Tierschutzbund kritisiert Ministerin Klöckner: Vermeintliche Tierschutzerfolge entbehren jeder Realität

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 8. Juli 2020

Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die sich in den Medien und auf Facebook gerade selbst für ihre Tierschutzpolitik lobt. Aus Tierschutzsicht hat die Ministerin jedoch keine Erfolge vorzuweisen. 

„Anders als Klöckner es gerade in den Medien und in einem Facebook-Video postuliert, gibt es keine Erfolge im Tierschutz, die auf ihr Konto gehen. Im Gegenteil: Beim Thema Kükentöten ist sie sogar vertragsbrüchig. Und wäre es bei der aktuellen Kastenstands-Frage nach ihr gegangen, hätten wir keinen Ausstieg im Deckbereich, sondern eine Zementierung dieser tierquälerischen Haltungsform. Es ist eine Blamage für Klöckner, dass die überfälligen, wenn auch unzureichenden Verbesserungen nicht durch, sondern gegen sie erzielt wurden“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Die verzweifelten PR-Versuche, ihr Versagen schönzureden, gehen ins Leere. Für den Rest der Legislaturperiode erwarten wir politisch nichts mehr.“

Versprochen war nach Koalitionsvertrag ein Ende der Kükentötung zur Mitte der Legislaturperiode, also im Oktober 2019. Das überfällige Verbot hat Klöckner nicht erlassen, sondern die Umsetzung für den Ausstieg der Geflügelwirtschaft überlassen und damit den Bock zum Gärtner gemacht. Obwohl das Töten bis heute unverändert stattfindet, lobt sich Klöckner selbst für die Förderung von Methoden zur Geschlechtererkennung im Ei. Diese stammen allerdings noch aus der Zeit ihres Amtsvorgängers und sind als tierschutzwidrig einzustufen, weil bereits weit entwickelte Embryonen getötet werden. Wenig Durchsetzungsvermögen zeigt die Ministerin auch bei anderen Tierschutzthemen: schmerzhaftes Schnabelkürzen bei Puten, Schwanzkupieren von Schweinen und Enthornen von Rindern werden nach wie vor praktiziert. Das eigentlich schon festgelegte Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration wurde unter Klöckner um weitere zwei Jahre nach hinten verschoben. Auch die Pläne für ihr freiwilliges Tierwohlkennzeichen, dessen Kriterien viel zu niedrig angesetzt sind, sind bis heute nicht in trockenen Tüchern. Ihr tierschutzpolitisches Versagen zeigte sich aktuell in der Debatte um die Kastenstandhaltung von Sauen: Klöckner wollte den Passus, dass Sauen ihre Gliedmaßen ausstrecken können müssen, komplett aus der Verordnung streichen und den Kastenstand weitere 15 bis 17 Jahre in der jetzigen Form zulassen. Nach dieser Zeit hätten die Kastenstände lediglich etwas breiter sein müssen. Die Bundesländer haben hier nachverhandelt und zumindest den Einstieg in die Gruppenhaltung für Sauen ermöglicht. 

Alle Menschen ans Straßennetz anschließen ist teuer, aber nicht unbedingt für das Klima

Pressemitteilung des PIK vom 8. Juli 2020

Den Zugang zur Verkehrsinfrastruktur zu gewährleisten ist eines der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Das könnte erreicht werden, indem man alle Menschen ans Straßennetz anschließen würde. Was die ökonomischen Kosten und was die Auswirkungen auf das Klima wären, hat nun ein Forschungsteam unter der Leitung des Potsdam-Instituts beziffert, indem es verschiedene Datensätze zusammengeführt hat. Das Ergebnis: Ein solcher Straßenausbau würde zwar die Staatshaushalte der einzelnen Länder stark belasten, nicht so sehr aber das globale CO2-Emissionsbudget. Um fast die gesamte Weltbevölkerung anzuschließen, müsste das globale Straßennetz um nur 8 Prozent erweitert werden – was insgesamt einen CO2-Ausstoß von etwa 1,5 Prozent der Gesamtmenge dessen verursacht, was wir unter Einhaltung des 2-Grad-Ziels noch ausstoßen dürfen.

