Alle Vögel sind nun weg

Ein Mann will Vögel mit Ultraschall verscheuchen. Doch nicht nur die Vögel scheinen sich an den Tönen zu stören

Text: Silvia Passow

Falkensee.  Seit einigen Tagen trauen sich die Spatzen wieder in die Futterhäuser. Christiane Seja hat im Garten kunstvoll gefertigte Futterplätze für die Piepmätze. Dazu hängen Meisenknödel von den Ästen der Sträucher. Unberührt, die Meisen, die sonst den Garten bevölkerten, trauen sich nicht zurück, so wie die anderen Singvögel ebenfalls den Garten meiden. Die Abwesenheit der Vögel ist gewollt, nicht von Seja, sie füttert die Vögel. Es ist ihr Nachbar, der sich augenscheinlich durch die Tierchen gestört fühlt und drei sogenannte „Vogelschreck“ an seinen Fenstern installierte. Mit Ultraschall sollen die Geräte, jedes etwas so groß wie eine Zigarettenschachtel, die Vögel vertreiben.

Die Vogelhäuschen in diesem Garten sind eine wahre Pracht. Sie verraten, hier sind die Vögel wirklich willkommen. Anscheinend sieht das nicht jeder Hausbewohner so.
Foto: Silvia Passow

Seja zog mit ihrem betagten Kater im März in die Erdgeschosswohnung mit Garten eines Mehrfamilienhauses, nahe der Rotunde. Ihr Kater nahm das neue, von ihr liebevoll gestaltete Refugium an, die Katzen der Nachbarschaft schauten bei dem freundlichen, roten Kater vorbei. Seja, die sich selbst als sehr tierlieb beschreibt, verteilte künstlerisch gestaltete Futterplätze im Garten, schaute gern den Vögeln zu, lauscht dem Zwitschern. Nachbarn, die sich ebenfalls an den gefiederten Besuchern erfreuten, stellen ihr Vogelfutter vor die Tür, erzählt sie. Und dann, eines Tages im Oktober war es still, man konnte die Vögel zwar von weitem hören, in ihren Garten kam jedoch kein Vogel mehr. Und auch der Katzenbesuch aus der Nachbarschaft blieb aus. Eher durch Zufall kam sie der Ursache auf dem Grund. Eine Nachbarin rief die Polizei, weil an der ihr gegenüberliegenden Wohnung, ein grünes Licht an einem kleinen Kasten aufleuchtete. Sie meinte, der Nachbar würde sie filmen, die eintreffenden Beamten konnten keine Filmaufnahmen bestätigen. Was da am Fenster leuchtete, war ein sogenannter Vogelschreck. Ein Gerät, von dem die Hersteller versprechen, dass es Vögel, insbesondere Tauben, verjage. Tauben, sagt Seja, sind auch schon mal an den Futterstellen, aber eher selten. Seja entdeckte insgesamt drei solcher Geräte an den Fenstern des Nachbarn und meldete dies der Hausverwaltung. „Die Hausverwaltung hat ihn aufgefordert, die Geräte zu entfernen“, sagt Seja. Erst entfernte er zwei Geräte, dann hängte er eines wieder auf. Seja fürchtet, nicht nur die Vögel nehmen Schaden durch die Geräte, auch sie selbst klagt über Kopfschmerzen und das Ausbleiben der Nachbarskatzen bringt sie ebenfalls mit den Ultraschallgeräten in Zusammenhang.

Der Vogelschreck verschreckte die Spatzen, zunächst. Doch schon bald gewöhnen sich die frechen Piepmätze an das Geräusch. Doch nicht alle Lebewesen können sich daran gewöhnen.
Foto: Pixabay

Für Dr. Eberhard Schneider vom Vogelschutz-Komitee ist es fraglich, ob und wenn ja welche, Vogelarten überhaupt auf Ultraschall reagieren. Er hält die Geräte aus Tierschutzsicht dennoch für bedenklich, wie er auf Anfrage mitteilt. Denn für Hunde könnten bestimmte Frequenzen schmerzhaft sein, möglicherweise könnte die Orientierung von Fledermäusen unter dem Einsatz solcher Geräte leiden. Wissenschaftliche Studien könnten für mehr Klarheit sorgen. Dem schließt sich der Deutsche Tierschutzbund an, auch aus Sicht der Tierschützer sind noch zu wenig Studien verfügbar. Allerdings gibt es Hinweise, dass die Schallwellen anderen Tieren schaden können. Für Tauben hat man inzwischen beobachtet, dass sich die Tiere recht schnell an die Schallwellen gewöhnen, gibt der Tierschutzbund Auskunft.  Doch „jedes Wildtier hat ein arteigenes Hörvermögen und die unterschiedlichen Frequenzen der Geräte können sich auch unterschiedlich auf das Gehör der unterschiedlichen Spezies auswirken. Da nicht auszuschließen und auch anzunehmen ist, dass manche Tiere die hoch- oder tieffrequentierten Töne und den Schalldruck als unangenehm empfinden oder sich in ihrem arteigenen Verhalten gestört fühlen, können wir auch die Verwendung solcher Instrumente nicht befürworten. Bei Fledermäusen fanden Wissenschaftler beispielsweise heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Abnahme der Jagdaktivität und der Verwendung von Ultraschall-Vergrämungs-Instrumenten an Windenergieanlagen gab“, beantwortet man die Anfrage beim Tierschutzbund.

Fledermäuse orientieren sich mit Schallwellen. In wie weit Geräte, die Ultraschalltöne verbreiten sie dabei stören, ist unklar.
Foto: Pixabay

Inwiefern Fledermäuse in diesem Fall beeinträchtigt werden, wäre zu beobachten. Dass es hier zwischen der Lake und dem Falkenhagener See im Sommer Fledermäuse gibt, bestätigt eine Nachbarin.

Hunde hören noch ganz andere Frequenzbereiche als Menschen. Möglicherweise können die ausgesendeten Wellen für sie unangenehm, möglicherweise sogar schmerzhaft sein.

Warum werden solche Geräte überhaupt genutzt? In der Landwirtschaft werden sie eingesetzt, Obst- und Weinanbauer wollen damit ihre Früchte schützen. Seja sagt, sie habe gehört der Nachbar fühle sich durch den Vogelgesang gestört. „Ich verstehe allerdings nicht, warum man dann im Grünen leben möchte“, fügt sie hinzu. Eine Anfrage der Autorin an den Nachbarn bleibt unbeantwortet. Auch Schneider vom Vogelschutz-Komitee kennt solche Fälle. Nachbarn, die aufs Land ziehen und sich über quakende Frösche beschweren. In Falkensee beschwerten sich Nachbarn über die Haltung von Ziegen und Schafen, in einem Stadtrandgebiet. Die Vögel lassen sich das Singen nicht einfach so verbieten, und zwitschern sie im Umfeld der Rotunde unbeeindruckt weiter.

Hier steckt viel Liebe und gutes Futter drin. Und hoffentlich kommen auch bald die anderen Vögel zurück.
Foto: Silvia Passow

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