Ackern mit Conny Lent

In Brieselang ist eine Solidarische Landwirtschaft entstanden. Letztes Jahr noch war Aussaat, in diesem Jahr schon dicke Ernte

22.Oktober 2019

Kartoffeln und Eier vom Bauern nebenan holen, Tomaten, Salat, Rettich und Kohl selbst anbauen und ernten. Conny Lent hatte dieses saubere, süße Landidyll vor Augen als sie vor rund zwei Jahren aus Berlin nach Brieselang, ins Brandenburgische Havelland zog. Die Realität sah ein wenig anders aus. Diskounter locken mit Angeboten aus der Massenproduktion. Nichts mit Land(liebe)eiern. Im eigenen Garten ließ sich zwar so einiges anbauen, doch für die Familie mit fünf Kindern reichte der Ertrag nicht aus. Lent hegte diesen Traum, sich und die Familie selbst zu versorgen, schwatzte einem Bauern etwas Land ab, baute dort Kartoffeln an. Der Traum, er nahm Gestalt an. Was fehlte, war ein Acker. Ein richtiges Stück Land auf dem Träume gedeihen können.

Dezember 2018. Eine Jahreszeit um der die Leute doch eigentlich anderes im Kopf haben, als das Gemüse im nächsten Jahr. Könnte man meinen, ist aber falsch. Conny Lent kennt kaum jemanden in Brieselang. Auch das ist symptomatisch für viele Brandenburger Gemeinden. Man zieht aufs Land, eigenes Grundstück, Haus drauf, Zaun oder Mauer rum und auf der eigenen Scholle bleiben. Nachbarschaft sieht anders aus, zumindest wenn leben drin sein soll. Ein bisschen wie in der Mietskaserne, die man doch so gern verlassen hat. Nur eben jetzt mit Vorgarten. Umso überraschter ist die Mittvierzigerin, es kommen fast zwanzig Interessierte, Menschen, die sich gar nicht kennen. Sie folgen Lents Einladung: Suche Gleichgesinnte zum Aufbau einer SoLaWi.

Erstes Treffen der Gemüsegenossen Brieselang im Märkischen Künstlerhof
Foto: Silvia Passow

Es gibt verschiedene Wege eine solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) zu betreiben. Eines ist immer gleich. Eine Anzahl von Menschen teilen sich das finanzielle Risiko, planen, was soll angebaut werden, bauen gemeinsam an oder lassen beackern und teilen die Ernte.

Lents Idee schlägt ein., das Ackerland hat sie bereits gepachtet, was sie sucht sind Mitstreiter. Die Anwesenden haben teilweise ähnliche Erfahrungen wie sie. Städter, die raus wollten, ländliche Gemeinschaft erleben, gesundes, regionales Essen nebenan einkaufen, Lebensmittel nicht nur als anonyme Ware erleben. Aussaat, keimen, wachsen, reifen erleben wie essen entsteht. Aber auch eingefleischte Brieselanger, einer erzählt, wie seltsam es ist, dass es in Berlin so viele Märkte mit regionalen und Biolebensmitteln gibt und rund um Brieselang nichts, kein Markt, kein Bauer, der seine Waren anbietet. Ein anderes Paar erzählt, sie lassen sich wöchentlich eine Gemüsekiste liefern, aus knapp 50 Kilometern Entfernung und hadern. Nein, ökologisch ist das nicht. Lent ist begeistert ob des Zuspruches.