Das Team des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) stellt fest, dass derzeit etwa 14 Prozent der Weltbevölkerung weiter als 2 km von der nächsten Straße entfernt leben. „In der Studie berechnen wir, wie viele Straßenkilometer in jedem Land gebaut werden müssten, um mehr Menschen Zugang zu ermöglichen; wie viel der Bau kosten würde; und schließlich, wie viele CO2-Emissionen aus dem Bau und dem dadurch gesteigerten Verkehr resultieren würden“, erklärt Leonie Wenz, Hauptautorin der Studie und Vize-Leiterin des Forschungsbereiches Komplexitätsforschung am PIK. Die Anbindung von 97,5 Prozent der Bevölkerung in jedem Land würde etwa 4 Millionen zusätzliche Straßenkilometer erfordern. Am größten sind die Zugangslücken in Subsahara-Afrika und Südostasien. In Angola und in Indonesien beispielsweise hat es derzeit mehr als die Hälfte der Bevölkerung mehr als 2 km bis zur nächsten Straße.

Die Studie ergibt, dass die Kosten für den Bau dieser Straßen insbesondere im Vergleich zur nationalen Wirtschaftsleistung der einzelnen Länder erheblich sind: 3.000 Milliarden US-Dollar wären erforderlich, um fast der gesamten Weltbevölkerung Zugang zu verschaffen. „Ähnlich wie in der Logistik ist die letzte Meile, die zurückgelegt werden muss – oder besser gesagt, der letzte Haushalt, der angeschlossen werden muss -, am teuersten“, erläutert Jan Steckel, Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung am MCC. „Zum Vergleich: Für den Anschluss von 90 Prozent der Bevölkerung in jedem Land wären nur etwa 700 Millionen US-Dollar erforderlich. Das Ziel von 97,5 Prozent würde für einige Länder Kosten von mehr als der Hälfte ihrer aktuellen Wirtschaftsleistung eines Jahres bedeuten – insbesondere in Afrika und im Nahen Osten, wo sowohl der Bedarf als auch die Kosten am höchsten sind.“

Neue Straßen sind nur mäßig klimaschädlich

Besser sind die Aussichten, was die Klimawirkung des Baus und des Verkehrs auf den neuen Straßen angeht: Bis zum Jahr 2100 werden die daraus resultierenden Emissionen rund 16 Gigatonnen CO2 betragen, so haben die Forscher berechnet. Dabei nehmen sie an, dass alle Straßen bis 2030 fertiggestellt und mit den heutigen CO2-intensiven Verfahren gebaut und befahren werden. Das gesamte CO2-Budget – also die Menge des Treibhaugases Kohlendioxid, welche die Menschheit noch ausstoßen kann, wenn sie die globale Erwärmung unter 2 Grad halten will – beträgt etwas mehr als 1.000 Gigatonnen. Der Anteil, der für den Straßenbau und den zusätzlichen Verkehr anfallen würde, betrüge also etwa 1,5 Prozent dieses Budgets. „Die Anbindung der überwiegenden Mehrheit der Menschen an das Straßennetz, was als ein Motor für Wohlstand gilt, würde unseren Ausstoß von Treibhausgasen demnach nicht drastisch erhöhen“, erklärt Leonie Wenz. „Aus dieser Perspektive stehen hier wirtschaftliche Entwicklungsziele und Klimaschutz nicht im Gegensatz zueinander.“

Es könnte allerdings noch andere Quellen für CO2-Emissionen und weitere ökologische und gesellschaftliche Probleme im Zusammenhang mit dem Straßenbau geben. Jan Steckel von MCC erklärt: „Straßen, die unberührte Natur durchqueren, können Entwaldung und eine Zerstückelung dieser Gebiete nach sich ziehen, und damit zum Verlust von Kohlenstoffsenken und der biologischen Vielfalt führen, oder auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Das stünde im Gegensatz zu manchen anderen der Ziele für nachhaltige Entwicklung.“ Um mögliche negative Rückkopplungen mit anderen UN-Nachhaltigkeitszielen zu vermeiden, schlagen die Autoren vor, Straßenbauprojekte strategisch zu planen und den Schwerpunkt weg von der reinen Verfügbarkeit von Straßen und hin zu Fahr- und Reisezeiten, etwa zum nächstgelegenen Markt, zu verlagern.

