1 Million mehr Katzen mehr in Deutschland

Eine regelrechte Katzenschwemme überlastet Tierschutzorganisationen

Rose kam trächtig zum Tierschutzverein, acht Kitten hat sie hier geboren. Foto: Hartmut Vehlber

Von Silvia Passow

Havelland.   Nein, er konnte die Katzenmama mit den vier Kitten nicht ihrem Schicksal überlassen, erzählt Landwirt Volker Pardemann aus Bredow. Er fand die Katzenfamilie auf dem Feld, fing sie ein, nahm sie mit auf den Hof. Er und seine Frau brachten die Tiere zum Tierarzt und gaben ihnen ein neues Zuhause auf dem Hof. Hier dürfen sie bei der Mäusebekämpfung helfen, kastriert natürlich. Ehrensache für das Paar, dass auch schon mal rastende Brieftauben versorgt, wie Pardemann erzählt und dann bescheiden hinzufügt: „Aber das macht ja jeder.“

Die Katzen auf dem Pferdehof Pardemann haben Glück. Sie haben ein gutes Zuhause, reichlich Futter und bekommen viel Zuwendung. Foto: Silvia Passow

Unkontrollierte Vermehrung

Was nicht jeder macht, ist die eigene Hauskatze kastrieren. Mit dem Ergebnis werden auch die Pardemanns regelmäßig konfrontiert. Immer wieder tauchen kleine Katzen auf, manche nehmen sie auf, für andere kommt die Unterstützung zu spät, sie liegen tot am Straßenrand. Schön ist das nicht, sagen die beiden Tierfreunde. Auch für den Rest der Natur, wie zum Beispiel bodenbrütende Vögel sind zu viele Katzen nicht gut, sagt Pardemann.

Katze auf dem Pferdehof Pardemann in Bredow. Foto: Silvia Passow

Katenboom während der Pandemie

Die Corona-Zeit bescherte einen regelrechten Haustierboom. Die Katze, ohnehin des Deutschen Lieblingshaustier, nahm dabei den Spitzenplatz ein. Laut dem Deutschen Tierschutzbund zogen im Jahr 2020 etwa einer Million mehr Hauskatzen in ein neues Zuhause als im Jahr zuvor. Lebten laut Statista 2019 rund 14,7 Millionen Katzen in deutschen Haushalten, waren es 2020 rund 15,7 Millionen Stubentiger.

Auch dieser Stubentiger bekam bei den Pardemanns ein neues Zuhause. Foto: Silvia Passow

Es wird eng beim Tierarzt

Durch die hohe Anzahl neuer Tiere kam es zu Engpässen in Tierarztpraxen, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. Das führte zu geringeren Kapazitäten bei den Kastrationen, heißt es hier weiter. Landen diese Katzen auf der Straße, ist neues Katzenelend vorprogrammiert. Aussetzten oder ins Tierheim abgeben, scheint nun der neue Trend zu sein. „Es gibt immer mehr Straßenkatzen, die entlaufen sind, zurückgelassen oder ausgesetzt wurden und sich unkontrolliert vermehren. Die Lage hat sich teilweise dramatisch zugespitzt und bringt Leid für die Katzen sowie große Herausforderungen für die Tierheime mit sich“, erklärt Dr. Moira Gerlach, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund.

Auch diese Katzenschönheit und ihre Kitten bekam durch den Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland eine neue heimat. Foto: Silvia Passow

Die kleinen Tierschutzvereine geraten an ihre Grenzen

Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch im Osthavelland ab. Hier kämpft der Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland an vorderster Front gegen die Katzenvermehrung auf den Straßen. In diesem Jahr rechnet man dort erstmalig mit Kosten im fünfstelligen Bereich für die Kastration der Straßenkatzen.

Allein das Einfangen der Katzen kann dauern, dafür braucht es couragierte Helfer/innen. Foto: Silvia Passow

Mit kastrieren allein ist es nicht getan

Katzen einfangen, was sehr viel leichter klingt als es ist, kastrieren, die Nachsorge. Während Kater oft noch am gleichen Tag wieder in die Freiheit zurückdürfen, braucht die Wundheilung bei der Katze länger. Sie benötigt für mehrere Tage eine Pflegestelle. Der anspruchsvollere Eingriff kostet bei der Katze entsprechend mehr. Zwischen 4300 Euro und 6300 Euro im Jahr bewegten sich meist die Kastrations-Kosten für den Verein, der bei seiner Arbeit zwar finanziell vom Landkreis unterstützt wird, aber erst einmal in Vorleistung gehen muss. 2019 fiel schon einmal mit rund 9100 Euro auf. 127 Katzen und Kater wurde in diesem Jahr kastriert. 94 Tiere waren es 2015, 77 im Jahr 2016, 93 in 2017 und 78 im Jahr 2018. In diesem Jahr sagt Monika Kruschinski, Tierärztin und Vorsitzende des Vereins sind es bereits mehr als 200 freilebende Katzen, deren Kastration vom Verein organisiert wurde. Dabei hat der Verein noch Glück, die für den Verein aktiven Tierärzte nehmen die Kastrationen für den Verein zu Sonderkonditionen vor, sagt Kruschinski und betont: „Das ist nicht selbstverständlich.“

Manchmal werden Fütterungsstellen wie hier von den Tierschützern besucht, die Katzen eingefangen, kastriert, je nach Aufwand und Geschlecht versorgt und wieder freigelassen. Foto: Silvia Passow

Manche Orte sind den Tierschützern wohl bekannt

Was die Tierärztin besonders ärgert, es sind immer wieder die gleichen Orte, in denen streunende Katzen gesichtet werden. Meist im ländlichen Bereich, auf den Dörfern, seltener in den Städten. Bredow und Bredow-Vorwerk sind den Tierschützern als wilde Vermehrungsorte bekannt. Genauso wie die zu Nauen gehörenden Dörfer.

Wenn möglich werden die Katzen vermittelt, das geht nur mit Katzen, die an Menschen gewöhnt sind und mit Kitten. Foto: Hartmut Vehlber

Kastrationspflicht bleibt Forderung

Zum Kastrieren der Katzen kann man niemanden zwingen, es sei denn, Kommunen oder Landkreise führen eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigänger-Katzen, für die viele Tierschützer immer wieder plädieren. 

Auch dieses Kitten konnte vom Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland vermittelt werden. Foto: Silvia Passow

Bessere Aufklärung zur Kastration erforderlich

Warum gerade in ländlich geprägten Bereichen so viele herrenlose Katzen unterwegs sind, ist schwer zu sagen. Vielleicht weil es früher hieß, die kastrierte Katze fängt nicht so viele Mäuse? Die Annahme ist widerlegt, wie Birgitt Thiesmann, Heimtierexpertin der Tierschutzorganisation „VIER PFOTEN“ auf der Website der Organisation schreibt. Auch die Sorge, ohne Nachwuchs keine Katzen mehr auf dem Hof zu haben, kann der Verein mit Hinweis auf die stets gut gefüllten Tierheime nehmen.

Käthe, wurde mit ihren Geschwistern Jimmy und Molly vom Tierschutzverein aufgenommen und vermittelt. Foto: Silvia Passow

Mehr Arbeit, weniger Einnahmen

Die Tierheime und Tierschutzorganisationen trifft es unter Pandemie doppelt. Sie haben mehr Arbeit bei gleichzeitig weniger Spenden. Möglichkeiten zum Spendensammeln, wie Weihnachtsmärkte, sind durch Corona auch in diesem Jahr weggefallen.