Vom Wert der Natur

Worin liegt der Wert eines Waldes? Im Holzpreis oder liegt der Mehrwert im dem, was ein Waldspaziergang bewirkt oder ein Lebensraum bedeutet?

Nauen.   Ein Spaziergang im Wald kann Erholung sein, oder Abenteuer oder Beides. Auf jeden Fall ist der Aufenthalt unter Baumkronen gesund, der Blutdruck sinkt, während die Schritte den weich gepolsterten Wegen folgen, öffnen sich die Sinne, die frische Luft belebt Lunge und Geist, das Immunsystem wird gestärkt. In Japan wird gestressten Stadtmenschen der Besuch des Waldes von Ärzten verordnet. Waldbaden nennt sich diese freundliche Therapie. In den Schatten des Waldes eintauchen, heißt aufgenommen werden, heißt Teil eines Lebensraumes werden, wenn auch nur auf Zeit. Bäume stellen keine Fragen, zumindest hören wir sie nicht.

Erholung findet der Waldspaziergänger hier eher nicht.
Foto: Silvia Passow

Die Frage, wieviel ist dies wert, stellt Tobias Mainda. Mainda kommt aus Nauen, studiert Naturschutz und der Grund für seinen Berufswunsch liegt auch im Nauener Stadtforst. Kindheit und Jugend hat er unter anderem zwischen den Bäumen verbracht, die zum Stadtforst der Funkstadt gehören. Deren Rohstoff Holz bessert die Stadtkasse auf. Die Kriterien, nach denen der Forst bewirtschaftet wird, unterliegen dem Streben nach Gewinn, nicht den Ansprüchen der Natur oder Bedürfnissen der Waldbewohner, sagt Mainda und fragt: „Muss ein Wald tatsächlich Gewinne abwerfen und wie viel sind die Qualitäten eines Waldes, fernab von dem was sich verkaufen lässt, wert?“

Auf die Bäume ihr Affen der Wald wird gepflügt……ach nee gefegt.
Foto: Silvia Passow

Der rund 1000 Hektar umfassende Stadtforst liegt nördlich der Stadt Nauen. Mit 42 Prozent dominiert die Kiefer im Wald, macht also fast die Hälfte des Baumbestandes aus. Auf Platz zwei rangiert, mit 16 Prozent, die Eiche. Birken und Buchen, Lärchen und Fichten machen zusammen 20 Prozent aus. Die letzten drei Jahre haben den Stadtforst sehr zugesetzt, sagt Stadtförster Thomas Meyer. Es regnete zu wenig, dies kostete den Bäumen ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Borkenkäfer & Co. Neben Buchen, Eichen, Kiefern und Lärchen will Meyer auch mit Roteichen und Douglasien aufforsten. Er begründet die Wahl der Arten mit dem Klimawandel. Aber gerade die aus Nordamerika stammende Douglasie passt nicht in den Nauener Forst, sagt Mainda. Der Nadelbaum Douglasie wächst schnell und das Holz von Nadelbäumen ist gefragt. Mainda glaubt, die Wahl von Bäumen wie Douglasie und Roteiche ist nicht von Vorteil für den Wald, sondern für die Stadtkasse. Dass die Bedürfnisse des Waldes den Vorrang haben sollten, sieht nicht nur Mainda so. Ein Teil des Stadtforstes, ist der sogenannte Leitsakgraben, das Gebiet ist als Fauna-Flora-Habitat (FFH) ausgewiesen. Damit steht es unter Schutz, eine Verschlechterung des Zustandes darf nicht herbeigeführt werden, besagt die FFH Richtlinie Natura 2000 der EU.

Die Waldsiedlung mit wenig Wald
Foto: Silvia Passow

Eine solche Verschlechterung sei beispielsweise eingetreten, als auf dem Gebiet Bäume gerodet und der Boden anschließend gepflügt wurde, sagt Mainda. Mit dem Fällen der Bäume verloren geschützte Arten, wie zum Beispiel darin lebende Käfer und Fledermäuse, ihr Zuhause. Die auf ihre Umgebung angepassten Arten verschwinden mit den Bäumen, sind sie einmal weg kommen sie nicht einfach zurück. Mainda ist regelmäßig im Nauener Stadtforst unterwegs, der Käfer wegen. Denn denen gilt seine eigentliche Aufmerksamkeit, Käfer als Indikator für ganze Lebensräume. Und weil ihm die kleinen Tiere imponieren. „Käfer findet man auf allen eisfreien Landmassen. Für den Wald sind sie enorm wichtig, sie räumen auf, graben um“, sagt er. Damit Käfer sich im Wald wohl fühlen, muss dieser Bäume unterschiedlicher Art und Alters haben. Junge Bäume, alte und tote Bäume gehören dazu, sagt er. Und: „In einem naturnahen Wald, unter normalen Bedingungen, kann keine Art dominant werden. Das gilt auch für Borkenkäfer“, sagt Mainda. Die große Zerstörung durch den Borkenkäfer offenbart für Mainda die Lücken in der Waldwirtschaft, so wie in Nauen betrieben wird.

Zu viel Sonnenlicht fällt nun auf den Waldboden und trocknet ihn aus
Foto: Silvia Passow

Seine Kritik äußert Mainda nicht zum ersten Mal, bisher meist erfolglos, doch nun sieht er einen Funken Hoffnung für den Wald. Denn Teile des Stadtforstes wurden im September als Naturschutzgebiet ausgewiesen.  Damit gelten für etwa ein Drittel des Stadtforstes nun die Vorgaben einer eigenen Naturschutzverordnung. Lange hatte sich die Stadt Nauen dagegen gewehrt und Einwendungen erhoben. Die Stadt hat nun ein Jahr Zeit, um Rechtsmittel einzulegen. Und die Zeit will man im Rathaus nutzen. Der Bürgermeister der Stadt, Manuel Meger (LWN), bereitet derzeit den Klageweg vor, wird auf Anfrage mitgeteilt. Denn Verwaltung und Stadtförster gehen von einer Unverhältnismäßigkeit gegenüber dem Waldeigentümer aus.

Nahe der Waldsiedlung sieht es nicht gut aus für den Wald.
Foto: Silvia Passow

Für Tobias Mainda kommt das nicht unerwartet, verstehen kann er es nicht. „Das ist gegen den Zeitgeist, gegen alles was wir gelernt haben sollten“, sagt er. Natürlich ist das Halten der Balance schwer, fügt er hinzu, aber machbar. Und dann hat er noch eine Idee. Wenn schon mit dem Wald Geld verdienen, warum dann nicht mit den lebenden Bäumen? „Wir haben hier touristische Schätze. Die müssen nur gehoben werden“, sagt er. „Im Wald findet sich immer etwas Spannendes. Im Wald ist immer was los.“

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