Konrad Bauer bietet bedrohten Vogelarten sichere Nistmöglichkeiten. Ganz nebenbei werden historische Gebäude geschützt und Suchtkranke bekommen eine sinnvolle Aufgabe
Reportage Silvia Passow Natur- und Tierschutz
Dort wo die Sonnenstrahlen es durch die Oberlichter schaffen, sieht man den Staub durch die abgestandene Luft tanzen. Man könnte fast glauben, die wirbelnden Wolken genießen ihren Ausflug, nachdem sie Jahrzehnte lang auf den Holzbalken und Dielen ruhten. Die Dachböden der Kirchtürme in den Brandenburgischen Dörfern werden nur selten von Menschen besucht. Für Turmvögel ideal, sie meiden die Menschen. Gefährlich sind die Türme für die Vögel dennoch, wie die bereits mumifizierte Leiche einer Dohle, die auf dem staubigen Boden liegt, zeigt. Das Tier ist wahrscheinlich verhungert, als es nicht mehr aus dem Kirchturm hinausfand. Für Jungvögel können die in schwindelerregender Höhe gebauten Nester, gefährlich werden, wenn vorwitzige Vogelküken sich zu weit hinauswagen. Ein Sturz kann tödlich enden.

Foto: Silvia Passow
Konrad Bauer stapft die enge, staubige und bei jedem Schritt unwillig knarrende Stiege, in den Turm hinauf. Geschickt balanciert der Siebzigjährige dabei einen etwa zehn Kilogramm schweren Nistkasten aus Holz durch das schmale Treppenhaus. In etwa drei Stunden wird die Behausung für eine Schleiereule angebracht sein und dem Vogel eine sichere Brutstätte bieten. Und die Kirche wird dann nicht mehr mit den Hinterlassenschaften der Eule, Nistmaterial, Kot und was vom Essen übrigblieb, verunreinigt.

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Überall im Osthavelland bringt Konrad Bauer diese Nistkästen in Kirchtürme, Scheunen und Trafohäuschen an. Er bessert die Kästen aus, reinigt, kontrolliert, zählt Bestände. Mehr als 100 Nistkästen an 60 Standorten betreuen Bauer und seine beiden Mitstreiter.

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Ein Zuhause für Turmfalken, Schleiereulen und Dohlen
Konrad Bauer ist als Naturschützer für den NABU (Naturschutzbund) unterwegs. Seine Mission begann vor einigen Jahren mit den Turmfalken und Schleiereulen. Die kleine Dohle, einst weit verbreiteter Allerweltvogel, eroberte schon bald einen besonderen Platz in seinem Herzen. Dohlen sind sehr gesellig und brüten in direkter Nachbarschaft zu anderen Dohlen. Der kleinste der Rabenvögel, die Dohle, trägt den lateinischen Namen Coloeus monedula, der auf die Ähnlichkeit ihres Gefieders mit der Kleidung der Dorfpriester anspielt. In der „Roten Liste der Brutvögel des Landes Brandesburg“ steht der Turmfalke auf der Vorwarnstufe, die Schleiereule wird als gefährdet angegeben. Die Dohle aber, wird in der Kategorie eins, vom Aussterben bedroht, geführt. Dennoch finden Falken und Eule sehr viel schneller menschliche Sympathien, als kleine Rabenvögel. „Die Dohle braucht dringend unseren Schutz“, sagt Bauer.

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Der Dohlen-Bestand ist vielleicht nur noch mit Migration zu retten
Allerdings wird Schutz allein nicht reichen. „Es bräuchte Migration, um die Bestände der Dohlen in Brandenburg zu sichern“, sagt er. Doch bereits jetzt sind die Brutplätze rar. Insofern sind die Nistkästen ein gelungener Kompromiss. Kirchen die Nistkästen aufhängen lassen, werden vom NABU mit der Auszeichnung „Lebensraum Kirche“ belohnt. Sechs Kirchen im Osthavelland dürfen sich mit der dazugehörigen Plakette schmücken. Im Land Brandenburg sind es 34 Kirchen. Die seit 2007 verliehene Auszeichnung ziert mehr als tausend Kirchen im gesamten Bundesgebiet.

