu schwer
Foto: Silvia Passow

Richtig gemütlich ist es erst mit Pferdemist

Mit etwa hundert Kilo Gewicht ist der Horst in Priort ein echtes Leichtgewicht. 1,5-2 Tonnen kann ein Storchenhorst auf die Waage bringen. Für die Wohnlichkeit im Nest sorgt ein großer Eimer Pferdemist. Pferdeäpfel schleppen die Störche auch selbst gern ins Nest, sagt Claudia Jörg. „Sie formen aber keine Kuhlen daraus, sondern trampeln den Mist regelrecht platt, wie eine Matratze“, erklärt sie weiter. Bevor der Mist in den Horst kommt, wird unten weiter geflochten und hoch oben schrauben die Mitarbeiter vom Bauhof die Nistkästen für die kleineren Vögel am ehemaligen Strommast an. Und dann halten plötzlich alle inne, alle Augen sind nach oben gerichtet. „Schaut mal, Störche!“ ruft jemand. Und tatsächlich fliegt ein Weißstorchpaar vorbei, recht tief sogar, als würden sie sich die neue Behausung schon einmal anschauen wollen. In Buchow-Karpzow ist der nächste Storchenhorst, Jörg vermutet, das Pärchen komme von dort. Tatsächlich hatte sich bereits in Ketzin ein Storch sehen lassen und auch bei Oranienburg wurden die ersten Störche gesichtet. Ein wenig früh, normalerweise kommen sie Ende März/Anfang April. Anderseits, wenn es um den Erstbezug einer solch schicken Unterkunft, wie in Priort geht, sollte man, auch als Storch, nicht bummeln.

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