Text & Fotos Silvia Passow
In Baruth wird der Weinbau als Gemeinschaftsprojekt verstanden. Den Mitgliedern des Instituts zur Entwicklung des ländlichen Kulturraumes geht es nicht um materiellen Gewinn, was zählt, ist die miteinander verbrachte Zeit im Weinberg. Das Ergebnis heißt „Goldstaub“ und lässt sich hervorragend zu Brot & Käse genießen.
Der Weinberg-ein Urlaubsmoment
Der Tag war verregnet, doch nun öffnet sich die Wolkendecke und die wärmenden Sonnenstrahlen tasten erst zart, dann sehr bestimmt, über das satte Grün des Weinberges. Dicke Regentropfen kullern von den prallen Trauben, die Verlockung, sich unter den Weinreben auszustrecken und von den Träubchen zu naschen ist groß. Weinberg und Sonne, wer denkt da nicht an unbeschwerte Urlaubsmomente, an zartschmelzenden Käse, den Kräuterduft des Südens. Doch tatsächlich liegt dieser Weinberg in Baruth, im Landkreis Teltow-Fläming, in Brandenburg. Nicht gerade ein bekanntes Weinbaugebiet.
Gewinner des Klimawandels
„Weinbau geht in Brandenburg sehr gut und mit dem Klimawandeln verbessern sich die Bedingungen sogar noch“, sagt Reiner Wittkowski. Seine Behauptung kann der passionierte Weinliebhaber belegen. Denn mit ihrem Solaris 2019 holten die Baruther Weinbauern bei der Berliner Wein Trophy eine Silbermedaille. Was noch ein ganz klein wenig Raum nach oben lässt, anvisiertes Ziel, die Goldmedaille für ihren Wein, den sie „Goldstaub“ nennen.
Gemeinschaftsprojekt Rebenpflege
Sie, das sind die derzeit 14 Mitglieder des Instituts zur Entwicklung des ländlichen Kulturraumes, kurz I-ku. Ein Verein, der „die Räume zwischen Stadt und Land entwickeln möchte“, wie Anja Osswald sagt. Auch sie ist Vereinsmitglied, so wie Ragna Haseloff, die erzählt, wie es zur Idee des Weinbergs bei Baruth kam. Auslöser war das alte Stadtwappen „Baruth in der Mark“. Im Mittelpunkt steht eine hübsch geformte Rebe dunklen Weins. Weinbau in der Mark Brandenburg? Warum eigentlich nicht? Angetrieben von einer gehörigen Portion Idealismus legte der Verein 2006 los.
Ein Traum gedeiht und trägt Früchte
2007 wurden die ersten Rebstöcke auf den sanften Hügel des Mühlenberges bei Baruth gepflanzt. Mit den Einnahmen des Weinberges sollten Kulturveranstaltungen finanziert werden, erzählt Haseloff und lacht. In den ersten zehn Jahren reichte der Ertrag für die anstehenden Investitionen. Der wirtschaftliche Aspekt stand jedoch nie im Vordergrund, sagt 56jährige weiter. „Wir wollten für Baruth einen schönen Ort schaffen. Und ein Weinberg ist so ein schöner Ort“, stellt sie fest. Einen Ort für die Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist es, die den Betrieb auf dem Weinberg am Laufen hält. Denn hier fassen alle Vereinsmitglieder ehrenamtlich mit an. Man trifft sich regelmäßig zu Pflege des Weinberges und zum geselligen Ausklang. Deshalb heißt der Wein „Goldstaub“, er ist das Ergebnis des Zusammenwirkens rund ums Jahr. Das gemeinschaftliche, solidarische Zusammenwirken macht den Rebensaft kostbar, erklärt Haseloff.
Lernen mit Genuss
Als sie damals mit dem Weinbau begannen trafen sie auf ungläubiges Staunen. Weinbau in Baruth? Und dazu kam, keines der Vereinsmitglieder ist Landwirt oder Winzer. Das fehlende Wissen war keine Hürde, es ließ sich nacharbeiten. Stattdessen sind es die unterschiedlichen Qualifikationen der Vereinsmitglieder, die das Projekt bereichern. Die Landschaftsarchitektin Haseloff brachte ihre Kenntnisse ein, ebenso wie die Kulturwissenschaftlerin und Regionalentwicklerin Anja Osswald. Beruflich mit Wein hatte sich einst Reiner Wittkowski befasst. Der Lebensmittelchemiker hatte Wein geprüft. Er und seine Frau Marita Wittkowski lernten den Weinberg bei einem der Weinbergefeste kennen und blieben. Seitdem sind die beiden Ruheständler im Verein aktiv. Und es war Wittkowski der vorschlug, den Wein bei der Berliner Wein Trophy ins Rennen zu schicken.
