Die etwas andere Baumschule

In der Forstschule Finkenkrug wird am Geschichtsträchtigen Ort Wissen vermittelt

Falkensee.  Bestimmt kennen viele Falkenseer die Auffahrt und das Schild, das für einen sorgsamen Umgang mit dem Wald ermahnt, an der Karl-Marx-Straße, nahe dem Bahnhof Finkenkrug. Wer den Abstecher wagt, den führt der Weg in einen waldartigen Vorgarten, der das Haus mit dem Fachwerkgiebel, das oben auf dem Hügel thront, umgibt. Die Forstschule Finkenkrug bringt einen Hauch von Heidi-Land ins sonst eher wenig alpine Falkensee. Draußen Waldidyll, in dem aus Holz geschnitzte Figuren stehen, Pilze, Igel, Bäumchen, ein Fink, der auf einem Krug sitzt.

Kleine Kunstwerke aus dem Holz der Umgebung geschnitzt stehen im garten der Forstschule Finkenkrug.

Eine Mitarbeiterin der Forstschule verarbeitet auf diese Weise, was die großen Stürme aus dem Jahr 2017 abholzten. Drinnen steht die Zeit ein wenig still. Geweihe und ausgestopfte Tiere an den Wänden und im Gästehaus gegenüber mischen sich der ursprüngliche Charme des Gebäudes mit DDR-Pragmatismus. Das Gästehaus war früher Pferdestall und Garage, unten standen die Kutschen und oben schlief der Kutscher. Heute übernachten hier die angereisten Gäste, erzählt Dr. Ralf Gruner. Wenigstens war das vor Corona so. Der 57jährige Gruner ist als Leiter des Fachbereiches Aus- und Fortbildung der Hausherr in der Forstschule.

Waldidyll in Finkenkrug, die Forstschule

Die Königliche Oberförsterei Falkenhagen gab den Auftrag zum Bau der schmucken Villa, 1914 wurde das Haus auf dem Hügel fertiggestellt. Die Jagdtrophäen an den Wänden stammen nicht alle aus den umliegenden Wäldern. Einige der Geweihe und präparierten Tierköpfe sollen aus dem Schloss Sacrow stammen. Aus Angst vor Plünderungen haben Forstschüler sie von dort nach Finkenkrug geholt, erzählt Gruner. Das Schloss nahe Potsdam war ab 1938 Dienstsitz und Wohnung des Generalforstmeisters Friedrich Alpers.

Die Jagdtrophäen wirken wie aus der Zeit gefallen. In ein Forsthaus mögen sie passen, ihre Geschichte sucht noch nach Erleuchtung.

Alpers war Mitglied der NSDAP und soll an Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt gewesen sein. Er war bekannt, wenn nicht vielleicht sogar befreundet, mit dem verurteilten NS-Verbrecher Hermann Göring. Göring war bekannt als Kunsträuber und Jäger, war Reichsjägermeister. Einige der Geweihe tragen Stempel mit Daten und Orte, die auf Norwegen nach der deutschen Besetzung hindeuten. Gruner vermutet, dass die Trophäen von gemeinsamen Jagdausflügen stammen könnten. Er selbst würde die Trophäen gern nach Sacrow zurückgeben. Bis es so weit sein könnte, wachen Elchschädel und Keilerkopf über den Kopierer.

Seltsames Erbe aus Sacrow, einige der Jagdtrophäen scheinen aus dem Norden zu stammen.

Wie dagegen das Gemälde von Renz Waller in die Forstschule kam ist ungeklärt. Waller war Tiermaler, bekannt wurde er jedoch durch seine Erfolge in der Falknerei, dafür bekam er sogar das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse verliehen. Im gleichen Raum hängt ein gemaltes Bildnis der Forstschule. Das Bild fand seinen Weg in die Forstschule, als es im Nachlass des Forstmeisters Baumert gefunden wurde. Baumert war in den letzten Kriegstagen vor den Russen geflüchtet, die ihn mit Haftbefehl suchten. Die Geschichte seiner Flucht hatte er aufgeschrieben, die handschriftlichen Notizen und das Bild schickten die Erben an Gruner, der es nun in Ehren hält. Ebenso wie die Einzelstücke des Geschirrs, offenbar Sondereditionen mit weihnachtlichen Motiven und die Chronik der Forstschüler. Handgeschrieben, akkurat und so sauber, dass allein der Anblick der Zeilen ehrfürchtig werden lässt.

