Kälbchen „Lena“ auf Transporter geboren – Animals‘ Angels berichtet im Untersuchungsausschuss zu Tiertransporten

Pressemittelung von Animals Angels vom 23. Juni 2021

Langstreckentransporte von schwangeren Jungkühen werden derzeit heiß diskutiert. Zu Recht – wie Recherchen von Animals‘ Angels zeigen. Die Vorsitzende von Animals‘ Angels, Julia Havenstein, berichtet bei der Anhörung des „ANIT“ Untersuchungsausschusses des EU-Parlamentes u.a. vom letzten Einsatz in Zentralasien. Dort ist während der fast zehntägigen Fahrt von Dänemark nach Usbekistan ein Kälbchen auf dem Transporter zur Welt gekommen.

Animals‘ Angels begegnet an der Grenze zu Usbekistan insgesamt fünf Lkws, beladen mit schwangeren Jungkühen aus Dänemark. Die Tiere sind sichtlich erschöpft von dem nun mehr neun Tage andauernden Transport.

Auf einem Lkw ist eine zusätzliche Trennwand eingezogen worden. Der Grund: Ein Kälbchen. Irgendwo zwischen Russland und Kasachstan ist das Kälbchen auf dem Lkw geboren worden. „Lena“ haben die Fahrer sie genannt, weil sie genau wie Lenin am 22.04. zur Welt kam. Der abgesonderte Bereich hat Lena wahrscheinlich das Leben gerettet. Ihre Mutter hätte sie nicht vor der Enge auf dem Transporter und den Tritten der anderen Kühe schützen können. Über 1.000 km wurden Mutter und Kind kurz nach der Geburt weiter transportiert. Ein klarer Verstoß gegen die EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005, die bei Langstreckentransporten auch über die EU-Grenzen hinaus gilt. Doch wer soll es kontrollieren? Ein generelles Problem bei Tiertransporten in Staaten außerhalb der Europäischen Union.

Laut der EU-Verordnung[1] ist es erlaubt, tragende Tiere zu transportieren, sofern sie nicht 90 Prozent oder mehr ihrer Trächtigkeit hinter sich haben. Besonders beim Transport von ‚Zucht’tieren befinden sich diese in der Regel im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Deswegen fordert Animals‘ Angels die EU-Gesetzgeber auf den Transport von werdenden Tiermüttern zu unterbinden.

„Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Transport ein enormes Risiko für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kuhmutter und des ungeborenen Kalbes darstellt“, erklärt Havenstein den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zum Schutz der Tiere während des Transportes. Die tragenden Tiere leiden unter Mangelversorgung mit Futter und Wasser, Enge und Stress. Das alles erhöht die Wahrscheinlichkeit für Stoffwechselstörungen, Infektionen, Fehl- und Frühgeburten. Dadurch kann sich der Zustand der Tiere auf dem Transport schnell verschlechtern.

Bei der Geburt von Lena kommt erschwerend hinzu, dass der Trächtigkeitsstatus vor Antritt der über mehr als 5000 Kilometer langen Fahrt nicht ausreichend geprüft worden ist. Dass dies kein Einzelfall ist, konnte Animals‘ Angels an mehreren Beispielen aufzeigen. 

Bereits nach den ersten hundert Kilometern konnte Animals‘ Angels den Zustand der Tiere und die Transportbedingungen auf vier dieser Lkws in Deutschland inspizieren. Schon da fällt auf: Die Tiere stehen eng und die Deckenhöhe ist für einige großgewachsene Kühe zu niedrig. Nur wenige Zentimeter trennen ihre Rückenlinie von der Metalldecke. Sie können den Kopf nicht heben. An der Rundung der Bäuche ist deutlich zu erkennen, dass es sich um schwangere Tiere im fortgeschrittenen Stadium handelt. Trotzdem ist die Ladedichte nicht verringert worden.

Eine Anpassung an die besonderen Erfordernisse dieser Tiere ist zwar nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 gesetzlich vorgeschrieben[2], aber es fehlen konkrete Angaben. Deswegen findet dieser Paragraph in der Praxis kaum Anwendung – auf Kosten der transportierten Tiere und ihrer ungeborenen Kinder.

Havenstein appelliert an den Untersuchungsausschuss der EU-Kommission die Regel zum Transport von trächtigen Tieren deutlich zu verschärfen: Mehr Platz und Einstreu, eine geregelte Versorgung mit Futter und Wasser, Schutz vor extremen Temperaturen und eine Reduzierung der Transportzeit auf 4 Stunden. Auch sollten die Tiermütter maximal 40 Prozent ihrer Trächtigkeit absolviert haben, um als „transportfähig“ zu gelten.

Havenstein: „Gerade beim Transport werden die wirtschaftlichen Interessen oftmals über die speziellen Bedürfnisse der schwangeren Tiere gestellt.“ Im Zuge der Revision der EU-Verordnung hat jetzt die EU-Kommission die Gelegenheit das zu ändern und sich für die Tiere einzusetzen.


[1] EUR-Lex – 32005R0001 – EN – EUR-Lex (europa.eu): VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2005 DES RATES über den Schutz von Tieren beim Transport, Anhang I, Kapitel I

[2] EUR-Lex – 32005R0001 – EN – EUR-Lex (europa.eu): VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2005 DES RATES über den Schutz von Tieren beim Transport, Anhang I, Kapitel VII, B

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