Auenrenaturierung: Erfolgskontrollen nach 20 Jahren zeigen gemischtes Bild

Pressemitteilung des Bundesamtes für Naturschutz vom 17. März 2021

Naturnahe Auen sind für die biologische Vielfalt von hohem Wert Wie hat sich die biologische Vielfalt in renaturierten Auen ca. 20 Jahre nach der Renaturierung entwickelt? Das hat das Bundesamt für Naturschutz in vier Projektgebieten an den Fließgewässern Hase, Berkel, Weser und Oster untersuchen lassen. Die Ergebnisse des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens zur Auenrenaturierung sind jetzt in der Reihe BfN-Skripten erschienen. Die Gesamtbilanz im Hinblick auf den Wert der Gebiete als naturnahe Inseln in der intensiv genutzten Kulturlandschaft ist durchweg positiv. Eine größere Auendynamik, bei der durch Hochwasser immer wieder neue, sich stetig wandelnde Lebensräume für auentypische Arten entstehen, ließ sich aber nur auf wenigen Teilflächen erreichen. Ursache ist vor allem die Eintiefung der Gewässer, die in der Folge nur noch selten über die Ufer treten.

„Über die langfristigen Auswirkungen von Renaturierungsprojekten ist bislang nur wenig bekannt. Eine Analyse wie die jetzt vorliegende, die sich auf Nachkontrollen im Abstand von 20 Jahren in vier renaturierten Flussauen stützen kann, hat Seltenheitswert und liefert uns eine wichtige Datengrundlage“, sagt BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. „Die Ergebnisse der Untersuchungen machen deutlich, dass sich der Einsatz für eine naturnahe Gewässer- und Auenentwicklung lohnt, dabei aber noch stärker als bisher versucht werden sollte, Auenrenaturierungen künftig auf größerer Fläche umzusetzen und dynamische Prozesse wieder zuzulassen. Die Studie zeigt, dass dabei noch mehr als bisher der Zustand der die Aue formenden Fließgewässer berücksichtigt werden muss.“

An HaseBerkel, Weser und Oster sind im Zeitraum von 1988 bis 2004 Teile der Auen renaturiert worden. Die vier Projekte wurden vom BfN als Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E+E) gefördert und waren von mehrjährigen wissenschaftlichen Erfolgskontrollen begleitet. Die dabei gewonnenen Daten wurden jetzt genutzt, um die längerfristigen Wirkungen der Renaturierung zu überprüfen. Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Osnabrück hat die wissenschaftliche Untersuchung der renaturierten Gebiete in begrenztem Umfang noch einmal wiederholt. Ziel war es, die Entwicklung der Biodiversität zu ermitteln und die Erfahrungen, die sich aus einer ca. 20-jährigen Entwicklung renaturierter Auen ergeben, für künftige Auenrenaturierungen übergreifend auszuwerten.

Ergebnisse

Die Gebiete haben sich als naturnahe Inseln in der intensiv genutzten Kulturlandschaft sehr positiv entwickelt. Die allgemeine Biotopausstattung hat sich in allen Projektgebieten verbessert. Die Ausbreitung hochwüchsiger Vegetation wie Brachen, Hochstauden und Röhrichte sowie die Pflanzung von Auengehölzen und spontaner Gehölzaufwuchs führten zu einer neuen Vielfalt der Vegetationsstruktur. Langfristig profitiert haben vor allem Arten ohne besonderen Auenbezug, die typisch sind für strukturreiche, extensiv genutzte Kulturlandschaften mit eingestreuten Brachflächen, Gehölzen und Stillgewässern. Die Wiederansiedlung auentypischer Arten und Biotope konnte für die Teilbereiche nachgewiesen werden, in denen tatsächlich eine größere Auendynamik durch Maßnahmen wie Altarmanbindung oder Rückbau von Uferversteinungen erreicht wurde. Zwar waren die Renaturierungen grundsätzlich geeignet, eigendynamische Prozesse in Gang zu setzen, konnten ihr Potenzial aber nur begrenzt entfalten. Hauptgrund ist, dass die Gewässer sich als Langfristfolge von Begradigung und Uferbefestigung eingetieft haben und nur noch selten über die Ufer treten können. Eine solche Entwicklung lässt sich nur begrenzt wieder rückgängig machen und umfangreichere Maßnahmen zu diesem Zweck waren aufgrund vielfältiger gesellschaftlicher Nutzungsansprüche kaum umsetzbar.

Die bei den Untersuchungen zu Tage getretenen Hindernisse und Defizite bei der langfristigen Entwicklung von renaturierten Flussauen spiegeln in vielen Punkten die Situation an Flüssen und Bächen in Deutschland wider. Renaturierungsmaßnahmen in Auen sollten in Zukunft dafür sorgen, dass über die Verbesserung des Landschaftsbildes und des Arteninventars hinaus auch mehr Spielraum für die Auendynamik und eine auenspezifische Biodiversität entsteht. Noch mehr als bisher muss dabei der Zustand der die Aue formenden Fließgewässer berücksichtigt werden. Die Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ sind Instrumente, die in diesem Sinne genutzt werden können.

Das Projekt mit dem Titel „Erfolgskontrolle von abgeschlossenen E+E-Vorhaben zur Auenrenaturierung“ wurde von der Universität Osnabrück durchgeführt und aus dem Fördertitel für Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben mit Bundesmitteln in Höhe von 727.000 Euro gefördert.

Hintergrund: Auenrenaturierung

Die Auen der Flüsse und Bäche werden bei Hochwasser in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen überflutet, sofern Schutzdeiche dies nicht verhindern und die Gewässer nicht zu stark eingetieft sind. Was von den Anwohner*innen je nach Ausmaß des Hochwassers als starke Beeinträchtigung oder als Katastrophe erlebt wird, ist für die Natur eine Quelle stetiger Erneuerung und einer reichen biologischen Vielfalt. Wo Platz dafür ist, entstehen bei jedem Hochwasser neue Lebensräume, die oft nur bis zum nächsten Hochwasser Bestand haben und dadurch immer im Wandel begriffen sind, ein Vorgang, der in der Fachwelt als Auendynamik bezeichnet wird. In Deutschland ist ein großer Teil der Fließgewässer so stark ausgebaut und die Auen sind so intensiv in Nutzung genommen worden, dass Überflutungen auf großer Fläche nur noch selten stattfinden. Diese für den Menschen zunächst scheinbar nutzbringende Entwicklung hat in den letzten Jahrzehnten ihre Schattenseiten gezeigt. Der starke Verlust von natürlichen Auenlebensräumen und der dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten geht oftmals einher mit dem Verlust natürlicher Überschwemmungsflächen, die gerade bei großen Hochwassern für den Hochwasserschutz dringend gebraucht werden. Auch verringert sich durch den Ausbau der Flüsse der Erholungs- und Erlebniswert für die Menschen vor Ort. Seitdem dies offenkundig geworden ist, wird an vielen Stellen versucht, Flussauen zu renaturieren. Gering ist allerdings die Zahl der Auenrenaturierungsprojekte, deren Wirkung auf die biologische Vielfalt über mehrere Jahre hinweg wissenschaftlich untersucht worden ist. Über die langfristigen Auswirkungen der in solchen Projekten durchgeführten Maßnahmen ist bislang oft nur wenig bekannt

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