Zu Besuch in der Vogelschutzwarte Buckow
Nennhausen/Buckow. Etwas außerhalb der Ortschaft Buckow stehen die Gebäude der staatlichen Vogelschutzwarte, ein Besucherparkplatz, gesäumt von Apfelbäumen, deren Früchte rot in der Sonne leuchten. An der Hauswand begrüßt das übergroße Bildnis eines Kiebitzes. Der Agrarvogel steht für eine ganze Gruppe von Vögeln, deren Bestände sich im Rückgang befinden, sagt Dr. Torsten Langgemach, Leiter der Einrichtung. Das Motiv hat er sich für die sonst etwas kahl wirkende Hauswand ausgedacht.
Torsten Langgemach ist Tierarzt, hat Umweltschutz studiert und wenn man den 58jähriogen fragt, was genau denn nun in einer Vogelschutzwarte täglich passiert, sagt er einfach nur „Oh, vieles.“ Und ein Blick auf den Internetauftritt bestätigt die Aussage, die Aufgaben sind vielfältig. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern sammelt er Daten, „eine wertfreie Sammlung“, sagt er. „Wir stellen Zahlen zur Verfügung, koordinieren das Vogel-Monitoring“, erklärt er weiter. Die Grundlagen für die gerade erst neu überarbeitete „Rote Liste“, die Auskunft über den Gefährdungsstatus einzelner Brandenburger Vogelarten gibt, wurden hier erarbeitet. Dabei ist der Standort im Westhavelland perfekt, der Gülper See, Teil des größten zusammenhängenden Binnenfeuchtgebietes in Mitteleuropa, zieht unzählige Vögel an, ist bekannter Rastplatz und beliebtes Brutgebiet und liegt nicht weit entfernt. Im Sommer sind die Störche da, im Herbst kommen die Kraniche, verschiedene Gänsearten besuchen die Landschaft. Und dann sind da die Großtrappen, geschützt und ein Extra-Beitrag wert. Über den Äckern kreisen die Greifvögel, für Ornithologen, also Vogelkundler, hat das westliche Havelland einiges zu bieten.
Das schafft aber auch Konflikte zwischen den unterschiedlichen Akteuren und Landnutzern. So freuen sich Gänse über die jungen Triebe auf den Feldern, willkommene Futterquelle für die Vögel. Auch hier sind Langgemach und sein Team gefragt, Naturschützer und Landwirte an einen Tisch bringen, Lösungen finden, mit denen alle gut leben können, gehört ebenfalls zu seinen Aufgaben, sagt er. Und fügt hinzu, dass dies sehr viel leichter ginge, wenn er mehr Personal hätte. Um einen regelmäßigen Kontakt zu den Landwirten, Förstern und Fischern zu halten, braucht es eine entsprechenden Personaldecke, sagt er. Aber an Mitarbeitern fehlt es, am liebsten wären ihm Leute aus der Umgebung, die um die regionalen Herausforderungen wissen, die sich mit Land- und oder Forstwirtschaft auskennen. Zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, das ist die Mission, forschen, Daten und Erkenntnisse sammeln und daraus Maßnahmen ableiten. Und das geht, wenn alle es wollen.
Zu den großen Todesfallen für Vögel zählten einmal die Strommasten, erzählt Langgemach. Stromunfälle sind inzwischen seltener geworden, die Betreiber müssen die Leitungen isolieren, die sogenannten Mastköpfe vogelsicher machen. Dadurch haben die Todesfälle bei Weißstorch und Seeadler deutlich abgenommen. So 600 tote Seeadler wurden in den letzten dreißig Jahren gesammelt und die Daten ausgewertet.
Und so weiß man in Buckow jetzt so einiges um deren Todesumstände. Stromopfer spielen inzwischen kaum noch eine Rolle, sagt Langgemach. Windkraftanlagen, Straßenverkehr und illegale Tötungen sind die menschengemachten Todesursachen, die den Vögeln zum Verhängnis werden. Allerdings rät Langgemach gleich zur Vorsicht. „Das Aufrechnen der Ursachen macht keinen Sinn“, sagt er. Lösungen finden, wie sich diese tödlichen Unfälle vermeiden lassen dagegen schon. Bei den in diesen Zusammenhang vielgeschmähten Windkraftanlagen sind nicht nur die Rotoren für die Vögel gefährlich. Viele Vögel fliegen schlicht gegen die Masten und das endet allzu oft tödlich. Aber warum fliegen die Vögel da überhaupt gegen? Ist so ein Mast nicht eigentlich groß genug? Hier kann Dr. Langgemach die Erklärungen liefern. Da ist zunächst das Jagdverhalten. Denn tatsächlich ist gerade der Rotmilan ein häufiges Opfer solcher Kollisionen. „Wenn der Rotmilan über den Acker oder die Wiese fliegt schaut er nach unten, denn da unten auf dem Boden befindet sich seine bevorzugte Beute“, erklärt Langgemach. Was so einem Beutegreif selten bis gar nicht im Leben passiert ist der Zusammenstoß mit einem anderen Vogel im Flug. Für gewöhnlich muss er auf die direkte Umgebung nicht achten, anders als wir Menschen schaut er nicht in die Richtung seiner Bewegung. Und so übersieht man dann auch mit sprichwörtlichen Adleraugen solche dicken Masten. Langgemach kennt aber noch einen Grund für die Unfälle. Offenbar können viele Vögel die grauen oder blaugrauen Masten nicht vom Hintergrund eines blaugrauen Himmels unterscheiden. Das gelingt ihnen durchaus, wenn die Masten beispielsweise grün sind, sagt er. Möglicherweise steckt also ein Teil der Lösung im Farbeimer. „Hochgerechnet sterben etwa 300 Rotmilane im Jahr in Brandenburg durch Windkraftanlagen“, sagt Langgemach. Schauen Kraniche besser hin? Sie sind hier zumindest kaum gefährdet.
Auch zum Klimawandel werden in Buckow Daten gesammelt und zur Auswirkung auf die Vogelwelt. Eingewanderte Arten wie Silberreiher und Nilgans werden beobachtet. Auch wenn die Neuzugänge in der Vogelwelt weniger Schaden anrichten, wie es bei eingewanderten Säugetieren der Fall sein kann, Stichwort Waschbär, Mink und Marderhund. Und die Mitarbeiter beschäftigen sich mit Krankheitserregern in der Vogelwelt. „Die Vogelgrippe hatte uns ordentlich beschäftigt“, sagt Langgemach und auch, dass es oft die Menschen und weniger die Wildvögel sind, die an deren Verbreitung teilhaben. Zu den vielen Aufgaben gehört eine allerdings nicht, verletzte Vögel aufnehmen. Man ist hier fachlich qualifiziert und kann erstversorgen. Allerdings geht es für die verletzten oder erkrankten Tiere dann weiter in eine Wildtierpflegestelle.
Beruflich sagt Langgemach kommt er nicht so oft raus, wie er gern möchte. Das holt er dann privat nach, sagt er. Geht dann auf Vogel-Schau, bewundert Flugmanöver und erfreut sich am Artenreichtum seiner Umgebung. Und wenn es der Tag richtig gut mit ihm meint, dann dreht ein Schreiadler über ihm seine Runden. Das ist sein Lieblingsvogel, sagt Langgemach. „Er ist charismatisch und sehr selten. Er steht stellvertretend für die komplexen Lebensräume, die es zu schützen gilt“, sagt er.