UN-Klimaziele sind ökonomisch sinnvoll: Ambitionierter Klimaschutz zahlt sich aus

Pressemitteilung des PIK vom 13.Juli 2020

Klimaschutz ist nicht billig – aber Klimaschäden sind es auch nicht. Wie viel Klimaschutz ist also wirtschaftlich gesehen am sinnvollsten? Diese Frage hat Ökonomen jahrzehntelang beschäftigt, insbesondere seit dem Wirtschaftsnobelpreis 2018 für William Nordhaus, dessen Berechnungen nach eine Erwärmung um 3,5 Grad bis 2100 ein ökonomisch wünschenswertes Ergebnis sei. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat nun die Computersimulation, die diesen Schluss gezogen hat, mit den neuesten Daten und Erkenntnissen aus Klima- und Wirtschaftswissenschaften aktualisiert. Sie stellten fest, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2 Grad ein wirtschaftlich optimales Gleichgewicht zwischen künftigen Klimaschäden und den heutigen Kosten für den Klimaschutz herstellt. Das würde einen CO2-Preis von mehr als 100 US-Dollar pro Tonne erfordern.

Jener Tag, an dem der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Auftrag der UNO seinen so genannten 1,5-Grad-Bericht veröffentlichte, war auch der Tag, an dem William Nordhaus den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften „für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse“ erhielt. Konkret gelang ihm das mittels einer Computersimulation, seinem sehr einflussreichen Dynamic Integrated Climate-Economy (DICE)-Modell. Im Pariser Abkommen der UNO wurde vereinbart, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, um Klimarisiken einzudämmen. Nordhaus‘ Zahlen deuten auf 3,5 Grad als eine gleichsam wirtschaftlich optimale Erwärmung bis zum Jahr 2100 hin. Die jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature Climate Change veröffentlichte Studie bietet eine Aktualisierung des DICE-Modells, welche helfen kann, die Perspektiven in Einklang zu bringen.

„Im Wesentlichen haben wir das Nordhaus-Modell aufgeschnürt, gründlich überprüft und einige wichtige Aktualisierungen vorgenommen, die auf den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft und Wirtschaftsanalyse basieren“, erklärt Martin Hänsel, Hauptautor der Studie und Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wir haben festgestellt, dass die Ergebnisse der aktualisierten Version tatsächlich in guter Übereinstimmung mit der Pariser 2°C-Grenze für die globale Erwärmung stehen.“

Die Aktualisierungen umfassen ein akkurateres Kohlenstoffkreislaufmodell, eine neue Gewichtung des Temperaturmodells, eine angepasste Schadensfunktion, und neue Erkenntnisse über die normativen Annahmen des Modells. Diese zeigen sich konkret bei der Frage, wie eine gerechte Verteilung von Wohlstand zwischen heutigen und zukünftigen Generationen gestaltet werden sollte, die den Klimawandel berücksichtigt – ausgedrückt in der so genannten sozialen Diskont-Rate. Deren Aktualisierung basiert nun auf einer breiten Palette von Expertenempfehlungen zur Generationengerechtigkeit. Ergänzt wird dies durch angepasste Annahmen in Bezug auf die Emissionen von anderen Treibhausgasen zusätzlich zum CO2, Technologien zu negativen Emissionen (also dem Herausholen von CO2 aus der Atmosphäre), und wie zügig eine Abkehr von einer kohlenstoffbasierten Wirtschaft erreicht werden kann.

Wie schlimm wird es? Die Schadensfunktion

Die Schadensfunktion beurteilt, wie stark sich künftige Klimaveränderungen auf die Weltwirtschaft auswirken werden. Ko-Autor Thomas Sterner, Professor an der Universität Göteborg, erklärt: „Die standardmäßige Schadensfunktion im DICE-Modell hat eine Reihe von methodischen Mängeln. Unsere Analyse baut auf einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse auf, in der wir diese Mängel beheben. Infolgedessen finden wir höhere Schäden als im Standard-DICE-Modell. Allein nach dem, was wir in den letzten zehn Jahren gesehen haben, ist die Annahme hoher klimabedingter wirtschaftlicher Schäden leider realistisch.“