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Aus besonderem Holz geschnitzt
Die Nistkästen dienen unterschiedlichen Vögeln und ihren Bedürfnissen. Jeder Kasten ist ein Unikat, gefertigt in einer Tischlerei in Nauen, in der bereits Filmrequisiten und Bänke für das Kanzleramt getischlert wurden. Tischlermeister René Holz arbeitet hier mit Suchtkranken und Langzeitarbeitslosen Menschen in der Tischlerei von SinAlkol. Aus gespendeten Einwegpaletten, die sonst im Müll gelandet wären, werden die Nistkästen für Eule & Co gebaut. In der Tischlerei sollen die Beschäftigten wieder Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und die Übernahme von Verantwortung erlernen., sagt Holz. Dass mit der Arbeit ein sinnvoller Beitrag zum Naturschutz geleistet wird, stärkt auch das Selbstbewusstsein der hier Beschäftigten, sagt der Tischlermeister weiter. In der Tischlerei werden auch Nistkästen und Vogelhäuschen für den heimischen Garten gezimmert und verkauft. Mehr hierzu unter: www.sinalkol.de

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Die Nistangebote werden genutzt
Der Erfolg des kleinen Vogelschutz-Teams wird spätestens mit der Jahresbilanz deutlich. Konrad Bauer führt Buch über jeden Nistkasten und seine Bewohner. Besonders großes Augenmerk fällt dabei auf den flügge werdenden Nachwuchs. Denn nicht jedes Zuhause wird auch Kindestube. Erstrebenswert ist das natürlich und so freut sich Bauer über jedes ausgebrütete Ei, jedes neue Brutpaar.

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Die Anzahl der Nistkästen, in denen auch gebrütet wurde, hat sich 2019 gegenüber dem Vorjahr etwas mehr als verdoppelt. 37 Dohlen-Brutpaare wurden gezählt, 2018 waren es zwölf. Der Anstieg bei den Turmfalken ist nur gering, von sieben auf neun Bruten, gestiegen. Ähnliches Bild bei den Schleiereulen, auch hier gab es zwei Bruten mehr als im Vorjahr, dazu zwei Zeitbruten. Und auch die Erfolge des Ausbrütens lassen sich sehen. Gab es im letzten Jahr 45 Jungdohlen zu bewundern, waren es in diesem Jahr 77 Vögel. Die Turmfalken brüteten im letzten Jahr 25 Vögel erfolgreich aus, in diesem Jahr waren 37 Tiere. Besonders erfolgreich waren die Schleiereulen. 60 Jungvögel konnte das Team zählen. Im letzten Jahr waren es 24 kleine Schleiereulen.

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„Über Mäuse freuen sich alle“,
sagt Konrad Bauer und spricht von 2019 als einem guten „Mäusejahr“. Darüber haben sich ganz besonders die Eulen gefreut. Der Anstieg bei den in Brandenburg stark gefährdeten Dohlen führt Bauer auf das gestiegene Nistplatzangebot zurück.

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Gefahren minimiert aber nicht aus der Welt
Die Eier und die Vögel selbst haben natürlich Fressfeinde. Fuchs, Marder, Ratten, und viele mehr. Bauer bringt die Nistkästen so an, dass diese Räuber keine Chance haben. So sind die Altvögel beim brüten geschützt und die Kleinen zumindest vor den ersten Flugversuchen in Sicherheit. Durch die Nistkästen reduzieren sich die Unfallopfer deutlich. Brüten die Turmvögel auf dem schmalen Gebälk hoch oben im Kirchturm, ist die Gefahr eines Absturzes allgegenwärtig. Und diese Stürze bedeuten fast immer den sicheren Tod. Mit den Nistkästen minimieren sich die Opfer durch Fuchs und Sturz, vor den Menschen kann Bauer „seine“ Vögel nicht beschützen. Besonders Gifte, Pflanzenschutzmittel auf den Feldern, behandelte Wiesen, setzten den Tieren zu. Tragen die alten Eulen erst einmal die vergiftete Maus in den Nistkasten stirbt nicht selten das ganze Gelege. Bauer zählt auch die toten Tiere, stellt Mutmaßungen zu deren Todesursachen an oder schickt die Körper auch schon mal zu Untersuchungszwecken an entsprechende Fachleute.

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5500 Kilometer im Dienst der Vögel zurückgelegt
Im Jahr 2019 hat die AG Turmfalken 600 ehrenamtliche Arbeitsstunden abgeleistet und hat 5500 Kilometer durchs Land zurückgelegt. Drei weitere Kirchen wurden mit der Plakette „Lebensraum Kirche“ vom NABU ausgezeichnet. Sorgen macht sich Bauer aktuell um einige baulich gefährdete Trafohäuschen. Hier hat er um Unterstützung im Kreistag gebeten.

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Über Mäuse freut sich übrigens auch das Team um Konrad Bauer. Mehr Informationen zur Arbeit der AG unter: eulen-greifvögel@nabu-osthavelland.de