Unterwegs mit der Blauen Holzbiene Mal bei den Nachbarn vorbeischwirren, auf ins liebliche Havelberg

Havelberg ist gerade so nicht mehr Brandenburg, sondern schon Sachsen-Anhalt. Das ist insofern ganz prima, dass es dort Baumkuchen gibt. Was die liebliche Hansestadt noch so zu bieten hat, zeigt die Blaue Holzbiene.

Havelberg von der Wasserseite betrachtet
Foto: Silvia Passow

Die Reise führt uns direkt hinter die Brandenburgische Grenze, die Landkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Havelland grenzen an die Gemarkung Havelberg. Die Domstadt Havelberg thront tatsächlich über der Havel und gehört zu Sachsen-Anhalt. Es lohnt sich ein Tagesausflug, Dom, Altstadt, das Haus der Flüsse und das Gebiet der Unteren Havel, das seit einigen Jahren vom NABU erfolgreich renaturiert wird, sind zu erkunden.

Ab durch die Gasse
Foto: Silvia Passow

Wer mit dem PKW anreist, der kann sein Auto gut in der Nähe der Anleger parken. Von hier aus geht es in die Altstadt, schmale Gassen, gesäumt mit Fachwerkhäuschen führen zum Platz, auf dem das Rathaus zu finden ist. Wem von der Anreise nun der Magen knurrt, dem sei die dort ansässige Bäckerei empfohlen. Hier gibt es auch den Baumkuchen, für den Sachsen-Anhalt eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. wer es erfrischend liebt, ein Stück weiter lockt eine Eisdiele die Besucher.

Das Rathaus, gegenüber gibt es den herrlichen Baumkuchen
Foto: Silvia Passow

Ein Rathaus wurde im historischen Havelberg erstmalig um 1310 erwähnt, ein erstes städtisches Siegel ist für 1350 überliefert. Das heutige Rathaus wurde 1854 gebaut.

St. Laurentius, dahinter stehen kleine Häuschen, manche aus Fachwerk gebaut
Foto: Silvia Passow

Ebenfalls auf der Stadtinsel liegt die Kirche St.Laurentius, deren Entstehung geht auf das 13. Und 14 Jahrhundert zurück. 1660 erhielt die Kirche den Westturm. Neben der Kirche liegt ein verwilderter Garten, der noch immer bunte Tupfen ins Stadtbild zaubert. Am Markt 9 befand sich einmal die Synagoge, heute erinnert eine Gedenktafel an die Opfer des Holocaust. Nordöstlich der Stadt liegt der jüdische Friedhof mit dem Grab des Kupferstechers Louis Jacoby.

Verwildert, verzaubert und wunderschön, der ehemalige Garten
Foto: Silvia Passow

Wer sich den Havelberger Dom genauer ansehen möchte, muss zunächst die Stadtinsel über eine Brücke verlassen und die Domtreppe erklimmen.

Blick auf den Dom
Foto: Silvia Passow

1170 wurde der Havelberger Dom geweiht. Dass er gleichzeitig auch als Wehranlage diente, sieht man ihn bis heute noch an. Der Dombezirk war mit einer eigenen Befestigungsanlage versehen. Im Inneren des Doms befindet sich das „Prignitz-Museum“. Es gibt über die Stadtgeschichte und auch die Historie des Doms Auskunft.

Der Dom wird von vielen Turmvögeln umschwirrt
Foto: Silvia Passow

Auf dem Domplatz erinnern die zwei Statuen an ein historisches Treffen, welches sich einst in Havelberg ereignet haben soll. 1716 sollen sich hier Zar Peter der Große und der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm 1. Bei diesem Treffen sollen auch Gastgeschenke ausgetauscht worden sein. Der Zar erhielt das berühmte Bernsteinzimmer, der König die sogenannten „Langen Kerls“, eine Gruppe von Soldaten.

Na, wer ist wer? Richtig, der kleine, dicke ist der Preußenkönig
Foto: Silvia Passow

Treppchen runter, über die Dombrücke und nach rechts abbiegen eröffnet sich ein hübscher Spazierweg am Wasser entlang mit Blick auf die zauberhaften Häuschen am anderen Ufer.