Wie viel zählt es? Die soziale Diskontrate

Darüber hinaus schaut die Studie auch auf das, was manchmal als die normative „Black Box“ wahrgenommen wird: Wie oft in der Wirtschaftswissenschaft enthält das, was wie eine nüchterne mathematische Funktion aussieht, eine Reihe normativer Annahmen. Die so genannte „soziale Diskont-Rate“ ist ein solcher Fall. Sie gibt an, wie wir das zukünftige Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder bewerten – eine grundlegend moralische Frage. „Die Klimaauswirkungen unserer Emissionen reichen weit in zukünftige Generationen hinein. Um diese langfristigen Folgen angemessen bewerten zu können, müssen wir unterschiedliche Ansichten darüber berücksichtigen, wie wir einen Ausgleich zwischen den Interessen heutiger und zukünftiger Generationen schaffen können“, erklärt Moritz Drupp, Ko-Autor und Professor am Exzellenzcluster Klima, Klimawandel und Gesellschaft (CLICCS) der Universität Hamburg. Erstmals enthält die Studie eine repräsentative Auswahl von Empfehlungen von mehr als 170 Expertinnen und Experten zu den normativen Annahmen der sozialen Diskontrate. „Unser aktualisiertes Modell zeigt, dass das 2-Grad-Ziel nach den von der Mehrheit der Experten vorgeschlagenen sozialen Diskont-Raten ökonomisch optimal ist.“

Der richtige Preis für CO2

Die Änderungen am Modell, insbesondere die Neubewertung der sozialen Diskontrate zugunsten des Wohlergehens künftiger Generationen, haben weitere Auswirkungen: Sie führen zu einem höheren Preis für CO2. Während das Standard DICE-Modell von Nordhaus knapp 40 US-Dollar pro Tonne CO2 im Jahr 2020 ergibt, errechnet das aktualisierte DICE-Modell einen CO2-Preis von über 100 Dollar. Die CO2-Preise, die sich aus der Mehrheit der Expertenmeinungen zur sozialen Diskontierung ergeben, sind mit wenigen Ausnahmen höher als das, was in den meisten Sektoren selbst in den ehrgeizigsten Regionen der Welt umgesetzt wird. „Das ist ein weiterer Beleg dafür, welch ein entscheidendes politisches Instrument eine intelligente CO2-Preisgestaltung ist“, so die Schlussfolgerung von Ko-Autor Ben Groom, Professor an der Universität Exeter und Mitglied des Grantham Research Institute on Climate Change an der London School of Economics. „Unsere Studie bedeutet damit auch, dass eine ehrgeizigere Klimapolitik nötig ist, um zu vermeiden, dass wir unseren Kindern eine ungerechtfertigt hohe Last der Klimaauswirkungen hinterlassen.“

Artikel: Martin C. Hänsel, Moritz A. Drupp, Daniel J.A. Johansson, Frikk Nesje, Christian Azar, Mark C. Freeman, Ben Groom, Thomas Sterner: „Climate economics support for the UN Climate targets“. Nature Climate Change (2020). DOI: [10.1038/s41558-020-0833-x]

Weblink zum Artikel: https://www.nature.com/articles/s41558-020-0833-x

Ende des Kükentötens lange überfällig – Klöckner handelt zu spät

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 13.Juli 2020

Laut Medienberichten will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Töten von männlichen Küken nun doch gesetzlich verbieten. Der Deutsche Tierschutzbund hält diesen Schritt für lange überfällig und kritisiert Klöckners spätes Handeln. 

„Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD versprochen, das millionenfache Töten von lebensfähigen, männlichen Küken bis zur Hälfte der Legislaturperiode zu beenden. Das war Oktober 2019. Passiert ist bisher nichts, den Vertragsbruch hat Frau Klöckner zu verantworten. Denn sie setzte darauf, dass die Geflügelwirtschaft das Töten freiwillig beendet. Ein Irrtum, vor dem wir immer gewarnt haben. Damit sind zwei entscheidende Jahre, in denen der Gesetzgeber hätte handeln müssen, vertan. Das hat mindestens 80 Millionen Küken den Tod gebracht“, kritisiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Hätte Klöckner direkt bei Amtsantritt gehandelt, wäre das Töten bereits beendet. Ihr verzweifelter Versuch, jetzt tätig zu werden, zeugt von Panik, als Ministerin ohne jegliche Tierschutzerfolge in die Geschichte einzugehen.“