Ohne Pestizide arbeiten
Auf dem 1 Hektar großen Weinberg werden pilzwiderstandsfähige Rebsorten wie Solaris, Helios, Johanniter und Muscaris angebaut. Für die Auswahl der Rebsorten ließ Haseloff sich von Fachleuten aus Freiburg im Breisgau beraten. Zuvor hatte Haseloff sich in der Umgebung umgehört. Doch dort, wo in den Gärten Wein angebaut wurde, kamen auch fast immer Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Das wollte Haseloff nicht, sie setzte auf die Widerstandsfähigkeit der Sorten. Für den Brandenburger Sandboden eigenen sich die nun gepflanzten Sorten ganz hervorragend, sagt sie. „Zwei bis dreimal im Jahr müssen wir schwefeln. Das wird auch im Biolandanbau zugelassen“, sagt sie.
Alles Handarbeit
Die Pflege des Weinberges beschäftigt die Vereinsmitglieder rund ums Jahr. Man trifft sich jeden Freitag, Anfang März geht es los mit dem ersten Rebschnitt, ab Mai werden die Knospen ausgebrochen. Danach geht es weiter mit dem regelmäßigen Schnitt und der Wein wird hochgebunden. „Weinanbau ist sehr viel Handarbeit. Das unterscheidet den Weinbau schon sehr von der Landwirtschaft“, sagt Haseloff. 65 Reihen aus Rebstöcken müssen abgelaufen werden. 4500 Rebstöcke kontrolliert, geschnitten, gebunden werden. Wichtig ist auch, so Haseloff, das Freilegen der Trauben. Darunter versteht man das Wegschneiden der Blätter, damit die Sonne ungehindert auf die Trauben trifft. Vereinsmitglied Horst Bidiak, der sonst sein Geld als Geograf verdient, zeigt, wie das geht.
„Im August viel Regen, ist dem Wein kein Segen“
Lautet ein Sprichwort. Und tatsächlich sorgen sich die Vereinsmitglieder in diesem Jahr um die Qualität ihres Weines. Der hat nämlich noch nicht den gewünschten Oechsle Grad erreicht. Das Wetter war in diesem Jahr nicht im Sinne der passionierten Weinbauern. Die warmen Sommer 2018 und 2019 hatten für besonders reiche Weinlesen gesorgt. Um die 4000 Flaschen schafft der Baruther Weinberg in guten Jahren. Im letzten Jahr hatten Spätfröste dem Wein zugesetzt. Etwas mehr als 1000 Flaschen konnten gewonnen werden. Es sind liebliche und trockene Weißweine, die aus Baruth abgefüllt werden. Nahe der Scheune, die 2014 mit Fördermitteln gebaut wurde, stehen einige Rebstöcke mit leuchtend roten Trauben. Ein Versuch, Reiner Wittkowski glaubt, der Rote haben in den nächsten Jahren gute Chancen. Wenn die Sommer noch wärmer und trockener werden. Der Weinberg Baruth ist einer der nördlichsten Weinberge Deutschlands. Bisher nicht das Anbaugebiet für einen süffigen Roten. Wittkowski sagt, in den kommenden Jahren könnte sich das ändern, Stichwort Klimawandel. „Landwirte und Weinbauern müssen sich auf den Klimawandel einstellen“, bekräftigt er.
Einheit in Flaschen
2020 brachte allerdings den „Einheitswein“ in die Flasche. Am 3. Oktober gelesen, war der Name quasi vorgegeben, sagt Haseloff. „Er verbindet das Beste aus Ost und West“, sagt sie. Gekostet werden können die Weine beim jährlichen Weinbergfest. Das zieht inzwischen Menschen aus Berlin und den gesamten Landkreis an“, sagt Haseloff.
Landaffine Städter & Landeier
Damit erfüllt sich die Zielsetzung des Vereins, die Zusammenführung von Stadt und Land, die Zwischenräume sind gefüllt. Menschen, die hier geboren wurden, die hier leben und „Landaffine Berliner“, wie Osswald sie nennt. Sie alle teilen die Freude am Weinberg und dem Wein. Den kann man in ausgesuchten Restaurants der Region genießen. Oder in regionalen Geschäften wie dem „Tante Ella Laden Luckenwalde“ oder dem WeinSalon Glashütte, im Baruther Ortsteil Glashütte, kaufen. Auch beim Brandenburger Kultur- und Weinkontor in Potsdam lässt sich Baruther „Goldstaub“ erwerben. Robert Louis Stevenson verdanken wir den Ausspruch „Wein ist Poesie in Flaschen“. Baruther Poeten und Weinfreunde genießen zum Goldstaub Käse aus der Region und Brot vom Landbäcker.
Weinbau hat auch in Brandenburg Tradition
Übrigens: Der Weinbau in Brandenburg wird auf das Jahr 1125 und König Lothar III. zurückgeführt. Im Mittelalter kam in Brandenburg richtig Schwung in den Weinanbau, neben fränkischen und niederrheinischen Siedlern waren es die Zisterzienser, die den Weinbau, sie benötigten den Wein für die Heilige Messe, in Brandenburg vorantrieben. In Brandenburg wird von Prenzlau über Werder bis Bad Liebenwerda Wein abgebaut.