Die grüne Lunge ist braun

Stadtförster Thomas Meyer spricht vom Waldsterben 2.0

Oktober 2019             Natur und Umwelt  

Stadtförster Thomas Meyer hat zum Waldspaziergang eingeladen. Der Förster betreut den sogenannten Nauener Stadtforst, ein Waldgebiet, Nahe der Brandenburgischen Stadt Nauen. Dem Wald geht es nicht gut, ganz und gar nicht gut und um dies nicht nur zu sagen, sondern auch zu zeigen, geht es in den Wald.

Wer aufmerksam durch den Wald geht, dem entgeht das leise Sterben nicht
Foto: Silvia Passow

Die Wetterereignisse der letzten drei Jahre, sie haben den Wald gar nicht gutgetan. Ganz im Gegenteil, der Wald ist zum akut kranken Patienten geworden, ausgetrocknet bis aufs Mark, von Schädlingen befallen, gegen die sich die Bäume nicht mehr wehren können. Es ist 5 vor 12, sagt Jagdpächter Bernd Schulze und Nauens Stadtförster Thomas Meyer spricht vom Waldsterben 2.0. Ein langsames Sterben, denn der Baum, der oben noch die grüne Krone gen Himmel reckt, ist in den Wurzeln bereits vertrocknet. Die prächtige Baumkrone weiß nicht, dass die Wurzel tief unten in der Erde bereits tot ist. Ein stilles, ein langsames Sterben, direkt vor unserer Haustür.

2017, Sturm Xavier entwurzelte auch viele sehr alte Bäume. Das volle Laub wirkte dabei wie ein Segel
Foto: Silvia Passow

Das Waldsterben, die Fortsetzung läuft

Der Begriff „Waldsterben“ stammt aus den 1980er Jahren. Auch damals ragten die kargen Äste in den Himmel, reihten sich Skelette aus Holz aneinander, wo einst das Leben gefeiert wurde, in den Wäldern. Als Ursache galt der sogenannte „Saure Regen“, es wurden umweltpolitische Debatten geführt, Maßnahmen zur Gegensteuerung wurden eingeleitet, der deutsche Wald erholte sich. Ob es noch einmal gelingt den Schwerkranken zu retten?

Sturm & Starkregen 2017, danach zwei sehr trockene Jahre haben Spuren hinterlassen
Foto: Silvia Passow

Meyer hegt und pflegt den Nauener Stadtforst, über 1000 Hektar Waldfläche, mit einer großen Artenvielfalt. Für das aktuelle Waldsterben macht Meyer zunächst die Wetterereignisse der letzten drei Jahre verantwortlich. Der verregnete Sommer 2017, der den Waldboden in eine morastige Landschaft verwandelte. Da halfen auch keine Gummistiefel mehr, ein Besuch im Wald führte zwangsläufig zu nassen Socken, erzählt Meyer. Im aufgeweichten Boden verloren die Wurzeln den Halt. Und dann kam Sturmtief Xavier, etwas zu früh für einen Herbststurm, die Bäume standen noch in vollem Laub. Die bis zu 120 Stundenkilometer erreichenden Böen trafen auf die Baumkronen wie auf Segel. Der Standfestigkeit beraubt gaben selbst alte Baumriesen der Naturgewalt nach, mächtige Baumkronen brachen, vielerorts entwurzelte der Sturm jahrhundertealte Bäume.

10 Baumarten wachsen hier. Das ist viel. Schadlos geblieben ist dennoch kein Baum
Foto: Silvia Passow

Regen, davon träumen die Forstwirte, wie die Brandenburger Landwirte seitdem. 2018 war viel zu trocken, es fiel deutlich zu wenig Regen, nicht nur im Hitzesommer, auch im restlichen Jahr. Ein Defizit, dass auch in diesem Jahr nicht aufgeholt wurde.

Um der Natur wirklich zu helfen.
wäre Dauerregen von jetzt bis Weihnachten notwendig“,

sagt Meyer.

