Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 26. Mai 2021
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutsche Tierschutzbund und Greenpeace haben wegen des qualvollen Todes von über 56.000 Schweinen durch den Brand der Schweinezuchtanlage in Alt Tellin am 30. März 2021 eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Stralsund erstattet und einen Strafantrag gestellt. Die Strafanzeige und der Strafantrag richten sich gegen die Betreiber der Megastallanlage bei Anklam, die 2010 für 10.458 Muttersauen und 35.000 Ferkelaufzuchtplätze sowie etwa 17.000 Saugferkel genehmigt wurde sowie gegen unbekannt.
Die Antragsteller werfen der Betreiberin LFD-Holding mit Sitz in Sachsen-Anhalt vor, den tausendfachen Tod der Tiere im Brandfall von vorherein in Kauf genommen und keine ausreichende Vorsorge für den Brandfall getroffen zu haben. Die Anzeige richtet sich ebenfalls gegen „unbekannt“, weil nicht nur die Betreiberin, sondern auch Aufsichts- und Genehmigungsbehörden eine wirkungsvolle Brandbekämpfung und Tierrettung nicht sichergestellt hätten. Dazu haben AbL, BUND und Tierschutzbund über 17 Ergänzungen und Änderungen von Brandschutzgutachten und Brandschutzkonzepten sowie die Korrespondenzen zum Widerspruch und die Klageschriften des BUND ausgewertet.
Gutachter des BUND und der Anwohner hätten schon auf dem Erörterungstermin im Genehmigungsverfahren 2009 vorgetragen, dass im Brandfall weder ausreichende Feuerwiderstandsklassen der Gebäude noch geeignete Rettungsmöglichkeiten für die Tiere berücksichtigt wurden. Auch wurden keine ausreichenden Kapazitäten der Feuerwehr vorgesehen. Behörden und Betreiber hätten dagegen auch später vor Gericht im Klageverfahren des BUND widersprüchliche Angaben gemacht. So sollten die Schweine zunächst mit hoher Laufgeschwindigkeit die brennende Anlage von alleine verlassen. Später wurde ein Konzept zur Rettung der Tiere von den Betreibern der Anlage gänzlich abgelehnt und behauptet, dass jeglicher Brand nach Entdeckung durch einen Detektor in 10 Minuten gelöscht werden könne.
Rechtsanwalt Ulrich Werner: „Der Tod von 56.000 Tieren hat leider gezeigt, dass eine Tierrettung von vornherein nicht möglich war. Diese fehlende Rettungsmöglichkeit hat der BUND bereits 2009 im Genehmigungsverfahren konkret aufgezeigt und gutachterlich unterlegt. Dennoch wurde die Genehmigung erteilt und die Anlage in Betrieb genommen. Nunmehr muss die Staatsanwaltschaft beurteilen, ob der Anlagenbetrieb ohne ausreichenden Brandschutz und dessen Ermöglichung durch die zuständigen Behörden und Gutachter den Straftatbestand einer Tötung von Tieren ohne vernünftigen Grund erfüllen.“
Dr. Stefanie Zimmermann, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund: „Eine Anlage mit einer Tierzahl in dieser Größenordnung in Kombination mit dem unzureichenden Brandschutzkonzept machen eine Rettung vieler Tiere im Brandfall unmöglich. Rauchentwicklung und Hitze führen zu Stress und Panik bei Schweinen. Die hohe Tierzahl, ungenügendes Personal und die fehlenden Evakuierungsmöglichkeiten in der Anlage von Alt Tellin machten ein Austreiben der Tiere ins Freie schwierig bis unmöglich. Hinzu kam die tierschutzwidrige Fixierung tausender Sauen in Kastenständen, aus denen sie sich nicht selbst befreien konnten und in denen sie den Flammen und dem Rauch hilflos ausgeliefert waren. Ein Austreiben aus Kastenständen ist angesichts der Panik unter den Tieren, der hohen Tierzahl und aufgrund des wenigen Personals ein unrealistisches Szenario.“
Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Es ist eher ungewöhnlich, dass eine Umwelt- und Tierschutzorganisation zusammen mit einer bäuerlichen Interessenvertretung eine gemeinsame Strafanzeige stellt. Für die AbL sind aber BUND und Deutscher Tierschutzbund zusammen mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in der Region Alt Tellin nicht nur gemeinsame Bündnispartner gegen industrielle Tierhaltung. Wir kämpfen vielmehr seit Jahren mit Bäuerinnen und Bauern für eine flächendeckende artgerechte Tierhaltung. Sie wird z.B. auf bäuerlichen Neuland-Betrieben wirtschaftlich erfolgreich praktiziert und von unseren Verbänden unterstützt. Die Verantwortlichen in Bund und Land sind jetzt aufgefordert, den notwendigen Umbau der Tierhaltung politisch und finanziell unverzüglich auf den Weg zu bringen. Die Brandkatastrophe und das unfassbare Tierleid in Alt Tellin setzen das Signal für den Stopp der industriellen Tierhaltung. Wer das nicht kapiert, verdient unsere Wahlstimme nicht.“
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND M-V: „Ziel der Strafanzeige und des Strafantrages ist es, die Erkenntnisse der BUND aus dem Genehmigungsverfahren und den Vorträgen beim Verwaltungsgericht Greifswald in die staatsanwaltlichen Ermittlungen zum Brand einzubringen. Die Fehler der Genehmigungsbehörden und der Aufsichtsbehörden müssen auch in anderen Genehmigungen für industrielle Tierhaltungsanlagen berücksichtigt werden. In Genehmigungen für anderen Schweineanlagen ohne Auslauf und auf Vollspaltenböden über Gülle und auch in den Riesenställen für bis zu 200.000 Masthähnchen auf Einstreu sind Brandgefahren und Tierrettung bisher systematisch übergangen worden.“
Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace: „Wir sind davon überzeugt, dass diese industrielle Schweinezuchtanlage in Alt Tellin so nie hätte gebaut und genutzt werden dürfen. Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die politisch und rechtlich für diese Fehlentwicklung und für das elendige Sterben der Tiere in Alt Tellin verantwortlich sind zur Rechenschaft gezogen werden. Ein rigoroser Umbau der Nutztierhaltung hin zu artgerechten und überschaubaren Einheiten ist unabdingbar. Die Klage soll dabei helfen den Umbau zu beschleunigen und das Ende gleichartiger Mega-Ställe voranzubringen.“