Havelberg von seiner romantischsten Seite
Foto: Silvia Passow

Zurück geht durch die Altstadt und rüber über die Sandauer Brücke zum Haus der Flüsse. Hier kann man sich über Europas größtes Fluss-Renaturierungsprojekt informieren. Die untere Havel wird aus ihrem engen Kanal-Korsett befreit und darf wieder frei fließen. Die natürlichen Auen wurden wiederbelebt, Altarme angeschlossen. Zwischen Havelberg und Strodehne kann man sich ansehen, wie schnell sich die Natur erholen kann, wenn sie nur eine Chance bekommt. Zum BUGA Start 2015 wurde das Außengelände eröffnet und es wurde der Steg zur wiederhergestellten Petroleuminsel fertiggestellt. Er überbrückt den „neuen“ Altarm und führt zur Aussichtsplattform.

Das Haus der Flüsse
Foto: Silvia Passow

Wem es nun in die neu erwachte Natur der unteren Havel zieht, kann sie auf verschiedene Arten entdecken und erkunden. Im Sommer sollten Badesachen im Gepäck sein, idyllische Strände laden zum Baden und Rasten ein. Egal ob man nun zu Fuß, auf dem Rad oder hoch zu Ross unterwegs ist. Paddeln kann man hier und der NABU bietet gelegentlich Exkursionen mit einem kleinen Dampfer ab Havelberg an. In Strodehne kann der auferstandene Fluss auch eine Nummer kleiner, vom Fischerkahn aus, bestaunt werden.

Zunächst säumen noch kleine Häuser die Havel, doch schon bald wird es ruhiger
Foto: Silvia Passow

Mehr zur Renaturierung der unteren Havel gibt es unten, unter „Alles im Fluss“.

Achtung, am ersten Wochenende im September findet jedes Jahr der Havelberger Pferdemarkt statt. Es ist der europaweit der größte Markt dieser Art und zieht bis zu 200 000 Besucher an.

Die untere Havel
Foto: Silvia Passow

Alles im Fluss

Lautlos schwebt der Jäger über die sich seicht kräuselnden Wellen, verharrt in der Luft, lässt sich fallen, taucht ins klare Nass. Nichts, kein Fisch erbeutet, auf leisen Schwingen fliegt der Fischadler davon. Doch schon sein nächster Versuch könnte erfolgreich sein, denn Fisch gibt es nun wieder reichlich in der unteren Havel. Das war nicht immer so. „Mein Großvater erzählte mir als kleiner Junge, früher habe er Lachs und Stör aus der Havel geangelt. Ich bin quasi im Angelkahn aufgewachsen, so recht glauben konnte ich das damals nicht“, sagt Rocco Buchta. Inzwischen weiß Buchta es besser. Die Natur kehrt zurück, wenn man ihr nur ein Angebot macht. So wie an dem Fluss, an dem Buchta aufwuchs, der unteren Havel. Es sprießt, es wächst und längst verlorenen geglaubte Tier- und Pflanzenarten haben das Refugium für sich entdeckt. Möglich wurde dies durch viele fleißige Menschen, doch Buchta, Flussexperte des NABU, hatte diese Vision, diesen Traum, das Paradies seines Großvaters wieder zu beleben. Buchta ist Leiter des Havel-Projektes, dass vom NABU umgesetzt wird. Geld kam vom Bund, von den Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt, durch beide Länder fließt die 341 Kilometer lange Havel. 40 Millionen Euro wird das Zurück in die Zukunft-Projekt kosten. Der NABU steuert 1,6 Millionen bei.

Offenbar freuen sich auch die Kühe ab und an mal auf ein Fußbad in der Havel
Foto: Silvia Passow