Dr. Ralf Gruner mit den Zeugen der Geschichte des Ortes. Die Chronik wird er vielleicht selbst weiterschreiben, überlegt er. Das Geschirr aus der Nachkriegszeit hält er in der Forstschule in Ehren.

Nach Kriegsende diente das Gebäude weiter als Forstamt, dann erfolgt schließlich die Umwidmung in die Aus- und Fortbildungsstätte für die Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe der DDR. Von 1959 an werden in der Forstschule überwiegend Führungskräfte der Staatlichen Forstwirtschaft fortgebildet. In dieser Zeit spielte Zimmer 14 im Gästehaus eine besondere Rolle. Die Historikerin Ines Oberling fand heraus, dass dieses Zimmer ein konspirativer Treffpunkt für die Kräfte der Staatssicherheit und deren Informanten war. Nur Zimmer 14 war eine Zeit lang nicht auffindbar. Inzwischen hat Gruner das Zimmer gefunden. Eine gut zu übersehende Nische im Gästehaus verbarg die Tür zu Zimmer 14. Dahinter sieht alles so aus wie in einem Schullandheim. Sparsame Einrichtung, saubere Betten, Blick ins Grüne, es schleicht sich prompt Duft nach Hagebuttentee in die Nase. Das Linoleum soll noch original DDR-Auslegware sein.   

Zimmer 14 wirkt kein bisschen geheimnisvoll, eher schlicht und gemütlich, mit dem Blick in den Wald.

In Finkenkrug werden die Forstleute fortgebildet. Die Ausbildung erfolgt in Kunsterspring bei Neuruppin. Die Ausbildung zum Forstwirt ist gut nachgefragt, sagt Gruner. Auf die vierzig Ausbildungsplätze bewerben sich 200 Interessierte. Die Arbeit in der Natur spricht viele junge Menschen an sagt er und fügt hinzu, dass auch die Tätigkeit am Computer einen beträchtlichen Anteil am Arbeitsalltag hat. Und die Aufgabe ist keine Kleinigkeit, geht es doch darum, den Wald zukunftsfit zu bekommen. Denn der Klimawandel macht den Wald zu schaffen, der gerade vorgestellte Waldzustandsbericht 2020 kündet davon, dem Wald geht es schlecht.

In der Forstschule werden die Forstwirte weiter gebildet.

Der Patient Wald braucht eine Art Generalüberholung, Waldumbau, nennen es die Fachleute, so auch Gruner. Gemeint ist, die drei Grundfunktionen des Waldes zu stärken. Das sind die Schutzfunktion für das Klima und die Gewässer, die Nutzfunktion, also die Ernte von Holz und auch das Erlangen von Wildbret. Und die Erholungsfunktion, erläutert Gruner. Denn den Holzbedarf vor Ort, sollte vor Ort gedeckt werden. In anderen Ländern den Wald zerstören, um den Wunsch nach schönen Holzmöbeln zu stillen, ist für Gruner keine Option. Nachhaltig muss das passieren, sagt er und auch das die Nachhaltigkeit eine Idee der Forstwirtschaft ist, die besagt, die Menge, die dem Wald entnommen wird, wird auch nachgepflanzt. Dabei sollte auf eine möglichst große Artenvielfalt gesetzt werden, sagt er weiter. Die sogenannten eingeführten, nicht heimischen Arten, würden er dabei nicht ausschließen wollen. „Etwa 10 Prozent des Baumbestandes sollte aus diesen neuen Arten bestehen“, sagt er. Denn einige dieser neuen Baumarten hätten sich bei den klimatischen Bedingungen bewährt, sagt er weiter.

Im waldartigen Außengelände kann der Besucher viele Baumarten kennenlernen. Dr. Gruner kann viel über die unterschiedlichen Bäume und ihre Bedeutung für den Wald erzählen.

Neben den Forstleuten möchte er auch andere Menschen für den Wald begeistern. Gruner begleitet das Projekt des Kinderstadtwaldes in Falkensee, welches von der Baumschutzgruppe Finkenkrug ins Leben gerufen wurde. Kinder und Jugendliche mit ihren Familien für den Wald interessieren, heißt den Wald schützen. Denn wer den Wald liebt, wird ihn nicht als Müllkippe nutzen, sagt er. Deshalb freut er sich auch über Besucher in der Forstschule. Eine Voranmeldung ist wünschenswert. Interessierte können sich für einen Besuch anmelden unter: 03322 243751.

Zur Idylle im Wald gehört auch ein Tümpelchen. Im Schatten der Bäume lässt es sich hier im Sommer bestimmt gut aushalten.

Text & Fotos: Silvia Passow

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