„Mit unserem geografisch sehr detaillierten Datensatz hoffen wir, einen nützlichen Ausgangspunkt für weitere Analysen zu liefern“, so Wenz. „Sowohl für die konkrete Situation einzelner Länder als auch für die Erfüllung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung innerhalb  unserer planetaren Grenzen.“

Artikel: Leonie Wenz, Ulf Weddige, Michael Jakob, Jan Christoph Steckel (2020): Road to glory or highway to hell? Global road access and climate change mitigation. Environmental Research Letters [DOI 10.1088/1748-9326/ab858d]

Land Brandenburg gibt ökologische Vorrangflächen im Landkreis Havelland frei

Pressemitteilung des Landkreises Havelland vom 8. Juli 2020

Die Wetterbedingungen der vergangenen Monate drohen im Landkreis Havelland eine Futtermittelknappheit auszulösen. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg gibt daher die ökologischen Vorrangflächen frei. Die Antragstellung ist seit dem 1. Juli 2020 möglich und gilt bis zum Ende dieses Jahres.

Aufgrund geringer Niederschlagsmengen sowie der Witterungssituation droht in einigen Regionen des Landes Brandenburg eine Futtermittelknappheit. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz hat daher entschieden, in den betreffenden Landkreisen die ökologischen Vorrangflächen sowie Puffer- und Feldrandstreifen zur Beweidung freizugeben.

Wer im Landkreis Havelland den Aufwuchs zur Tierfütterung nutzen möchte, kann einen formlosen Antrag an das Amt für Landwirtschaft, Veterinär- und Lebensmittelüberwachung stellen. Die Nutzung der Flächen ist grundsätzlich tierhaltenden Betrieben vorbehalten, Betriebsinhaber ohne Tiere können jedoch durch einen Futterabnahmevertrag mit einem Tierbetrieb die Fläche zur Verfügung stellen. Des Weiteren besteht die Pflicht des Flächeneigentümers zum Nachweis, dass im Betrieb nicht genügend Futter vorhanden ist bzw. in nächster Zeit sein wird.

Ab dem 1. August 2020 ist auch wie gehabt eine Beweidung der ökologischen Vorrangflächen durch Schafe oder Ziegen ohne einen gesonderten Antrag möglich. Mehr Informationen sowie Einzelheiten zur der Maßnahme sind auf der Homepage des Landkreises www.havelland.de unter dem Stichwort „Agrarförderung“ zu finden.

Vier Pfoten verklagt Brandenburger Veterinär-Ämter

Pressemitteilung von Vier Pfoten vom 8. Juli 2020

Hamburg, 08. Juli 2020 – Aufgrund des Verdachts der Beihilfe zur Tierquälerei bei Tiertransporten in tierschutzrechtliche Risikostaaten hat VIER PFOTEN in den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen insgesamt 21 Strafanzeigen gegen Transportunternehmer, Organisatoren und Veterinärämter wegen des Verdachts auf den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz erstattet. Nach Ansicht der internationalen Stiftung für Tierschutz wurden in den angezeigten Fällen Lebendtiertransporte rechtswidrig genehmigt.

