Pressemitteilung von Vier Pfoten vom 8. Juli 2020
Hamburg, 08. Juli 2020 – Aufgrund des Verdachts der Beihilfe zur Tierquälerei bei Tiertransporten in tierschutzrechtliche Risikostaaten hat VIER PFOTEN in den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen insgesamt 21 Strafanzeigen gegen Transportunternehmer, Organisatoren und Veterinärämter wegen des Verdachts auf den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz erstattet. Nach Ansicht der internationalen Stiftung für Tierschutz wurden in den angezeigten Fällen Lebendtiertransporte rechtswidrig genehmigt.
Damit genehmigten laut VIER PFOTEN die zuständigen Behörden in den angezeigten Fällen in den vier Bundesländern 2019 und 2020 rechtswidrig Tiertransporte und fertigten diese in tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten wie Algerien, Iran, Libanon, Libyen, Kasachstan und Usbekistan ab. Da es keine zugelassenen Versorgungsstationen auf den Routen gibt, kann die Versorgung der Tiere während des Transports nicht gewährleistet werden. Die Schlachtmethoden in diesen Ländern sind besonders brutal und grausam. Aus diesen genannten Gründen haben die genehmigenden Behörden nach Ansicht von VIER PFOTEN gegen das deutsche Tierschutzgesetz und die Tierschutztransportverordnung 1/2005 verstoßen. Der EU-Gerichtshof hatte bereits 2015 festgestellt, dass dafür Sorge zu tragen ist, dass die Vorgaben dieser Verordnung bis ins Zielland einzuhalten sind, auch wenn es sich hierbei um ein Drittland handelt. VIER PFOTEN muss davon ausgehen, dass den Tieren auf dem Transport sowie am Zielort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden.
„Wir brauchen sofort einen bundesweit einheitlichen Stopp von Tiertransporten in Drittländer. Die bewussten und wiederholten Verstöße gegen Tierschutzrecht sind ein systematisches Versagen der zuständigen Behörden. Wer bei 21 Fällen in vier Bundesländern noch von schwarzen Schafen spricht, ist entweder naiv oder ignorant. Die Bundesländer müssen dieser Tierqual endlich den Riegel vorschieben!“, sagt Ina Müller-Arnke, Nutztierexpertin bei VIER PFOTEN.
Da immer wieder die an Transporten beteiligten Akteure gegen deutsches Recht verstoßen und sich systematisch nicht an die EU-Tiertransportverordnung 1/2005 halten, fordert VIER PFOTEN eine umfassende tierschutzgerechte Verbesserung der EU-Verordnung. Dass dringender Handlungsbedarf in der sogenannten Nutztierindustrie besteht, zeigen auch die Auswirkungen der Corona-Krise. VIER PFOTEN appelliert daher an Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sich während der im Zeichen der Corona-Bekämpfung stehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft für eine zeitgemäße und tierschutzgerechte Überarbeitung der EU-Verordnung einzusetzen.
„Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Chance, eine europäische Lösung voranzutreiben. Die aktuelle EU-Transportverordnung schützt die Tiere überhaupt nicht. Die Regelungen sind viel zu lasch und selbst diese werden systematisch gebrochen. Wenn die Transportzeiten auf acht Stunden begrenzt werden, sind die völlig unnötigen und besonders grausamen Tiertransporte in Drittstaaten endlich Geschichte. Unsere Strafanzeigen machen deutlich, dass Tiertransporte transparenter werden müssen – beispielsweise durch eine verpflichtende Informationssammlung zu allen Transporten in einer gemeinsamen EU-weiten digitalen Datenbank. Julia Klöckner betont immer wieder, dass das Thema auf europäischer Ebene gelöst werden muss. Jetzt kann sie zu ihrem Wort stehen und grausame Tiertransporte beenden“, so Rüdiger Jürgensen, Geschäftsführer VIER PFOTEN Deutschland.
Forderungen von VIER PFOTEN
- Verbot von Langstreckentransporten lebender Tiere
- Eine Begrenzung der Transportdauer lebender Tiere auf 4 Stunden in Deutschland und darüber hinaus maximal 8 Stunden
- Transportverbot für nicht abgesetzte Jungtiere, die noch auf Milch angewiesen sind
- Generelles Verbot von Abfertigungen bei zu erwartenden Außentemperaturen von über 30°C sowie bei Kälte unter 5°C
- Verpflichtung der Informationssammlung zu allen Transporten in einer gemeinsamen EU-weiten digitalen Datenbank
- Verpflichtung der Offenlegung und ständiger Zugang zu sämtlichen Transportdaten in der Datenbank für Institutionen, Genehmigungsbehörden und deren fachvorgesetzten Instanzen
- Schlachtung von Tieren am nächstgelegenen, geeigneten Schlachthof
- Mehr und unabhängige Kontrollen sowie starke Sanktionen bei Verstößen
- Transport von Fleisch und genetischem Material anstelle von lebenden Tieren
Ein ausführliches Hintergrundpapier zu Tiertransporten finden Sie hier.