Besucherzentrum im Storchendorf Rühstädt erwartet wieder seine Gäste Dorf-Rundgang offenbart verschiedene Charaktere – halbstarke, ordnungsliebende und chaotische Weißstörche / Zugstau hielt Brandenburger Weißstörche auf

Pressemitteilung des NABU vom 14. Mai 2020

Potsdam − Das Europäische Storchendorf Rühstädt beherbergt bereits seit Anfang März die ersten gefiederten Gäste. Nur die zweibeinigen blieben bislang coronabedingt vielfach aus. Zwar konnte man in Familie einen Bummel durch das hübsche Backsteindorf machen, doch nun hat an den Wochenenden und Feiertagen auch wieder das Besucherzentrum mit Ausstellung und Live-Schaltung ins Storchennest geöffnet.

Das Zentrum-Team um die beiden neuen Mitarbeiterinnen Ellen Beuster und Aline Jacubeit freut sich jedenfalls über den, wenn auch verspäteten, Start in die Saison. „Neben der Dauerausstellung „Weltenbummler Adebar“ mit vielfältigen Informationen zum Weißstorch können die Besucher über die Livecam den Storchenalltag beobachten. Im Außengelände bietet unser Storchenparcour viele Inhalte und Ideen, den eigenen Garten für eine vielfältige Biodiversität aufzuwerten. Sowohl auf dem Dach des Zentrums als auch im Ort können zahlreiche besetzte Horste beobachtet werden. Die verschiedenen Techniken beim Nestbau und deren unterschiedliche Entwicklungsstadien lassen darauf schließen, dass es auch beim Weißstorch ordnungsliebende oder eher Nestchaoten gibt“, schmunzelt Ellen Beuster.

Hier an der Elbe ist die Anzahl der diesjährigen „Hausbesetzer“ mit 27 belegten Nestern gegenüber dem Vorjahr gleich. Dass die Brutpaare möglichst viel Nachwuchs aufziehen, wünschen sich die Weißstorchschützer sehr, denn in den letzten Jahren ging es mit dem Bestand in Brandenburg leider stetig bergab. Bernd Ludwig, NABU-Landeskoordinator Weißstorchschutz belegt das mit Zahlen: „In Rühstädt waren 2014 noch 37 Horstpaare, 2019 waren es 10 weniger. Und die Anzahl flügger Junge je Horstpaar betrug nur noch 1,04.“ Er beklagt, dass in ganz Brandenburg im Zeitraum von 2014 bis 2019 die Zahl der Horstpaare um 235 zurückgegangen ist. „Die durchschnittliche Zahl flügger Jungen pro Horstpaar beträgt nur noch 1,66. Das ist leider zu wenig, um die Population zu erhalten.“ Vor sechs Jahren lebten 1.424 Storchpaare in Brandenburg, im Vorjahr waren es nur noch 1.189.

Neben den jetzt in Brandenburg brütenden Weißstorchpaaren gibt es jetzt auch eine Reihe von jungen Störchen, die noch nicht geschlechtsreif sind. Ludwig erklärt: „Weißstörche brüten meist erst ab dem 3. Lebensjahr. Die Nichtbrüter streifen zwischen dem Überwinterungs- und Brutgebiet umher. Oft stören sie die brütenden Störche, wobei es zu Gelege- und Jungenverlusten kommen kann.“
Das beobachtete auch Ellen Beuster in Rühstädt: „Einer der beiden Horste auf dem Besucherzentrum ist dauerhaft besetzt und dort wird offenbar auch gebrütet. Auf dem linken Horst allerdings ist die Situation unübersichtlich: wechselnde Paare – die einen greifen an, die anderen verteidigen das Nest und augenblicklich hat ein einzelner Storch dort die Überhand gewonnen. „Vielleicht einer der „Halbstarken“ oder aber einer derjenigen Störche, die in diesem Jahr zu spät im Brutgebiet angekommen sind“, mutmaßt sie.

Bernd Ludwig berichtet: „In diesem Jahr sind durch den 6-tägigen Zugstau am Bosporus viele ost-ziehende Störche, also auch die Brandenburger, zu spät bei uns angekommen und brüten deshalb erst gar nicht. Außerdem führt die ausgeprägte Frühjahrstrockenheit dazu, dass die Regenwürmer, die ja die Hauptnahrung der Störche im Frühjahr darstellen, tief in der Erde und damit für sie unerreichbar sind. Darüber hinaus führen auch die großen Monokulturen von Raps, Mais, Getreide, Spargel mitsamt Pestizideinsatz zu einem großen Nahrungsmangel für unsere Störche. Wenn man jetzt Störche auf Feldern bei der Nahrungssuche beobachtet, dann meist hinter einem Pflug oder ähnlichem Gerät. Durch die Bodenbearbeitung gelangen Regenwürmer und andere Wirbellose, aber auch Wühlmäuse an die Oberfläche und können von den Störchen erbeutet werden. Ansonsten ist unsere Feldflur leider ziemlich artenarm geworden.“

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