Lässt der milde Winter mehr Insekten überleben?
Mit rund 70 Sonnenstunden war dieser Januar einer der Wärmsten in Brandenburg, seit der Wetteraufzeichnung. Das geht aus Daten des Deutschen Wetterdienstes hervor. Demnach fiel der Januar fast fünf Grad wärmer als erwartet aus. Und auch der Dezember war weit entfernt von winterlichen Temperaturen mit Eis und Schnee. Früher sagte man, gibt es nicht genug Frost im Winter gibt, überleben mehr Insekten. Ist das wirklich so? Wie kommen Insekten überhaupt durch den Winter? Antworten auf diese Fragen liefert Jörg Müller, Biologe der Heinz Sielmann Stiftung. Er gibt Einblicke in die Strategien der Insekten, wie sie dem Winter zu trotzen und erläutert warum für manche Insekten die milden Temperaturen gar nicht so vorteilhaft sind.
Bienen begegnen dem Winter mit geballter Körperwärme
Bienen rücken im Winter zusammen, ernähren sich von den Vorräten und wärmen sich gegenseitig. Dabei bildet das Bienenvolk eine Kugel um die Königin herum und beheizt diese mit mindestens 25 Grad durch die geballte Körpertemperatur. Dabei wird der Honig gleich mit erwärmt. Und damit alle gut durchkommen und vom Honig naschen können wird regelmäßig rotiert, man tauscht den Platz, von Innen nach außen und wieder zurück. So kühlt kein Bienchen komplett aus und jeder darf mal an den Honig und sich aufwärmen. Dieses Zusammenrücken ist allerdings eher die Ausnahme, sagt Müller. „Auf den von uns untersuchten Flächen kommt das ansonsten nur bei den Feuerwanzen vor“, sagt der Biologe, der in der Kyritz-Ruppiner Heide im nördlichen Brandenburg die dort vorkommenden Insektenarten erforscht. Und auch in der kalten Jahreszeit trifft er dort erstaunlich viele Insekten an.
Aktive Insekten im Winter
Der weiße Grasbär ist auch im Winter aktiv. Der Schmetterling, der zu den Nachtfaltern gehört, überwintert als Raupe, erklärt Müller. An milderen Tagen kann man die schwarzen Raupen beim Fressen an Heidepflanzen oder Gräsern sehen. Die schwarze Farbe ermöglicht ein besonders effektives Abspeichern der Sonnenstrahlen. Eine ähnliche Strategie verfolgen auch die Wintermücken, die man auf Waldlichtungen in Schwärmen in der Sonne tanzen sehen kann. Dabei wirken die langen schmalen, mit dunklen Äderchen durchzogenen Flügel, wie Sonnenkollektoren. Die Wintermonate bergen für die kleinen Moss fressenden Tierchen den Vorteil, auf wenig Fressfeinde zu stoßen. Zu den größten winteraktiven Insekten zählt der Kleine Frostspanner, ebenfalls ein Nachtfalter, mit einer Flügelspannweite von 2,5 Zentimetern. Die Männchen fliegen bis in den Dezember hinein und paaren sich mit den flugunfähigen Weibchen. Die Winterzeit bringt ihnen zwei Vorteile. Sie müssen sich nicht vor gefräßigen Fledermäusen fürchten, die halten Winterschlaf. Und die Luft ist nicht mit den Pheromonen, also Duftstoffen, anderer Schmetterlingsarten geschwängert. So findet sich die angebetete Partnerin leichter.
Frostschutzmittel selbst gemacht
Die meisten Insekten überwintern als Puppe im Boden oder in Laub und Moos. Manche Insekten verlassen sich nicht gern auf äußere Umstände, sie werden selbst aktiv, so auch der Zitronenfalter. Um zu verhindern, dass seine Körperflüssigkeit gefriert, was ihm großen Schaden zufügen würde, lagert er Zucker oder Alkohole wie Glycerin als Frostschutzmittel ein und verhindert so ein durchfrieren.
Nur ihre Majestät überwintert
Bei Hummeln, Wespen und Hornissen stirbt im Herbst das ganze Volk und nur die bereits befruchtete Königin überlebt. Sie überwintert an einem geschützten Ort und wenn sie im Frühjahr ausfliegt, trägt sie ihr ganzes Volk bei sich. Sie wird dann einen neuen Staat gründen und im Herbst wird sich der Kreislauf wiederholen. Libellen dagegen legen ihre Eier direkt im Wasser ab. Dagegen ziehen sich manche Käfer und Ameisen bis 1,50 Meter tief in die Erde zurück.
Milder Winter, mehr Insekten?
„Der weit verbreitete Gedanke, dass milde Winter mehr Insekten überleben lassen, ist überwiegend ein Trugschluss“, sagt Jörg Müller. „Viele Ruhestadien von Insekten fallen in milden, feuchten Wintern Schimmelpilzen zum Opfer. Es gibt sogar viele Arten, die im Winter Kälte benötigen“, sagt der Biologe weiter. Er nennt als Beispiel hierfür einige Feuerfalter-Arten, die gerade deutschlandweit deutlich seltener werden. „Sogar für viele ausgesprochen wärmeliebende Arten ist ein kalter Winter gar nicht schädlich. Gelege von Gottesanbeterinnen überstehen kurzzeitig sogar minus 60 Grad“, sagt Müller.
Ein Ausflug als Generationenprojekt
Manche Insekten halten es wie die Zugvögel und fliegen in den Süden, nach Südwestdeutschland oder Ostfrankreich. Der Distelfalter will weiter weg. Distelfalter pflanzen sich das ganze Jahr hindurch fort und so ist ihre Wanderung dann auch ein Generationenprojekt. Die im Herbst abziehenden Tiere fliegen bis Frankreich oder Spanien. Der Nachwuchs schafft es dann bis Nordafrika und dessen Nachwuchs kehrt im Frühjahr wieder nach Europa zurück.
Geheimtipp: In der Sielmann Naturlandschaft werden Insekten-Safaris zu den Distelfaltern angeboten. Die Termine dafür stehen noch aus. Es lohnt sich jedoch ein Blick auf den Internetauftritt unter: www.sielmann-stiftung.de
Die Exkursionen werden von Dr. Hannes Petrisckak begleitet. Der allein durch die Döberitzer Heide streifen möchte, dem sei dessen Buch „Expedition Artenvielfalt“ ans Herz gelegt. Dieder großartige Naturführer gibt Informationen und Einblicke zum Leben in den Sielmann Naturlandschaften.