Nicht nur Fragen des Arbeitsschutzes, sondern auch Tierschutzfragen auf.

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 22.Juni 2020

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kommentiert:

„Der Fall Tönnies zeigt, wie anfällig dieses System auch in Tierschutzfragen ist. Die zunehmende Zentralisierung, die über Jahrzehnte durch die EU und die deutsche Agrarpolitik angetrieben wurde, zeigt nun das wahre Gesicht. Wir sehen die Tierschutzprobleme, die jetzt aktuell zu lösen sind: Wohin kommen die Schweine, die nicht mehr bei Tönnies geschlachtet werden? Wie werden die Transportwege gestaltet? Welcher Stau und damit elende Wartezeiten entstehen in den Schlachthöfen? Wie sind die Zustände in den Ställen, wo die Tiere jetzt warten? Diese drängenden Tierschutzfragen müssen jetzt beantwortet werden. Die Antworten darf Bundesministerin Julia Klöckner nicht Herrn Tönnies und NRW-Ministerin Heinen-Esser alleine überlassen. Da braucht es ein Gesamtkonzept, mit dem ein maximaler Schutz für die Tiere gewährleistet wird. Das sind kurzfristige Maßnahmen. Mittelfristig braucht es eine radikale Wende der deutschen und europäischen Agrarpolitik, weg von Zentralisierung, hin zur Regionalisierung. Die wichtige Frage des Arbeitsschutzes und des dringenden Verbots des Sub-Unternehmertums ist nur die eine Seite. Aus Tierschutzsicht gibt es ebenso wichtige Fragen zu lösen, auch unabhängig von Tönnies. Es ist eine Systemfrage, keine Tönnies-Frage.“

Endlich die Sau rauslassen

Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes vom 22.Juni 2020

Zwölf Tierschutzorganisationen legen Konzept für sofortiges Ende der Kastenstandhaltung vor

Gemeinsam mit elf weiteren Tierschutzorganisationen hat der Deutsche Tierschutzbund einen Vorschlag erarbeitet, wie Kastenstände für Sauen in Deutschland innerhalb weniger Jahre komplett abgeschafft werden können. Unter dem Titel »Sauenhaltung in Deutschland – Handlungsmöglichkeiten aus Sicht des Tierschutzes« zeigen die Organisationen Schritte für einen sofortigen Umbau des Systems Kastenstand auf, hin zu einer für die Sauen weniger leidvollen Gruppenhaltung. Mit dem Papier wollen die Tierschutzorganisationen einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Debatte um die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung leisten. Ihre Position ist dabei klar: Kastenstände sind tierschutz- und verfassungswidrig und müssen abgeschafft werden. Es kann aus Sicht des Tierschutzes keinen akzeptablen Kompromiss zwischen den Bundesländern geben, der lediglich Fixierungszeiten verkürzt und Kastenstandsbreiten anpasst.

„Mit dem Konzept wollen wir den zuständigen Länderministern im Agrarausschuss des Bundesrates sowie den Regierungschef*innen in den Bundesländern aufzeigen, wie es gehen kann. Wir können nur an die Länder appellieren, bei der finalen Entscheidung keinen faulen Kompromiss zu akzeptieren. Denn der Kastenstand ist tierschutzwidrig und in seiner jetzigen Form gesetzeswidrig – das wurde höchstrichterlich bestätigt. Rechtssicherheit besteht, es muss jetzt darum gehen, geltendes Recht auch umzusetzen und das sobald möglich. Dass lange Übergangsfristen nicht vertretbar sind, hat gerade auch erst der Deutsche Ethikrat deutlich gemacht“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Die Kernpunkte der Handlungsmöglichkeiten

Nach Vorstellung der Tierschutzverbände sollen zunächst alle Betriebe im Deckbereich nach Abschluss von zwei Jahren auf die Gruppenhaltung – ohne jeglichen Kastenstand – umgestellt haben. Dabei sollen die Sauenhalter*innen innerhalb der ersten sechs Monate ein Umbaukonzept und innerhalb des ersten Jahres einen Bauantrag vorlegen. Die maximale Fördermöglichkeit sollten diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von einem Jahr einen Bauantrag einreichen.

Nach spätestens fünf Jahren müssen alle Betriebe auch auf freie Abferkelsysteme umgestellt haben. Hier ist nach zwei Jahren ein Umbaukonzept und nach einem weiteren Jahr ein Bauantrag vorzulegen. Die maximale Fördermöglichkeit sollten diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von drei Jahren einen Bauantrag eingereicht haben.

Bis der Umbau wie beschrieben vollzogen wurde, müssen die seit 1992 geltenden Mindestanforderungen umgesetzt werden, die bis heute systematisch ignoriert werden. Die Sauenhalter*innen sollen, um die Mindeststandards zu erfüllen, die Kastenstände im Deckbereich öffnen und den Bereich hinter den Kastenständen für die Tiere nutzbar machen oder einen anderen Umstallungsrhythmus wählen.

Um den raschen Systemwechsel zu ermöglichen sollten die Sauenhalter*innen entsprechende finanzielle Unterstützung erhalten. Neben bereits existierenden Fördermöglichkeiten schlagen die Tierschutzorganisationen drei weitere Finanzierungsinstrumente vor: Sonderabgaben auf Produkte tierischen Ursprungs, eine Neuregelung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche und tierische Produkte sowie eine Umschichtung der Fördergelder aus dem Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) von der ersten in die zweite Säule. Fördergelder darf es allerdings nur für tierschutzfachlich einwandfreie Um- und Neubauten ohne jeglichen Kastenstand geben und nicht zum Beispiel für die Verbreiterung von Kastenständen.

Neben der Finanzierung bedarf es dringender Anpassungen im Baurecht. Darüber hinaus müssen Genehmigungsverfahren stark vereinfacht und beschleunigt werden, wenn die Baumaßnahmen nicht mit einer Bestandsaufstockung einhergehen.

Ebenfalls braucht es ein zuverlässiges Kontrollkonzept, um die Einhaltung der Vorgaben zu überwachen und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Im Tierschutz ist das Kontrollsystem extrem mangelhaft, so dass hier großer Nachholbedarf besteht.