Gretchens Rettung

Happy End für ein Rehkitz, das die Polizei aus einer Wohnung rettete

Gretchen ist erst seit ein paar Tagen hier, auf dem großen Hof, mit dem weitläufigen Garten und Gehege, in Pausin, im Havelland. Doch das zierliche Rehkitz hat bereits Freunde gefunden. Den roten Kater Oskar zum Beispiel, der sich liebevoll an sie schmiegt. Storch Egon schaut derweil noch etwas kritisch, aber das wird schon, ist sich Bärbel Eitner sicher. Eitner teilt Haus und Hof mit vielen tierischen Freunden und alle verstehen sich gut sagt sie. Das etwa zwei Wochen junge Rehkitz ist das neuste und jüngste Findelkind auf dem Hof der 74jährigen. Eitner pflegt seit Ende der 1970er Jahre kranke, verlassene und hilfsbedürftige Tiere. Und so hat Gretchen hier nicht nur viele neue Freunde, sondern auch professionelle Hilfe, gefunden. Die brauchte es auch, den Gretchen ist Waise und für ihr Alter sehr zart und klein. Dass Gretchen nun hier entspannt in der Sonne sitzen kann, verdankt das Kitz einer aufmerksamen Dame und umsichtig agierenden Polizisten.

Aus einer Wohnung gerettet

Bei der Polizei in Brandenburg an der Havel meldete sich eine Frau, die sich sorgte, denn sie meinte zu wissen, dass in einer Wohnung ein Rehkitz, nicht größer als eine Katze, gehalten wird. Als die Polizei die Angaben prüfte, fand sie tatsächlich ein Rehkitz in der Wohnung. Die Familie erzählte, die Kinder hätten es etwa eine Woche zuvor beim Spazierengehen gefunden und mitgenommen, wie die Polizeisprecherin Stefanie Wagner-Leppin mitteilte. Die Beamten wandten sich an die Wildtierrettung Potsdam und diese stellte den Kontakt zu Eitner her. Und so kam die kleine Waise nach Pausin.

Bärbel Eitner und Gretchen
Foto: Silvia Passow

In tierisch guter Gesellschaft

Bärbel Eitner hat drei Hunde auf dem Hof, auf der Koppel stehen zwei Ponys, auf denen die Enkel das Reiten erlernen. Hühner gackern im Stall. Und dann, ein lautes Klappern. Der neunjährige Klapperstorch Egon kann zwar nicht fliegen, Radau machen mit dem Schnabel geht aber ganz vortrefflich und dekorativ über den Hof staksen sowieso. Seine Freundin ist Ilona, eine Laufente, die allerdings gerade ganz entenmäßig in ihrem Pool schwimmt. Egon hat in der Scheune, die er sich mit Ilona teilt, sogar einen eigenen Horst. Sein Nachbar sind ein Hahn, ein Kaninchen und ein Frettchen, dessen Name Rebell auf seinen Charakter schließen lässt. Und bis vor kurzen weilte noch Walter auf dem Hof, ein Frischling. Das junge Wildschwein hat am Montag sein neues Quartier in der Schorfheide bezogen. Bei anderen Wildschweinen, hat damit eine Familie, in einem Gehege. Auswildern, sagt Eitner, hätte bei Walter nicht funktioniert und so suchte sie eine Unterkunft für ihn, in der er die Aussicht auf ein Schweineleben mit Lizenz zum Sauwohlfühlen hat. „Die Tiere müssen artgerecht gehalten werden“, sagt Eitner. Und das gilt auch dann, wenn der Abschied schwerfällt. So wie bei Walter, dem trauern die Enkel und der Hofhund nach.

Egon stakst über den Rasen
Foto: Silvia Passow

Ein bisschen wie in einer Fernsehserie

Weiter hinten im Garten hat Eitner einen weiteren Storchenhorst. Mit dem NABU gebaut und seit 1978 auch fast immer besetzt. Und auch jetzt lugt ein Storchenpopo aus dem Horst. Im gleichen Jahr fing Eitner auch mit der Pflege von verletzten Rehen an. Oft handelte es sich um Tiere, die bei der Mahd verletzt wurden. „Rehkitze aufziehen ist gar nicht so einfach“, sagt sie. Je nachdem wie weit das Jungtier in der Versorgung durch die Mutter war, muss die Milch entsprechend angepasst werden, erläutert sie. „Bekommt das Kitz Durchfall, besteht kaum noch Hoffnung auf Genesung“, sagt Eitner. Etwa zwanzig Rehe hat sie gepflegt und durchgebracht. Sie hat ein rund 2000 Quadratmeter großes Gehege, indem leben die Rehe, die nicht ausgewildert werden können. Zurzeit sind es vier Rehe, drei Ricken, so nennt man die weiblichen Tiere und ein Böckchen mit Namen Paul. Eitner sorgt auch für hilfsbedürftige Igel und Eichhörnchen. Sie bietet aber auch natürliche Futtermöglichkeiten und Verstecke für gesunde Tiere an.      

Die Rehe sind zutraulich und lassen sich streicheln
Foto: Silvia Passow

Wildtiere nicht einfach mitnehmen

Eitner sagt, man kann den Leuten, die das Kitz mitnahmen, keinen allzu großen Vorwurf machen. Die wollten bestimmt helfen und wussten es nicht besser. Tatsächlich legen die Ricken ihre Jungen schon mal im hohen Gras ab und gehen auf Nahrungssuche. Eitner rät, wer beim Spaziergang ein Jungtier findet und nicht sicher ist, ob Hilfe nötig ist, sollte den Förster oder Jäger anrufen. Oder die Wildtierrettung. Wenn keine unmittelbare Gefahr droht, Tier liegen lassen und die Situation von Ferne beobachten. Nicht alles was hilflos aussieht, ist es auch. Beim Quicken im Unterholz rät Eitner vom Einschreiten dringend ab. „Das kann gefährlich werden, wenn eine Bache ihren Frischling verteidigt“, sagt sie. Immer, egal ob Vogel, Igel oder Reh professionelle Hilfe dazu holen. Der gutgemeinte Hilfsversuch kann sich als tödlich für das Tier erweisen.

Küsschen hier, liebevolles stupsen dort, Gretchen und Oskar sind bereits gute Freunde
Foto: Silvia Passow

Gretchen wird nun hoffentlich ordentlich wachsen. „In zwei Jahren wird sie ausgewachsen sein“, sagt Eitner. Sie ist optimistisch, dass aus dem Kitz eine hübsche Ricke wird. Eitner, die ihre kleine Wildtierpflegestation ehrenamtlich betreibt, kommt übrigens für alle finanziellen Leistungen am Tier selbst auf. Als Verein aufzutreten und Geld sammeln, das kam ihr nie in den Sinn, sagt sie auf Nachfrage und fügt hinzu: „Die Tiere aufzupäppeln, das ist mein Herzblut.“

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