Die Rinde am Fuß des Baumes zeigt, hier hat sich der Borkenkäfer eingerichtet.
Foto: Silvia Passow

Wo das Klima neue Bedingungen schafft gibt es Verlierer und Gewinner. Zu den Gewinnern gehören die Borkenkäfer. Die fühlen sich wohl im trockenen Holz und können sich unter den Bedingungen gut vermehren. Vierhundert Käfer reichen, um den Baum den Garaus zu machen und dieser kann bei anhaltender Hitze den Käfern kein Paroli geben. Ein gesunder Baum bildet Harz und verschließt das Loch, dass ein Borkenkäfer ins Holz gebohrt hat. Ist es zu trocken, kann der Baum dieses Harz nicht bilden, der Käfer hat freie Fahrt. Einziges Gegenmittel wäre sofortiges abholzen des betroffenen Baumes, doch hier kommt das nächste Problem. Die Sägewerke sind übervoll, schon seit 2017 Xavier die Lager dort gefüllt hat. Mit dem überschüssigen Angebot verfällt der Preis für Holz, Im Moment liegt der Reinerlös bei 5 Euro für einen Meter. Forstwirtschaft ist, wie jeder andere Wirtschaftszweig, auf Gewinne ausgelegt. Laut Meyer hat der Stadtforst zuverlässig Geld in die Stadtkasse gespült. In diesem Jahr, sagt er, wird es nicht so sein. Denn die Schäden sind gewaltig, das Personal, so Meyer knapp, was auch Jagdpächter Schulze bestätigt. Und auch Aufforstung kostet Geld, ist teuer geworden, denn auch hier bestimmt die Nachfrage den Preis der Pflanzen. Das Problem der sterbenden Wälder hat nicht nur Brandenburg, es ist im ganzen Land bekannt. Man kann der Natur auch einfach ihren Lauf lassen, geht auch. Nur wachsen dann nicht unbedingt die gewünschten Bäume. Die Natur hat eigene Pläne und die sind reichlich komplex, wie Meyer erläutert. Dabei geht es auch nicht nur um die Frage des Gewinnes. Es geht auch um die Frage der Vielfalt.

Förster Thomas Meyer hält ein Stück Rinde in die Kamera. darunter verraten die Gänge und Larven, hier ist der Borkenkäfer am Werk
Foto: Silvia Passow
Unter der scheinbar intakten Rinde kann man die Gänge und Larven der Borkenkäfer deutlich erkennen
Foto: Silvia Passow




Artenvielfalt als bester Schutz

Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung legt in einem Bericht nahe, je mehr Arten vor Ort, je besser die Chance gegen klimatische Veränderungen gewappnet zu sein. In Brandenburger Wälder finden sich meist drei Baumarten, sagt Meyer. Im Nauener Stadtforst sind es zehn Arten. Im Moment leiden sie alle sagt Meyer, manche schalten bereits jetzt auf Verjüngung, bilden Samen aus. „Das machen Bäume so, wenn sie spüren, dass es zu Ende geht“, erklärt Meyer. Die Artenvielfalt soll gewährleisten, dass wenigstens etwas im Wald überlebt, den neuen Verhältnissen trotzen kann. Vielfalt hilft auch gegen den nächsten, nicht weniger gefährlichen Feind, dem Feuer. 2018 verwüsteten mehr als 500 Waldbrände 1650 Hektar. 2019 wüteten gleich mehrere große Waldbrände, so zum Beispiel bei Jüterborg, 550 Hektar brannten hier, das Feuer gilt als größter Waldbrand seit der Wiedervereinigung. In keinem anderen Bundesland verzeichnet man so viele Waldbrände, wie in Brandenburg.

Mehr Laub- und weniger Nadelbaum wäre wünschenswert
Foto: Silvia Passow

Heimat der Waldtiere oder Holzfabrik?

Neben der Märkischen Trockenheit gelten die Kiefernwälder als riskant. Kiefern werden in der Holzindustrie gern verwendet, so wie Nadelgehölz ganz allgemein besseren Absatz am Markt findet, sagt Meyer. Das Wissen um die Wichtigkeit der Artenvielfalt, es nutzt wenig, wenn es um Gewinne geht.  

Der Holzpreis ist eingebrochen, Sägewerke haben keine Kapazitäten. Doch gegen den Borkenkäfer hilft nur abholzen, sagt Meyer
Foto: Silvia Passow

Der Wald leidet still und mir geht nicht aus dem Kopf, was Meyer über die Bäume sagte, über das Wissen der Bäume um ihren Tod, über leuchtend grüne Baumkronen und bereits abgestorbene Wurzeln. Bäume, das weiß man heute, kommunizieren miteinander. Was sie, die sie schon viel gesehen haben, über uns zu sagen haben?

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