Conny Lent mit Werbe Broschüre für ihre SoLaWi
Foto: Silvia Passow

Nur einige Monate später steht die Volkwirtin auf ihrem Acker, die Haut gebräunt, Schirmmütze auf dem Kopf, Strahlen in den Augen. Für die Gemüsegenossen Brieselang steht Lent nun jeden Tag auf dem Feld, hat ein gut bezahltes Jobangebot in Berlin lustvoll sausen lassen und weint den sterilen Büroräumen nicht eine Träne nach. Stolz zeigt sie unterschiedlichen Tomatensorten in verschiedenen Farben, Formen und Größen. „Koste mal“, lädt sie mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck ein. Nicht grundlos, die kleinen roten Murmeln lösen eine wahre Geschmackseruption aus. Sie reibt an den duftenden Kräutern, streicht stolz über das grün der Möhren, zeigt ihre Kartoffeln und Kohlköpfe so groß wie Medizinbälle, denen man jedes einzelne Vitamin Inside ansieht. Es leuchtet rot und grün und zwischendurch steht knallroter Mohn, strahlt ein Löwenzahn, wiegt sich Schafsgarbe im Wind. Kein Unkrautvernichter, keine Pestizide kommen Lent auf den Acker. Die Kartoffelkäfer werden von Hand abgesammelt. Was auch immer sie hinterher mit denen anstellt. Sie bezieht ausschließlich Biosaatgut. Sie bekommt biologischen Dünger von einem Pferdehof aus der Region. Als Baumaterial dient Holz, einschließlich der Gemüsekisten. An zwei Terminen die Woche können sich die Genossen ihren Anteil abholen. Wer mag kann sich auf dem Acker austoben oder werkeln, zum Beispiel Tische für die Anzucht schreinern. Die Erträge sind reichlich, pflanzliche Abfälle wie welke Blätter und Strunke werden an Weidetiere verfüttert. Heute hilft Genossin Sandra mit. Sie hat ihren Sohn dabei. „Im nächsten Jahr“, sagt Sandra, „wollen wir die Kinder mehr mit einbinden. Sie sollen dann einen eigenen, kleinen Acker bekommen.“

In den ersten Wochen wurde noch von Hand gegossen. Nun hilft ein Bewässerungssystem
Foto: Silvia Passow
Salat
Foto: Silvia Passow

Am Anfang des Jahres, erzählt Lent war es noch schwer. Die Auswahl an Gemüse, an das, was das Feld hergibt, war noch sehr begrenzt. „Da lernt man dann, was regional, saisonal, tatsächlich heißt“, sagt Lent. Im Hochsommer dagegen sind die Kisten prall gefüllt und dann gibt es da noch die „Hiervon ist reichlich da-Kisten“. Aus denen kann sich jeder noch einmal extra etwas nehmen. Im Moment gibt es einen deutlichen Überschuss an Gurken. „Mein Mann und ich leben vegan“, gibt Genosse Mirko Auskunft. „Selbst für uns ist das eine ordentliche Ration“, sagt er beim Blick in seine Gemüsekiste. Was ihn besonders freut, Conny Lents Kreativität bei der Auswahl der Sorten. Die helle Beete hat es ihm angetan sagt er. Und fügt hinzu: „Ich hätte mich früher im Laden gar nicht getraut so etwas zu kaufen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die verwenden könnte. Das ist jetzt anders. Ich schaue was wir haben und suche mir dann Rezepte dazu. Durch die SoLaWi hat sich unser Speiseplan enorm erweitert. Und was ich ebenfalls genieße, ich kann zu Fuß herkommen:“

Liebevoll beschriftet, die Kräuterauswahl
Foto: Silvia Passow
Conny Lent zeigt stolz die Feldfrüchte
Foto: Silvia Passow

Fast alle Genossen/innen kommen aus Brieselang, sagt Lent. Neben den gesunden Lebensmitteln aus eigenem Anbau, wachsen, sprießen und gedeihen auch die sozialen Kontakte. „Eine unserer Genossinnen ist inzwischen schwanger. Eine der anderen Frauen, eine schon etwas ältere Dame, bringt ihr nun ihren wöchentlichen Gemüseanteil“, erzählt Lent stolz. Man feiert regelmäßig zusammen oder kommt einfach auf einen Kaffee mit Plausch vorbei Damit gilt dann auch diese Anliegen der Gemüsegenossen als geglückt.

Lecker!!!
Foto: Silvia Passow

Im nächsten Jahr möchte Lent die SoLaWi ausbauen, weitere Genossen/innen können dazu kommen. Gemüsegenosse/in wird man für ein Jahr, es können auch Anteile geteilt werden. Mehr zu den Brieselanger Gemüsegenossen gibt es hier: www.gemuesegenossen.de

Tomaten, Tomaten, Tomaten
Foto: Silvia Passow

Unter. www.solidarische-landwirtschaft.org erfahrt ihr mehr über das Prinzip der SoLaWi, über Genossenschaften in Eurer Nähe oder wie ihr selbst Gemüsegenossen werden könnt.

Gemüse, so weit das Auge reicht
Foto: Silvia Passow


Gemüseträume wahr geworden
Foto: Silvia Passow

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