Im Juni 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig deutlich gemacht, dass das Kükentöten nicht mit dem Tierschutzgesetz und dem Staatsziel Tierschutz vereinbar ist. Weil Klöckner weiter darauf setzte, dass die Geflügelbranche dem Töten freiwillig ein Ende bereitet, liegt ein Ausstieg auch ein Jahr später in weiter Ferne. Trotz allem Verzug feiert die Ministerin die Förderung von Methoden zur Geschlechtererkennung im Ei als vermeintlichen Erfolg. Angestoßen wurde dies jedoch durch ihren Amtsvorgänger und die Methoden sind zum Teil als tierschutzwidrig einzustufen, weil bereits weit entwickelte und somit potentiell schmerzempfindungsfähige Embryonen getötet werden. Bis heute fehlt die notwendige Weichenstellung für einen grundsätzlichen Systemwechsel in Richtung Zweinutzungshuhn, um das Grundproblem der spezialisierten Hochleistungszucht zu lösen und somit eine tiergerechte und wirtschaftliche Aufzucht der Hähne zu ermöglichen.

Branche fordert Verlängerung

Die Geflügelbranche fordert laut Medienberichten für den Ausstieg aus dem Kükentöten sogar eine Verlängerung bis Juli 2023 – und hält sich dabei ein Hintertürchen offen. Denn nur wenn die Warenverfügbarkeit „ausreichend“ sei, wolle man bis dahin die im Lebensmitteleinzelhandel erhältlichen Eier umgestellt haben. Klöckner will darauf offenbar nicht eingehen. „Wir können nur hoffen, dass ihre plötzliche Härte nicht nur als Kettengerassel einzustufen ist“, sagt Schröder. „Schon zu lange wurde die Branche mit Samthandschuhen angefasst. Damit muss Schluss sein. Es darf keinen Monat Übergangsfristen mehr geben. Wir erwarten, dass Frau Klöckner mit dem angekündigten Gesetz das Ziel Zweinutzungshuhn klarstellt. Denn die Geschlechtererkennung im Ei beendet vielleicht das Kükentöten, aber die auf Hochleistung gezüchtete Henne leidet weiter im System.“

Alt wie ein Baum

Deutschlands ältester Naturlehrpfad führt durch den Wald zwischen Falkensee und Brieselang. Im Juli wird er 90 Jahre alt 

Noch kann die Sonne mit Licht und Schatten spielen, im Bredower Forst. Haben die Bäume erst ihre grünen Kronen zurück, schaffen es nur noch wenige Sonnenstrahlen bis auf den Boden. Der Bredower Forst hat rund ums Jahr seine Reize
Foto: Silvia Passow

Falkensee.   Möglicherweise erinnert sich der eine oder andere Baum zurück, an jenem 11.Juli im Jahre 1930, als der erste Naturpfad Deutschlands, eingeweiht wurde. Alt genug wären einige der grünen Riesen, blieb die Frage, ob das Ereignis bleibenden Eindruck bei ihnen hinterließ. Einblicke in die Natur soll der Besucher des Waldes mitnehmen, so die Idee hinter diesem lehrreichen Spaziergang zwischen Stileichen, Kiefern und Hainbuchen. Zum Zauber dieses wunderschönen, an einen Märchenhain erinnernden Waldes, wird auf dem Naturpfad die Neugier geweckt. Das Leben zwischen flauschigem Moos, geheimnisvollen Baumhöhlen und hölzernen Riesen wird dem Besucher an sechzehn Stationen vorgestellt.

Die kleinen Info-Tafeln trage zum Naturverständnis des Besucher bei.
Foto: Silvia Passow

Made in USA

Es ist kein Zufall, dass der Waldlehrpfad in der Epoche vor neunzig Jahren eingerichtet wurde. Berlin wuchs und der urbane Mensch fuhr zur Erholung gern ins Grüne, in das Berliner Umland. Diese Ausflüge sollten nicht nur dem Luftholen vom Alltag dienen, mit dem Lehrpfad sollte die Landpartie auch das Naturverständnis des Städters wecken. Der Mensch schützt, was er kennt. Naturschutz in den Kinderschuhen und im Wald zwischen Falkensee und Brieselang, dem Bredower Forst, wurde der Gedanke vor allen von Carl Zimmer vorangetrieben. Zimmer (1873-1950) war Direktor des Zoologischen Museums der Friedrich-Wilhelm-Universität, die man heute unter dem Namen Humboldt-Universität kennt. In einer vor zehn Jahren erschienen Schrift von Luise Klann und Volker Kummer kann man mehr zur Geschichte und den Hintergründen zur Gründung dieses ersten Naturpfades nachlesen. So auch, dass die Idee für diese Art eines Freilichtmuseums, aus den USA kommt. Auch das Gebiet, das für den ersten Naturpfad ersonnen war, sollte ursprünglich ein anderes sein, haben die beiden Autoren recherchiert. Klann schrieb 2010 ihre Bachelorarbeit zur Geschichte des Naturpfades.   