Damit genehmigten laut VIER PFOTEN die zuständigen Behörden in den angezeigten Fällen in den vier Bundesländern 2019 und 2020 rechtswidrig Tiertransporte und fertigten diese in tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten wie Algerien, Iran, Libanon, Libyen, Kasachstan und Usbekistan ab. Da es keine zugelassenen Versorgungsstationen auf den Routen gibt, kann die Versorgung der Tiere während des Transports nicht gewährleistet werden. Die Schlachtmethoden in diesen Ländern sind besonders brutal und grausam. Aus diesen genannten Gründen haben die genehmigenden Behörden nach Ansicht von VIER PFOTEN gegen das deutsche Tierschutzgesetz und die Tierschutztransportverordnung 1/2005 verstoßen. Der EU-Gerichtshof hatte bereits 2015 festgestellt, dass dafür Sorge zu tragen ist, dass die Vorgaben dieser Verordnung bis ins Zielland einzuhalten sind, auch wenn es sich hierbei um ein Drittland handelt. VIER PFOTEN muss davon ausgehen, dass den Tieren auf dem Transport sowie am Zielort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden.  

„Wir brauchen sofort einen bundesweit einheitlichen Stopp von Tiertransporten in Drittländer. Die bewussten und wiederholten Verstöße gegen Tierschutzrecht sind ein systematisches Versagen der zuständigen Behörden. Wer bei 21 Fällen in vier Bundesländern noch von schwarzen Schafen spricht, ist entweder naiv oder ignorant. Die Bundesländer müssen dieser Tierqual endlich den Riegel vorschieben!“, sagt Ina Müller-Arnke, Nutztierexpertin bei VIER PFOTEN.

Da immer wieder die an Transporten beteiligten Akteure gegen deutsches Recht verstoßen und sich systematisch nicht an die EU-Tiertransportverordnung 1/2005 halten, fordert VIER PFOTEN eine umfassende tierschutzgerechte Verbesserung der EU-Verordnung. Dass dringender Handlungsbedarf in der sogenannten Nutztierindustrie besteht, zeigen auch die Auswirkungen der Corona-Krise. VIER PFOTEN appelliert daher an Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sich während der im Zeichen der Corona-Bekämpfung stehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft für eine zeitgemäße und tierschutzgerechte Überarbeitung der EU-Verordnung einzusetzen.

„Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Chance, eine europäische Lösung voranzutreiben. Die aktuelle EU-Transportverordnung schützt die Tiere überhaupt nicht. Die Regelungen sind viel zu lasch und selbst diese werden systematisch gebrochen. Wenn die Transportzeiten auf acht Stunden begrenzt werden, sind die völlig unnötigen und besonders grausamen Tiertransporte in Drittstaaten endlich Geschichte. Unsere Strafanzeigen machen deutlich, dass Tiertransporte transparenter werden müssen – beispielsweise durch eine verpflichtende Informationssammlung zu allen Transporten in einer gemeinsamen EU-weiten digitalen Datenbank. Julia Klöckner betont immer wieder, dass das Thema auf europäischer Ebene gelöst werden muss. Jetzt kann sie zu ihrem Wort stehen und grausame Tiertransporte beenden“, so Rüdiger Jürgensen, Geschäftsführer VIER PFOTEN Deutschland.

Forderungen von VIER PFOTEN

  • Verbot von Langstreckentransporten lebender Tiere
  • Eine Begrenzung der Transportdauer lebender Tiere auf 4 Stunden in Deutschland und darüber hinaus maximal 8 Stunden
  • Transportverbot für nicht abgesetzte Jungtiere, die noch auf Milch angewiesen sind
  • Generelles Verbot von Abfertigungen bei zu erwartenden Außentemperaturen von über 30°C sowie bei Kälte unter 5°C
  • Verpflichtung der Informationssammlung zu allen Transporten in einer gemeinsamen EU-weiten digitalen Datenbank
  • Verpflichtung der Offenlegung und ständiger Zugang zu sämtlichen Transportdaten in der Datenbank für Institutionen, Genehmigungsbehörden und deren fachvorgesetzten Instanzen
  • Schlachtung von Tieren am nächstgelegenen, geeigneten Schlachthof
  • Mehr und unabhängige Kontrollen sowie starke Sanktionen bei Verstößen
  • Transport von Fleisch und genetischem Material anstelle von lebenden Tieren

Ein ausführliches Hintergrundpapier zu Tiertransporten finden Sie hier.