Die Vorfahren des Fischadlers blickten einst auf einen Fluss, der aus ihrer Perspektive wie ein Baum aussah. Der Fluss als Stamm, mit vielen Ästen an den Seiten, den sogenannten Altarmen. Kleine, vom Hauptfluss abgehende Nebenflüsschen, die mal als Sackgasse in den Auen endeten oder an anderer Stelle wieder in die Havel münden. Diese Altarme wurden zu DDR-Zeiten vom Fluss getrennt. Die Ufer der Havel befestigt, Deckwerk nennt man die Steinbefestigung. Das Flüsschen wurde zur Wasserstraße für den Transitverkehr, statt gackernder Enten tuckerten Schleppkähne auf dem Wasser. Mit dem Fall der Mauer wurde die Wasserstraße überflüssig und Buchta sah seine Chance. Auf einer Länge von 90 Kilometern soll die untere Havel wieder in ihren Zustand von einst zurückversetzt werden. Ein Ziel, das nicht über Nacht erreicht werden kann. Geldmittel sichern, Politiker und die Menschen vor Ort überzeugen. Zu den Menschen, die an und mit der Havel leben, hat Buchta einen besonders guten Draht. Er ist einer von Ihnen, kennt ihre Sorgen, ihre Bedürfnisse, kein Fremder, der erklärt wie die Welt funktioniert. Sondern einer der abends noch auf ein Bier im Dorf bleib, auch noch bei zweiten aufmerksam zuhört und nichts von leeren Versprechungen hält. „Nichts versprechen, was nicht eingehalten werden kann“, sagt er und betont, wie wichtig diese Zusagen sind. So wichtig wie Kompromisse finden und Eingeständnisse zulassen.

Einfach mal treiben lassen
Foto: Silvia Passow

Nun wird zurückgebaut, was der Havel die Luft zum atmen nahm. Die Deckwerke werden Schritt für Schritt abgetragen, die Altarme wieder an ihre Hauptader, der Havel, angeschlossen. Auf einer Länge von 30 Kilometern ist der Fluss vom Deckwerk  bereits befreit, 15 der 34 Altarme sind wieder mit dem Fluss verbunden. Schilf wurde an den Ufern gepflanzt, neue Auenwälder entstehen. „Das ist Europas bedeutendstes Fluss-Renaturierung-Projekt“, sagt Buchta.

Vogelfreunde werden sich hier besonders wohl fühlen
Foto: Silvia Passow

Auf den Buhnen, kleinen Inseln, sitzen nun wieder unterschiedliche Entenarten und schnattern. Rohrdommel, Tüpfelsumpfhuhn und Uferschnepfe, sie werden bundesweit in der höchsten Gefährdungskategorie, „vom Aussterben bedroht“ geführt, brüten hier. Biberburgen säumen den Fluss, da wo er einfach nur fließen darf. Die Ufer so grün, als wäre es nie anders gewesen. Hier sitzen Angler auf Klappstühlen und gehen ihrer Leidenschaft nach. Kleine Sandstrände laden zum Sonnenbaden und Plantschen im erfrischenden Nass ein. Kanus gleiten über das klare Wasser und auch Hausbootfahrer haben die Idylle für sich entdeckt. Ebenso eine Herde Kühe. Auch das Fleckvieh nimmt gern mal ein Fußbad. Für die Landwirte haben die Naturschützer Brücken über die Altarme verlegt. Die Renaturierung der Havel, da ist sich Buchta sicher, hat für die Menschen, mehr Lebensqualität gebracht.

Eine Fahrt über die untere Havel ist spannend und entspannend
Foto: Silvia Passow

18 700 Hektar umfasst das Projektgebiet. Das Ergebnis kann man sich ansehen. Zu Pferd oder per Drahtesel. Geführte Exkursionen bieten die Naturwacht des Naturparks Westhavelland und das NABU Besucherzentrum in Milow an. Sehr viel reizvoller ist eine Erkundung von der Wasserseite. Von Rathenow und Havelberg (Sachsen-Anhalt) kann die Havel mit dem Ausflugsschiff erkundet werden. Wer mehr zur Havel-Renaturierung erfahren möchte, kann eine dreistündige Flussfahrt mit dem NABU und Rocco Buchta beim NABU buchen. Die Touren starten in Havelberg und sind limitiert. Für diesen Sommer werden noch zwei Termine angeboten. Die Idylle erleben kann man auch mit dem Havelfischer Wolfgang Schröder, der Fahrten auf seinem Fischerkahn, Ausgangspunkt ist Strodehne, anbietet. Wichtig: Auf jeden Fall Zeit und ein Fernglas mitbringen.  

Foto: Silvia Passow

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