Blick vom Waldrand in die Wiesen
Foto: Silvia Passow

Der 1930 eingeweihte Naturpfad war zunächst ein voller Erfolg, wurde regelmäßig besucht und liebevoll und nicht weniger regelmäßig, gepflegt. Der zweite Weltkrieg, wie auch die Jahre zuvor, ließen keinen Raum für Naturschutz. Der Naturpfad geriet in Vergessenheit. Nachkriegszeit, deutsche Teilung, die Menschen haben anders zu tun, als sich um einen Waldlehrpfad zu kümmern.

Auf verschlungenen wegen durch den Bredower Forst
Fot: Silvia Passow

1961 wird der Bredower Forst zum Naturschutzgebiet ernannt und rückt nun wieder in das Blickfeld der Naturschützer. Klann und Kummer schreiben: „Vor allem die älteren Falkenseer wünschten sich den Naturlehrpfad zurück, sie kannten ihn noch und der Lehrpfad war berühmt.“ Dem Kreisnaturschutzbeauftragten im Kreis Nauen, Gerhard Zimmermann (1911-1999) soll die Wiederbelebung des Naturpfades maßgeblich zu verdanken sein. Zimmermann gelang es, mit Hilfe ehrenamtlicher Naturfreunde den Pfad wiederaufzubauen.

Auf dem Schneewittchenberg steht der Gedenkstein
Foto: Silvia Passow

Der Achtzigste Geburtstag vor zehn Jahren wurde gefeiert, in diesem Jahr fallen die geplanten Veranstaltungen zum Geburtstag, Corona bedingt, aus, sagt Revierleiter Volker Kademann von der Oberförsterei Brieselang. Erkunden lässt sich der Naturpfad sehr gut auf eigene Faust.  

Der Forst ist auch das Sammel-Revier von Kräuterfee Tina aus Falkensee. Hier sitz sie in einem Meer aus Kaukasischen Bärlauch.
Foto: Silvia Passow

Den rund zwei Kilometer langen Naturpfad kann man zu Fuß oder mit dem Fahrrad entdecken. Ein urzeitlich anmutender Wald, mit Bäumen, deren Stämme dick und kräftig sind, mit herber rauer Rinde, deren Kronen weithin in satten hell- bis dunkelgrün, leuchten. Im Frühling lockt der würzige Duft des kaukasischen Bärlauchs, bald danach liegt das liebliche Bukett der Maiglöckchen in der kühlen Luft. Vögel zwitschern, singen, rascheln im Laub, hier huscht eine Maus über den Weg, hoch oben sitzt der Eichelhäher und ruft. Der weiche Waldboden nimmt jeden Schritt federnd auf.

So wild, der Bredower Forst
Fot: Silvia Passow

An sechzehn Stationen informieren Tafeln über das Leben im Wald. Dabei stellen sie nicht einfach nur einen Baum vor, sie erklären die Landschaft wie an Station zwei „Nacheiszeitliche Dünenkante“, erzählen etwas über die Frühlingsblüher oder wem die Früchte der Haselnussbüsche besonders gut schmecken. Auf dem Schneewittchenberge steht ein Gedenkstein und in den Höhlen unter den Eichen dahinter wohnen die Zwerge und….. okay, Letzteres stimmt nicht. Dieser zauberhafte Ort lädt zum Träumen ein, da kann die Fantasie schon mal wie eine Waldfee über Wurzeln purzeln.

Und manchmal wächst das Beschrieben direkt in die informativen Tafeln
Foto: Silvia Passow

Zum Bredower Forst führen mehrere Zugänge vom Falkenseer Ortsteil Finkenkrug. Über die Brücke am Forstweg oder die Brandenburgstraße, zum Beispiel lässt sich der Forst erobern. Aus Brieselang führt der Forstweg, vorbei am Forsthaus der Oberförsterei Brieselang, Richtung Falkensee, zum Naturpfad.