Wildtiere erfolgreich aufpäppeln ist eine schöne und anspruchsvolle Aufgabe, der nur Profis wirklich gerecht werden können
Von Silvia Passow
Falkensee. Die fünf rotbraunen, halbnackten Winzlinge schlafen zusammengerollt und aneinandergeschmiegt. Vorsichtig hebt Anne Leistikow eines der nur vierzig Gramm wiegenden Eichhörnchen-Babys aus der wärmenden Umarmung der Geschwister. Leistikow reibt sanft über den Unterbauch des Tieres, stimuliert so die Blase. „In den ersten Wochen können Eichhörnchen nicht allein Urin lassen. Die Mutter hilft ihnen, putzt über den Bauch“, erklärt Leistikow. Bleibt diese Stimulation aus, würde das Baby keinen Urin lassen und versterben. Während Leistikow unbeirrt den kleinen Bauch massiert, quickt der kleine Kerl. Hunger! Auf dem Tisch liegen zwei Spritzen, gefüllt mit einer speziellen Aufzuchtmilch. Als Leistikow eine der Spritzen aufhebt, sieht es aus, als würde der kleine Eichhörnchenbub danach greifen. Quickend nimmt er den Aufsatz, der vorn an der Spritze befestigt ist und das Saugen für ihn erst möglich macht in die winzige Schnute. Ein leises, zufriedenes Schmatzen kündet von tiefer Zufriedenheit. Alle 2-3 Stunden wiederholt sich dieses Ritual, auch des Nachts. Die Tierärztin Anne Leistikow ist Teil des Praxisteam um Sabine Schön, die seit vielen Jahren eine Tierarztpraxis in Falkensee führt. Seit nunmehr achtzehn Jahren kümmert sie sich um verwaiste oder verletzte Eichhörnchen.
Die Fünferbande, die Anne Leistikow vor einigen Tagen aufnahm, ist etwa zwei Wochen alt. Noch haben sie wenig Ähnlichkeit mit den kleinen, rostbraunen Waldkobolden, die spielend bis in die höchsten Baumkronen klettern. Erst in zwei Wochen werden sie ihre dunklen Augen öffnen, die Welt entdecken und unsicher machen. Mit acht Wochen kommen sie in die Innenvoliere, sagt Leistikow und sofern es die Entwicklung zulässt, in die Außenvoliere. Hier werden sie auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Leistikow verabschiedet sich dann allmählich aus dem Leben ihrer Schützlinge. Sie bekommen die Möglichkeit die Voliere zu verlassen. Für einige Zeit lässt Leistikow ihnen die Möglichkeit der Rückkehr. Doch irgendwann folgen alle dem Ruf der Natur, dann darf frei leben, was auch frei geboren wurde. Ein schwerer Moment? Leistikow nickt und lächelt. „Und ein notwendiger. Eichhörnchen sind keine Haustiere.“
Verwaiste Jungtiere suchen aktiv Hilfe
Verwaiste Eichhörnchenjunge suchen Hilfe beim Menschen. Sie folgen ihm, klettern auch schon mal an Hosenbeinen hoch. Für den Menschen birgt dieses Verhalten keinerlei Gefahr. Ganz anders für das Eichhörnchen. Es zeigt dieses Verhalten nur in allerhöchster Not. Vor Tollwut muss man sich dabei kaum fürchten, Deutschland gilt als frei von der terrestrischen Tollwut. Sofern das Tier aus dem Babyalter hinaus ist, sollte man sich dennoch vor Bissen schützen und Handschuhe oder ein dickes Stück Stoff zum Aufnehmen des Tieres zur Hilfe nehmen. Wird ein Jungtier gefunden, dass nicht auf sich aufmerksam machte, kann es sinnvoll sein, den Versuch einer Familienrückführung zu unternehmen. Hierfür das Jungtier vor Fressfeinden wie Katzen oder Krähen schützen. Gelingt dies nicht wird empfohlen nach Geschwisterkindern zu suchen. Die meisten Würfe umfassen zwei bis sechs Jungtiere, es ist ratsam, die Suche auch auf den Folgetag auszuweiten. Ist das Jungtier gerettet, gut warmhalten und mit Flüssigkeit versorgen. Optimal sind hierfür 200 ml abgekochtes Wasser oder Fencheltee mit zwei Teelöffeln Zucker oder Traubenzucker. Keine Milch geben! Unbedingt Fachleute, zum Beispiel Eichhörnchen Notruf anrufen. Auf keinen Fall das Tier einfach behalten. Die Pflege gehört in professionelle Hände!
Der Eichhornfreundliche Garten
Wasser in Eimern, Gießkannen, Regentonnen und Pools abdecken oder mit einer Kletterhilfe, ein Stock oder ein Tau versehen, damit hineingefallene Tier nicht ertrinken. Auf Pflanzenschutzmittel und künstliche Dünger verzichten. Was den Eichhorngaumen mundet erfährt man auf der Seite des Eichhörnchen Notrufes, dazu gibt es Beispiele für hübsche Futterhäuser. Neben der Unfallgefahr im Garten und den natürlichen Feinden, ist es der Mensch, der den Tieren das Leben schwer macht. Die kleinen Akrobaten werden überfahren. „In den letzten Jahren nehmen die Knochenbrüche deutlich zu“, sagt Leistikow. Als mögliche Ursache hierfür nennt sie die Orte, an denen sich die Tiere niederlassen und ihre Kobel bauen. „Wenn die Bäume fehlen, weichen die Eichhörnchen auch schon mal auf Hauswände oder Jalousien-Kästen aus“, sagt Leistikow. Diese Orte werden gerade den Jungtieren schnell zum Verhängnis.
Ganz besonders im Frühjahr die Augen nach verwaisten Eichhörnchen offenhalten, das wäre Leistikows Bitte. Wer ein Eichhörnchen in Not findet, kann sich an den bundesweit tätigen Eichhörnchen Notruf wenden. Hier kann man auch erfahren, wo sich die nächste fachkundige Aufnahmestelle für Eichhörnchen befindet.
Kontakt Eichhörnchen Notruf e.V.: Telefon: 0700 2002 0012, weitere Infos unter: www.eichhoernchen-notruf.com
Mehr zur Tierarztpraxis Sabine Schön in Falkensee: www.tierarzt-schoen.de